Bürger wollen beim Bahnlärm mitreden
Palais Hirsch war beim ersten Bürger-Symposium zum Thema proppenvoll - Initiativen in Südbaden haben schon viel erreicht

Ein Güterzug rattert durch den Schwetzinger Bahnhof. Bis 2022 soll sich die Zahl der Güterzüge im Schienen-Korridor Rotterdam-Genua verdoppeln.
Von Harald Berlinghof
Schwetzingen. "Lärm ist die Achillesferse der Bahn", soll Rüdiger Grube einmal gesagt haben. Auch wenn einem auf Anhieb noch ein paar weitere fragwürdige Bonmots des Ex-Bahnchefs einfallen, so wird dieser eine Satz gerne von Bürgerinitiativen zitiert. So auch jetzt von Herbert Brenner beim Ersten Schwetzinger Bürgersymposium zum Thema Bahnlärm. Er ist Vorsitzender der neuen Schwetzinger Bürgerinitiative gegen Bahnlärm (BgB), die nach Aussage ihres Sprechers "auf 100 Mitglieder zumarschiert".
Auch Bürgermeister Matthias Steffan zeigte im proppenvollen Versammlungsraum des Palais Hirsch Präsenz. Dann gab Herbert Brenner eine Einführung in die Thematik, die man mit Bürgern und Experten diskutieren wollte. Stefan Hildebrandt vom Rhein-Neckar-Kreis war gekommen, ebenso Roland Diehl von der südbadischen Interessengemeinschaft Bahnprotest an Ober- und Hochrhein (IG "Bohr") und Stefan Geweke von der DB Netz AG.
Brenner verdeutlichte, dass die Bahn zwar eine Verringerung der Lärmemissionen beim Güterverkehr um knapp zehn Dezibel verspreche, aber bis 2022 auch eine Verdopplung der Zugzahlen im Korridor Rotterdam-Genua plane. Als Flaschenhals an dieser Strecke liegt der Rhein-Neckar-Raum mit dem Verkehrsknoten Mannheim und der südlich davon abgehenden Strecke über Schwetzingen, Oftersheim, Hockenheim und Neulußheim bis Graben-Neudorf. Und an der Belastung der Bestandsstrecken ab Schwetzingen wird auch der jetzt bekannt gewordene Plan eines Überführungsbauwerks im Bereich zwischen Hirschacker und Decathlon nichts ändern, denn alle Züge müssen über den Schwetzinger Bahnhof geführt werden. "Na dann gute Nacht Marie", zeigte ein Anwohner eine emotionale Reaktion.

Behördenvertreter, Aktive von Bürgerinitiativen und ein Vertreter der DB Netz AG debattierten im Palais Hirsch. Fotos: Lenhardt
Die letzte Lärmsanierung habe in Schwetzingen 2005 stattgefunden. An diesem Punkt mussten die Besucher lachen. Denn: Bei der Entwicklung der Zugzahlen sei das nicht genug, so Brenner. Die Umstellung der Güterwaggons auf "Flüsterbremsen" und das gelegentliche Abschleifen der Schienen bringe zwar etwas, aber nicht genug.
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"Wir alle wollen eine leistungsfähige Bahn, aber nicht auf Kosten der Anwohner", so Roland Diehl, Sprecher der IG "Bohr". Er hatte als Mutmacher seine Region in Südbaden vorgestellt, die erfolgreich einen Tunnel bei Offenburg und eine Umfahrung der Wohngebiete durch eine neue Schienentrasse entlang der A5 erreicht hatte. Weiter südlich hat man es geschafft, dass alle Güterzüge durch den Katzenbergtunnel fahren. Außerdem sitzt die IG "Bohr" in einem Projektbeirat mit allen wesentlichen Handlungsträgern an einem Tisch, wenn es um Trassenführungen geht.
So weit ist man hier noch nicht. Doch der Druck auf die Bahn, einen solchen Projektbeirat einzurichten, wächst. Erst vor wenigen Tagen hatte Mannheims OB Peter Kurz diese Forderung als Vorsitzender des Regionalforums Schienkorridor Rhein-Neckar formuliert. Diehl rechnete den Schwetzinger Bürgern im Palais Hirsch vor, welche Auswirkungen die gegenwärtigen Dezibelzahlen mit Maximalpegeln um 90 Dezibel haben. Die Bahn rechne mit Mittelwerten und Beurteilungspegeln die Situation schön. Den "Schienenbonus" von fünf Dezibel, den die Bahn stets vom realen Lärmwert abziehen durfte, habe man 2015 "in den Orkus der Geschichte verbannen können", so Diehl. Dabei gehe es nicht nur um Lärm, betont er. Es geht auch um Vibrationen, Erschütterungen und Risiken, die mit Gefahrgut in den Waggons zusammenhängen.
Der Vertreter der Bahn, Stefan Geweke, ging kaum auf seinen Vorredner ein, sondern verlegte sich darauf, die Planungen und den Planungsablauf sowie die Bürgerbeteiligung im Rahmen von Aus- und Neubauplanungen an Schienenwegen darzulegen. Und er machte noch eines deutlich: Es geht auch um Geld. Die Bahn sei verpflichtet, Steuermittel wirtschaftlich einzusetzen. Erst auf konkrete Nachfrage ging er auf die Planungen im Rhein-Neckar-Raum ein. Vorgesehen seien ein viertes Gleis zwischen Heidelberg-Wieblingen und Heidelberg-Hauptbahnhof, ein drittes Gleis in Richtung Oftersheim und ein Überführungsbauwerk im Norden von Schwetzingen. Es seien noch keine konkreten Trassenverläufe geplant. Auch nicht die vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen. Die werde man erst nach einer Bürgerbeteiligung festlegen.
Im Obergeschoss des Palais Hirsch hatte das Helmholtz-Institut ein Akustik-Labor aufgebaut, wo man sich zeigen lassen konnte, wie laut ein Güterzug ist, wie laut er mit "Flüsterbremsen" ist oder wie laut ein Zug hinter einer zwei, drei oder gar sechs Meter hohen Lärmschutzwand fährt.



