Warum die Bahn zu lahm ist und Autos im Stau stehen
Heidelberg arbeitet am neuen Verkehrsentwicklungsplan - Bei der Auftaktveranstaltung fand der Gutachter zahlreiche Schwachstellen

Die Bergheimer Straße ist eine der Straßen in der Stadt, auf der die Straßenbahn zügig vorankommt, weil es einen eigenen Gleiskörper gibt. Der Gutachter für den Verkehrsentwicklungsplan meint aber: Diese Trennung zwischen Autos und Straßenbahnen gibt es viel zu selten. Foto: Rothe
Von Timo Teufert
Heidelberg. Eine Situationsanalyse der Verkehrssituation in Heidelberg ist die Grundlage für die Arbeiten am neuen Verkehrsentwicklungsplan, die vor Kurzem begonnen haben. Bei einer Informationsveranstaltung im Neuenheimer Feld informierte Dirk Ohm vom Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen und -systeme (IVAS) die Interessierten über seine Analyse des Heidelberger Verkehrs und die Probleme, die er im Mobilitätsbereich sieht.
> Zugelassene Fahrzeuge: "Heidelberg ist im regionalen und deutschlandweiten Vergleich die Stadt mit der geringsten PKW-Motorisierung", so Ohm. Während hier 311 Autos pro 1000 Einwohner zugelassen sind, sind es in Mannheim 400 und in Ludwigshafen 419. "Trotzdem gibt es mehr Fahrzeuge, als noch vor 10 Jahren." Denn parallel zur Bevölkerungsentwicklung sei auch die private Motorisierung angestiegen: Von 54.179 Autos im Jahr 2008 auf 59.986.( 2018).
> Wahl des Verkehrsmittels: Innerhalb der Stadt setzen die Heidelberger zu 38 Prozent auf die eigenen Beine, zu 26 Prozent auf das Fahrrad, zu 14 Prozent auf Bus und Bahn und zu 22 Prozent auf das Auto. "Innerhalb der Stadt gibt es bei der Wahl des Verkehrsmittels aber Unterschiede", weiß Ohm. So wählen 40 Prozent in den Bergstadtteilen das Auto, aber nur sieben Prozent das Fahrrad. In der Innenstadt setzen dagegen 32 Prozent auf das Fahrrad und nur 16 Prozent auf das Auto.
Im Vergleich zu anderen Städten steht Heidelberg aber gut da: "Heidelberg hat den höchsten Anteil im Umweltverbund, damit ist ein guter Stand erreicht", so Ohm. 71 Prozent setzen auf Fußwege, das Rad oder Bus und Bahn. In Ludwigshafen entscheiden sich dagegen nur 53 Prozent für den Umweltverbund, in Mannheim sind es 61 Prozent.
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> Ein- und Auspendler: Die Zahl der Pendler hat in den letzten zehn Jahren zugenommen: Bei den Einpendlern zwischen 2008 und 2018 um 19,8 Prozent, bei den Auspendlern um 47,7 Prozent. Je nachdem, woher die Pendler kommen, setzen sie auch auf unterschiedliche Verkehrsmittel: Mit 87 Prozent ist der Anteil der Pendler aus Wiesloch, die mit dem Auto nach Heidelberg fahren, im Vergleich am größten. Dagegen kommen aus Dossenheim und Eppelheim nur 40 Prozent der Pendler mit dem Auto. Beim Nahverkehr sind es in Wiesloch fünf Prozent, in Eppelheim 18 Prozent und in Dossenheim 32 Prozent.
> Infrastruktur: Ohm bemängelt bei der Straßenbahn eine fehlende Wendestelle in zentraler Lage mit ausreichender Kapazität, zu viele eingleisige Abschnitte und zu wenige straßenunabhängige Bahnkörper. "Der Auto- und der Straßenverkehr überlagern sich, deshalb kann die Straßenbahn ihre Schnelligkeit nicht ausfahren." Beim Bus fehlen Wendestellen (zum Beispiel im Pfaffengrund), die Linien haben teilweise schwierige Linienführungen durch Wohngebiete und es fehlen echte Verknüpfungspunkte an den S-Bahnhöfen.
Ohm hat auch die Defizite im Straßennetz benannt: So komme es an zahlreichen Kreuzungen zu Unfallhäufungen, starken Einschränkungen im Verkehrsfluss zum Beispiel im Neuenheimer Feld und die Leistungsfähigkeit potenziell entlastender Tangenten - hier führt er die B535 und die B3 an - sei erschöpft. "Ich habe gestaunt, dass der Verkehr hier überhaupt noch bewältigt wird", sagt Ohm. Er hat zudem Barrieren zwischen Kirchheim und Rohrbach festgestellt.
> Parken: Was das Parken anbelangt, stellt Ohm fest, dass es ein dichtes Netz an öffentlichen Parkhäusern mit etwa 6200 Stellplätzen gibt. "An normalen Tagen finden Sie hier immer einen Parkplatz", so seine Beobachtung. Auf den Straßen vor allem in der Altstadt gibt es allerdings zu geringe Parkplatzreserven für Gäste und Kunden.
> Radverkehr: Das ganze Jahr über fahren die Heidelberger viel Fahrrad. Der Radverkehr hat in den letzten Jahren zugenommen und liegt im Bundesvergleich auf einem hohen Niveau - ein Anteil von 22 Prozent am Gesamtverkehr. Zwar gibt es ein dichtes Fahrradwege-Netz, doch Ohm benennt zahlreiche Problemstellen. "In der Rohrbacher Straße sieht der Radweg zwar aus wie ein Radweg, ist aber keiner." Außerdem gibt es zahlreiche Lücken im Wegenetz, so zum Beispiel am Neckarstaden, in der Hebelstraße oder in der Friedrich-Ebert-Anlage. Außerdem sind die Fahrradabstellplätze häufig ausgelastet. "Das geht an Schnittstellen wie Bahnhöfen zulasten der Fußgänger."
Hintergrund
> Der Verkehrsentwicklungsplan legt die Ziele und Strategien für Projekte im Bereich Mobilität und Verkehr fest. Er bildet den strategischen Rahmen für die Heidelberger Verkehrsplanung bis 2035 und betrachtet alle Aspekte der Mobilität, also sowohl die
> Der Verkehrsentwicklungsplan legt die Ziele und Strategien für Projekte im Bereich Mobilität und Verkehr fest. Er bildet den strategischen Rahmen für die Heidelberger Verkehrsplanung bis 2035 und betrachtet alle Aspekte der Mobilität, also sowohl die verschiedenen Verkehrsmittel als auch den Grund für die Fortbewegung.
Bei der Auftaktveranstaltung wurden jetzt die Bürger über die Pläne und die Situationsanalyse informiert. Außerdem gibt es einen Arbeitskreis, der mit 73 Personen besetzt ist und als zentrales, nicht öffentliches Gremium die Erstellung des Verkehrsentwicklungsplans begleitet.
Im Verlauf der Erstellung des neuen Plans soll es Lokal-Konferenzen geben, zu denen die Einwohner der jeweiligen Stadtteile sowie alle Interessierten eingeladen sind.
Außerdem gibt es eine Pendler-Konferenz für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bei der öffentlichen Konferenz können Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Sicht einbringen. Schließlich haben sie einen wesentlichen Anteil am Verkehrsaufkommen in der Stadt. Bei einer Abschlussveranstaltung werden das Ergebnis und das weitere Vorgehen vorgestellt. tt