Saubere Luft

Stuttgarts OB sieht Stadt auf gutem Weg

Weniger Alt-Diesel, bessere Luft - Ausweitung der Fahrverbote droht dennoch

04.10.2019 UPDATE: 05.10.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 50 Sekunden

Im Frühjahr 2020 will die Landesregierung entscheiden, ob es auch für Euro-5-Diesel zonale Fahrverbote geben muss. Foto: Schmidt

Von Bettina Grachtrup

Stuttgart. Für Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) ist noch offen, ob es in Stuttgart im kommenden Jahr großflächige Fahrverbote für Diesel der Euronorm 5 geben wird. Es hänge von einer Handvoll Faktoren ab, ob man auf zonale Fahrverbote verzichten könne, sagte Kuhn. "Wenn die Sommer sehr heiß sind, ist die Stickoxidbildung größer. Viel Wind und viel Regen sind hingegen gut gegen Stickoxide in der Luft."

Ein Faktor sei auch, wie die Maßnahmen zur Luftreinhaltung tatsächlich wirkten - etwa die Luftfiltersäulen. "Und es ist die Frage, wie schnell die Leute ihre Euro-5-Diesel ersetzen, wie schnell sich Elektromobilität in der Stadt entwickelt und wie viele Leute auf öffentliche Busse und Bahnen umsteigen."

Allerdings hat das Stadtoberhaupt recht wenig Einfluss, wenn es um Fahrverbote geht. "Am Ende entscheidet die Landesregierung", so Kuhn.

In Stuttgart gelten seit dem Jahresbeginn bereits Fahrverbote für Diesel der Euronorm 4 und schlechter. Im nächsten Schritt wird es nach den Plänen der Landesregierung zum Jahresbeginn 2020 streckenbezogene Fahrverbote für Diesel der Euronorm 5 geben - sofern die Stickstoffdioxid-Grenzwerte bis dahin nicht eingehalten werden.

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> 28. März 2018: Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erklärt, dass er Fahrverbote in Stuttgart für unvermeidbar hält.

> 11. Juli 2018: Die Landesregierung beschließt Fahrverbote in Stuttgart ab dem 1. Januar 2019 für Diesel-Autos der Euro-Abgasnorm 4 und schlechter.

> 1. Januar 2019: Das Fahrverbot in Stuttgart tritt in Kraft.

> 1. April 2019: Die Fahrverbote für Diesel der Norm 4 und schlechter gelten jetzt auch für die Bewohner der Landeshauptstadt.

> 9. April 2019: Die Landesregierung hält flächendeckende Fahrverbote für Euro-5-Diesel erklärtermaßen nicht mehr für nötig und stützt sich auf neue Prognosen zur Luftqualität in Stuttgart.

> 19. Juli 2019: Die Landesregierung einigt sich darauf, dass es auf vier wichtigen Strecken in Stuttgart von 2020 an Fahrverbote für Euro-5-Diesel geben soll - wenn die Grenzwerte für den Schadstoff Stickstoffdioxid bis dahin nicht eingehalten werden.

> 8. September 2019: Es wird bekannt, dass die grün-schwarze Koalition auch großflächige Fahrverbote für Diesel der Euronorm 5 von Juli 2020 an nicht mehr ausschließt.

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Greifen die Maßnahmen zur Luftreinhaltung nicht so weit, dass die Grenzwerte eingehalten werden, will die Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bis Ende April nächsten Jahres über mögliche zonale Fahrverbote für Euro-5-Diesel entscheiden. Der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft.

Die Zahl alter Diesel-Autos in Stuttgart hat bereits deutlich abgenommen: Ende August waren 12.081 Diesel-Autos der Euronorm 4 und schlechter gemeldet. Zum Jahreswechsel waren es hingegen noch 21.285 Fahrzeuge. Der Anteil alter Diesel an allen gemeldeten Fahrzeugen in Stuttgart sank von 7,1 auf 3,9 Prozent. Insgesamt sind in der Stadt derzeit rund 305.871 Pkw gemeldet. Etwa jedes vierte Fahrzeug ist ein Diesel, wie das Statistische Amt der Stadt mitteilte. Von weiteren Fahrverbote - für Diesel der Euronorm 5 - wären 21.944 Fahrzeuge betroffen (ebenfalls Stand Ende August). Sie machen derzeit einen Anteil von 7,2 Prozent an allen Fahrzeugen aus.

"Die Luft in Stuttgart wird besser", sagte Kuhn. "An den Messstationen für Feinstaub haben wir im vergangenen Jahr erstmals alle Grenzwerte eingehalten." Beim Stickoxid sei man noch nicht ganz so weit. "Aber auch hier sind wir runtergekommen von Werten um die 80 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf derzeit 50 bis 56 Mikrogramm."

Kuhn bekräftigte, er sei kein Fan von Fahrverboten. "Sie sind allerdings das letzte Mittel, wenn nichts Anderes mehr geht." Effektiver sei es aber, Anreize zu schaffen, damit die Menschen auf öffentliche Busse und Bahnen umstiegen. "Es beteiligen sich zum Beispiel mittlerweile fast 700 Firmen in Stuttgart am vergünstigten Jobticket."

Bei der ganzen Diskussion um Fahrverbote gerät nach Kuhns Meinung die Verantwortung der Automobilindustrie aus dem Blick. Er nannte ein Beispiel: "Die Stadt Stuttgart hat vor zwei Jahren begonnen, die städtische Pkw-Flotte unserer Eigenbetriebe und Ämter auf vollelektrische Autos umzustellen." Jedes Jahr würden mehr als 40 Fahrzeuge umgestellt. Aber: "Ich kriege auf die Ausschreibungen keine Angebote deutscher Automobilhersteller." Stuttgart kaufe die Dienstwagen deshalb im Moment in Frankreich. "Das ist ein Transformationsversagen unserer gesamten Automobilindustrie."

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