"Gündales in Glickerbach"

Wenn Krimis die Mundart retten

Arnim Töpel hat ein "Bescht of" der Fälle seines Kommissars Günda veröffentlicht

04.12.2019 UPDATE: 05.12.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden
Arnim Töpels Werke sind auch in den RNZ-Geschäftsstellen zu haben. Foto: Barbara Mayer

Von Rolf Kienle

Rhein-Neckar. "Ia seid wie isch – bloß annaschda", sagt ein großer Glickerbacher: Kommissar Günda. Aber wie genau sind sie, und wo liegt eigentlich jenes Glickerbach, über das Arnim Töpel unermüdlich schreibt. Letzteres ist leicht zu beantworten: Glickerbach ist überall in der Kurpfalz. Es steht für alle und alles in dieser Region. Töpel schaut den Menschen in der Metropolregion seit 60 Jahren aufs Maul und hat deren Sprache und ihre Typen erst für sein Musikkabarett und dann für seine Krimis festgehalten. Nach sechs Fällen hat er jetzt eine Art "Best of" mit ziemlich schrägen Episoden aus diesen einzelnen Büchern geschrieben. "Gündales in Glickerbach" ist der Titel seines neuesten Buchs, das ab sofort im Handel und in den RNZ-Geschäftsstellen zu haben ist. Es ist "des Beschte vum Tschief".

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Es sind seine Figuren, die das Besondere an Töpels Krimis ausmachen: Charakterköpfe mit Stärken und Schwächen. Na ja, mit eindeutig mehr Schwächen als Stärken, aber mit viel Charakter. Typen halt. Da ist der unkonventionelle Tschief Günda, der nur eine Sprache beherrscht, das Kurpfälzische, wogegen sein Assistent Fritjof Freese nur des Hochdeutschen mächtig ist.

Er ist nicht "vun do", und das bringt heftige Kommunikationsprobleme mit sich. Denn alle um ihn herum pflegen ihre Mundart. Arnim Töpels Muster, der skurille Konflikt zwischen dem Norddeutschen mit der eingeschränkten Sprachbegabung und den Menschen "vun do", erwies sich als so pfiffig, dass es schnell Nachahmer fand.

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Arnim Töpels Leistung liegt nicht darin, dass er die Dialoge zwischen dem ungleichen Ermittlerduo und den Verdächtigen, Zeugen und Zeitgenossen eins zu eins ins Kurpfälzische übersetzen würde. Das wäre womöglich langweilig. Es sind die Situationen, Redensarten und Rituale, die das Leben hier ausmachen. Oder ausgemacht haben, denn manches ist in den letzten Jahrzehnten aus der Alltagssprache abhanden gekommen. Solche Situationen zum Beispiel: Drei Rentner sitzen auf dem Marktplatz "uffm Bengl. Bissl rädsche, bissl bruddle, bissl sinniere." Zumeist bewegungslos, nur der ausgefranste "Stumbe" wandert gelegentlich von Mundwinkel zu Mundwinkel. Begrüßungsdialoge fallen spärlich aus: "Unn? Wie?" Antwort: "Frog misch net". "Un sunscht?" "Selwa?" Mehr Kommunikation muss nicht sein, damit ist alles gebabbelt. Dann stößt Frietjof Freese dazu, der die Herren nach dem alten Bahnhof fragt. "De Boohouf, de alde...", sagt der eine. "Ach Gottl, des is lang hea...", ergänzt der Zweite und der Dritte teilt ihm mit: "Do kennt isch Gschischtlin vazehle." Zwei Stunden später kennt Freese viele "Gschischtlin", aber weiß immer noch nicht, wo der alte Bahnhof liegt. Viele Elemente der Kurpfälzer Sprache sind unweigerlich vom Aussterben bedroht. Wer schimpft heute einen anderen noch "Hannebambl", "der Sseggl" oder "die Orschl"? Es sind Schimpfwörter, die trotz aller Deutlichkeit ein einträgliches Miteinander möglich machen. Ein "Sseggl" kann sogar wohlwollend gemeint sein, wogegen eine Wertung kaum mehr Sympathie zulässt: "Des issn kloorer Kärll!" Mit Ausrufezeichen. Mehr kann man in der Kurpfalz nicht werden.

Manches hört man gelegentlich noch: "Bleddlä" steht für Fliesen legen, "bogglhartt" für besonders hart. Aus Verena wird schon mal "Feräänaa", apropos: Die hat "en Bobbes: Aldale!" Wer sich aus dem Staub machen will, der will sich bekanntlich "fabrunze". Es wäre schade, wenn das Wort verlustig ginge. Ein gut einsetzbares Relativpronomen wird auch "dea, wu" bleiben. Beispiel: "Alle, die wu misch kenne..." Auch "Schweeß" für "Ich weiß" ist fast unersetzbar, kurz und verständlich. Die Zunge muss sich weit weniger anstrengen als für die hochdeutsche Variante. Aber solche Sätze dürften bald auf der roten Liste der aussterbenden Arten stehen: "Isch kann’s schia nimmi hewe." Oder "Heb misch mol hinnerum" oder "simma widda guud?" oder "Auf, mia gähne!" Da ist es gut, wenn Arnim Töpel unsere Mundart in unterhaltsamer Krimi-Form archiviert und konserviert.

Info: Arnim Töpels Buch "Gündales in Glickerbach" ist in allen RNZ-Geschäftsstellen erhältlich.

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