Darum darf neu gewählte Gemeinderätin ihr Amt nicht niederlegen
Simone Ehrhardt (Die Linke) möchte ihr Mandat aus beruflichen Gründen aufgeben - Das alte Gremium lässt sie aber nicht

Von Harald Berlinghof
Schwetzingen. Oberbürgermeister René Pöltl stand mit seiner Meinung in der jüngsten Sitzung des Schwetzinger Gemeinderats auf verlorenem Posten. Allein er hob die Hand, als es darum ging, der neu gewählten Gemeinderätin Simone Ehrhardt (Die Linke) zu gestatten, ihr Ehrenamt aus beruflichen Gründen nicht anzutreten. Der komplette Gemeinderat war dagegen, Ehrhardt aus ihren Verpflichtungen zu entlassen.
Das klingt zunächst ein wenig verwirrend. Aber die Sache wird klarer, wenn man weiß: In Paragraf 15 der Gemeindeordnung ist die Verpflichtung zur Annahme der Tätigkeit im Gemeinderat festgeschrieben. Diese Tätigkeit kann man nur ablehnen, wenn "wichtige Gründe" vorliegen. Laut Paragraf 16 hat der Gemeinderat darüber zu entscheiden, ob die vorgebrachten Gründe als "wichtig" einzustufen sind.
Im Fall der gewählten Gemeinderätin Simone Ehrhardt sah man das mehrheitlich nicht so - trotz vier Enthaltungen und der gegensätzlichen Meinung von Pöltl. In absoluter Übereinstimmung kamen CDU, SPD und Schwetzinger Freie Wähler (SFW) zu der Auffassung, dass ein solches Vorgehen der Demokratie schade.
Wer sich aufstellen lasse, müsse auch damit rechnen, gewählt zu werden. CDU-Stadträtin Rita Erny nahm kein Blatt vor den Mund: "Eine solche Ablehnung des Mandats fördert die Politikverdrossenheit", betonte sie. "So verkommen die Wahlen zu einer Farce. Das ist ein Betrug am Wähler und äußerst unfair."
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Auch Jürgen Grimm (SFW) meinte: "Kandidaten sollten nicht überrascht sein, wenn sie gewählt werden." Und Robin Pitsch trug für die SPD-Fraktion vor: "Das hat ein Gschmäckle. Kandidaturen müssen ernst gemeint sein. Solche Spielchen machen wir nicht mit." Marco Montalbano (Grüne) schlug in dieselbe Kerbe, kündigte aber trotzdem die Enthaltung seiner Fraktion an.
Der Oberbürgermeister hatte zuvor erläutert, dass er sich mit Simone Ehrhardt unterhalten habe. Diese habe ihm ihre Gründe noch einmal ausführlich erläutert. "Das war sehr, sehr glaubhaft", betonte Pöltl. Er habe auch Kontakt zum Regierungspräsidium Karlsruhe aufgenommen und von dort signalisiert bekommen, dass man den Argumenten der Linken eher zugeneigt sei und die Angelegenheit nicht so streng beurteile.
"Für mich ist entscheidend, dass die berufliche Mehrbelastung von Frau Ehrhardt erst nach ihrer Aufnahme in die Wahlliste entstand", so Pöltl. "Deshalb empfehle ich ihnen, der Ablehnung von Frau Ehrhardt auf eigenen Wunsch zuzustimmen." Simone Ehrhardt war auf Listenplatz Neun der Partei "Die Linke" mit 970 Stimmen überraschend in den Gemeinderat gewählt worden. Als Pflegefachkraft sei sie beruflich stark in Anspruch genommen. Mit ihrer Kandidatur wollte sie Solidarität mit der Partei demonstrieren.
Den Platz Nummer neun auf der Liste habe sie mit Bedacht gewählt. Nach der Platzierung habe sich ihre berufliche Situation mit einer zusätzlichen Vertretung noch einmal verschärft. Diese zwinge sie dazu, längere Zeit in Nordrhein-Westfalen zu arbeiten. Das würde dazu führen, dass sie an den Gemeinderatssitzungen oft nicht teilnehmen könne.
Der Gemeinderat erkannte diese Gründe jedoch nicht an. Oberbürgermeister René Pöltl kündigte in der Sitzung - die dann doch nicht die letzte des alten Gemeinderats war - an, dass er aus juristischen Gründen dieser Entscheidung des Rats widersprechen müsse. Seiner Meinung nach könnte der Beschluss rechtswidrig sein. Deshalb muss der Gemeinderat nun noch einmal zusammenkommen und erneut über die Sachlage entscheiden.
Als Termin für diese "allerletzte" Sitzung des alten Gremiums ist der 24. Juni veranschlagt. "Kommt der Rat dann zu keinem anderen Ergebnis, müssen wir den Sachverhalt dem Regierungspräsidium Karlsruhe zur Entscheidung vorlegen", gab der Oberbürgermeister zu Bedenken. Es gäbe allerdings auch noch eine andere Lösung: In diesem Fall würde Simone Ehrhardt ihre Tätigkeit als Gemeinderätin aufnehmen und sich dann von Fall zu Fall entschuldigen, wenn sie während einer Sitzung nicht in Schwetzingen ist.



