Das waren die "Bauhausmädels"
Frauen erwünscht, aber nicht zu viele - Sie hatten es in einer Männerwelt oft schwer

Zum Bauhaus-Jubiläum zeigt das Angermuseum Erfurt die Sonderausstellung "Bauhausmädels". An den Lebenswegen von (v.l.) Gertrud Arndt, Margarete Heymann-Loebenstein, Marianne Brandt und Margaretha Reichardt wird deutlich, wie schwer es Frauen am Bauhaus hatten. Die Werke dieser Künstlerinnen repräsentieren gleichzeitig die Zweige Fotografie, Metall, Keramik und Textil. Bilder: Angermuseum/Repro: RNZ
Von Ingeborg Salomon
Berlin. Bilder sagen oft mehr als Worte. Als sich 1926 die Bauhausmeister auf dem Dach des Bauhauses versammelten, stellten sich zwölf Männer in Imponierhaltung sowie eine Frau in der gleichen Pose dem Fotografen. Wie sich Gunta Stölzl, Meisterin im Fachbereich Weberei, dabei gefühlt hat, wissen wir nicht. Wir können aber vermuten, dass sie eine ziemliche Wut im Bauch hatte, denn dieses Foto ist die Bankrotterklärung der vollmundigen These, die Walter Gropius 1919 bei der Gründung des Bauhauses in Weimar ausgegeben hatte: "Keine Unterschiede zwischen dem schönen und starken Geschlecht."
Kein Wunder, dass diese Ankündigung großen Anklang fand: Im ersten Sommersemester besuchten 84 weibliche und 79 männliche Studierende die Lehrgänge in Weimar. Obwohl die Damen mit 180 Mark 30 Mark mehr Studiengebühr bezahlten als ihre männlichen Kollegen, waren sie leicht in der Mehrheit. Das war dem Bauhaus-Gründer Gropius denn doch zu viel. Er verlangte umgehend "eine scharfe Aussonderung gleich nach der Aufnahme, vor allem bei dem der Zahl nach stark vertretenen weiblichen Geschlecht". So geschah es: 462 Frauen studierten insgesamt von 1919 bis 1933 an den drei Standorten des Bauhauses Weimar, Dessau und Berlin - und ihre Zahl sank kontinuierlich.
Hintergrund
Die Ausstellung "Bauhausmädels" wird vom 23. März bis 16. Juni im Angermuseum Erfurt gezeigt.
Ausstellung
Die Ausstellung "Bauhausmädels" wird vom 23. März bis 16. Juni im Angermuseum Erfurt gezeigt.
Ausstellung "Bauhaus Frauen - Lehrerinnen und Absolventinnen der Bauhaus Universität Weimar", die vom 18. April bis 14. Juli in der Kunsthalle Erfurt zu sehen sein wird.
Das Haus von Margaretha Reichardt mit ihrer Werkstatt und mit Original-Webstühlen kann nach Anmeldung besichtigt werden, Telefon 0361/6640-120 oder E-Mail: citytour@erfurt-tourismus.de
"Bauhaus Frauen" heißt Ulrike Müllers 2014 bei Suhrkamp erschienenes Standardwerk zum Thema, das 90 Biografien enthält. Im März kommt eine überarbeitete Neuauflage des Sammelbandes bei Suhrkamp auf den Markt.
Wer waren diese "Bauhausmädels"? Der verniedlichende Begriff zeigt schon deutlich, wie das "starke" zum "schönen Geschlecht" stand. Böse gemeint war das wohl nicht. Elisabeth Otto, Co-Kuratorin der Ausstellung "Bauhausmädels" in Erfurt, verweist auf einen Text, der 1930 in der Zeitschrift "Die Woche" erschienen ist. Dort wird der "Typus des Bauhaus-Mädels als ehrgeiziges und kreatives Vorbild für junge Frauen" gepriesen. Seltsam nur, dass viele der so Gelobten kurze Haare trugen und sich ausgesprochen männlich kleideten.
Genutzt hat es wenig, denn die meisten landeten in der Domäne, die der männliche Meisterrat - trotz des Kraftaufwandes - für geeignet hielt, nämlich in der Webereiwerkstatt, die denn auch bald die "Frauenklasse" hieß. Das musste nicht verkehrt sein, wenn die Textilkunst Talent und Fähigkeit entsprach wie etwa bei Gunta Stölzl. Sie übernahm 1927 als Meisterin die Leitung der Webereiklasse. Dass sie finanziell schlechter gestellt war als die männlichen Meister, dass sie keine Pensionsansprüche hatte, und die Einzige war, die Arbeit und Familie verbinden musste, nahm sie hin. Aber in zwei Briefen ist ihre Enttäuschung darüber dokumentiert.
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Trotz dieser Missachtung durch die Bauhaus-Meister wurde die Weberei unter Gunta Stölzl schnell zu einer der produktivsten Werkstätten und auch finanziell ein Erfolg. Den konnten die Herren denn doch gut brauchen. Genießen durfte die mit einem Juden liierte Meisterin ihren Erfolg nicht: 1931 kündigte Gunta Stölzl ihren Vertrag beim Bauhaus und emigrierte in die Schweiz.
Eine der talentiertesten Frauen am Bauhaus war Margaretha Reichardt. Sie bewarb sich 1925 in Weimar und begann ihr Studium 1926 in Dessau. Neben Gunta Stölzl war sie eine der erfolgreichsten Textilgestalterinnen und maßgeblich an der Entwicklung von Gurten aus Eisengarn beteiligt. Ohne diese formstabile und strapazierfähige Bespannung hätten es Marcel Breuers berühmte Stahlrohrmöbel, etwa den Faltsessel D4 und den Stahlrohrsessel B3, nicht gegeben.
Margaretha Reichardt hielt durch, legte 1929 die Gesellenprüfung und zwei Jahre später das Diplom am Bauhaus ab. 1933 ging sie in ihre Heimatstadt Erfurt zurück und baute ihre eigene Handweberei auf, nahm an vielen Ausstellungen teil und erhielt zahlreiche Preise. Bis zu ihrem Tod 1984 bildete Margaretha Reichardt über 50 Schülerinnen aus. Eine davon, Christine Leister, die im Alter von 16 Jahren bei Reichardt ihre Lehre begann, führt Gäste heute durch Haus und Werkstatt.
Mit der Wertschätzung der Bauhaus-Männer war es nicht weit her. Von Oskar Schlemmer, Meister der Wandmalerei, stammt das Zitat: "Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt und sei’s zum Zeitvertreib." Und Gerhard Marx, Meister der Töpferei, sprach sich ganz klar dafür aus, "möglichst keine Frauen in die Töpferei aufzunehmen, beides ihret- und der Werkstatt wegen".
Glücklicherweise gab es Ausnahmetalente, die sich durchsetzten, wie Margarete Heymann. Die Kölnerin absolvierte den obligatorischen Vorkurs bei Johannes Itten und durfte dann - probeweise! - die Keramikklasse von Gerhard Marx besuchen. Ihre schlichte und zugleich avantgardistische Gebrauchskeramik machte sie schnell bekannt. Dieser Erfolg rief wohl männliche Neider auf den Plan, nach Auseinandersetzungen mit Marx und Gropius verließ Margarete Heymann Weimar bereits im Herbst 1921.
Zwei Jahre später gründete sie mit ihrem ersten Ehemann Gustav Loebenstein im brandenburgischen Marwitz die Haël-Werkstätten für Künstlerische Keramik. 1933 mussten sie schließen, Heymann-Loebenstein, die jüdischer Abstammung war, emigrierte nach England.
Wer als Frau einen Platz in einer der Männer-Werkstätten erobern wollte, brauchte außergewöhnliches Talent - und Durchsetzungskraft. Marianne Brandt, die sich auf Fotos gerne mit Pfeife inszenierte, hatte beides. Sie kam 1924 ans Bauhaus, arbeitete in der Metallwerkstatt und schuf einige Design-Ikonen, etwa das Tee-Extrakännchen MT49.
Auch Gertrud Hantschk versuchte sich in einer Männerdomäne - und scheiterte. Sie wollte Architektin werden, kam im Wintersemester 1923 in den Vorkurs am Bauhaus und hatte Unterricht etwa bei Paul Klee. Danach war aber Schluss mit Architektur, Hantschk bekam einen Ausbildungsplatz - in der Weberei. Dort schloss sie brav ihre Ausbildung ab und heiratete 1927 den Bauhausabsolventen Alfred Arndt.
Mit ihm zog sie nach Probstzella, wo der Gatte als Architekt am Bau des "Hauses des Volkes" mitwirkte, während sie sich - ganz klassisch - um die Familie kümmerte. Zwei Jahre später wurde Arndt als Meister ans Bauhaus in Dessau zurückberufen. Dass Gertrud Arndt mehr war als die Frau an seiner Seite, beweisen ihre zahlreichen Fotografien, die sie zwischen 1926 und 1932 im heimischen Badezimmer entwickelt und vergrößert hatte.



















