Patrick-Henry-Village Heidelberg

"Wir verschleppen den Wohnungsbau auf Jahre"

Wohin mit dem Ankunftszentrum für Flüchtlinge? - Für IBA-Chef Michael Braum wäre der Verbleib in Patrick Henry Village ein großer Fehler

22.01.2019 UPDATE: 23.01.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 5 Sekunden

IBA-Chef Michael Braum. Foto: Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Der Stadtentwicklungsausschuss berät am heutigen Mittwochabend hinter verschlossenen Türen, ob das Ankunftszentrum für Flüchtlinge auf das Gewann Wolfsgärten in Wieblingen verlegt werden soll - oder ob ein Verbleib in Patrick Henry Village (PHV) geprüft wird. Geht es nach Michael Braum, Direktor der Internationalen Bauausstellung (IBA), wird es möglichst bald verlegt. Im RNZ-Interview erklärt er, warum er ein "leeres PHV" braucht.

Prof. Braum, mit der IBA wollen Sie aus PHV einen integrativen Stadtteil machen. Ist da ein Ankunftszentrum nicht eine spannende Herausforderung?

Nein! Wenn es nur um die städtebauliche Integration des Zentrums ginge, das wäre eine Herausforderung. Aber was wir mit PHV machen wollen, ist ein Stadtteil, in dem gemeinsames Wohnen, Arbeiten und Leben stattfindet. Das ist mit einer abgeschlossenen Einrichtung nicht vereinbar - und das Ankunftszentrum wird nun mal eingezäunt bleiben.

Derzeit nimmt das Ankunftszentrum 28 Hektar in Anspruch. Nach einem Umzug - ob innerhalb von Patrick Henry Village oder auf die Wolfsgärten - gäbe es zwischen den Gebäuden nicht mehr so viel Freifläche wie jetzt. Foto: Philipp Rothe

Frau Duchrow vom Flüchtlingsrat sagt, es gehe um eine Güterabwägung: menschenwürdige Unterbringung gegen architektonische Vorstellungen.

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Ich sehe diese Abwägung nicht. Menschenwürdige Unterbringung ist für ein Ankunftszentrum ein absolutes Muss - egal wo. Wir müssen diese Menschen als Gäste behandeln, das heißt, ihnen ein gewisses Gefühl von Komfort geben.

Und könnte man das in PHV nicht besser als auf den Wolfsgärten?

Im Gegenteil: Menschwürdig bedeutet doch auch, dass die Geflüchteten nicht abgeschieden zwischen Äckern leben - das wäre bei PHV der Fall. Da fließt noch viel Wasser den Neckar runter, bevor dort jemand wohnt und arbeitet. Deshalb wäre ein Standort in der Nähe vorhandener Stadtquartiere viel besser - wie beispielsweise die Wolfsgärten. Wenn ich das Zentrum in PHV errichte, könnte ich es genauso gut auf den Königsstuhl bringen - oder sonst irgendwo in die Abgeschiedenheit.

Aber was würde sich besser zur Integration eignen als ein integrativer Stadtteil?

In was soll dort in den nächsten Jahren integriert werden? Um etwas zu integrieren, brauche ich erst mal einen lebendigen Standort. Der Bau der Altstadt hat doch auch nicht mit dem Faulen Pelz begonnen. Für ein Modellquartier der Stadt von morgen brauchen wir Pioniernutzungen: erste Bewohner, die das Projekt für die Bevölkerung interessant machen. Ich glaube nicht, dass ein Ankunftszentrum das leistet. Es ist wichtig - aber es ist nichts, was andere anlockt.

Sie haben sich mit Zentrumsleiter Markus Rothfuß ausgetauscht. Prinzipiell könnte man die Einrichtung in PHV unterbringen, oder?

Das Zentrum funktioniert auf dem PHV. Es belegt unter den gegebenen Voraussetzungen eine Fläche von etwa 28 Hektar. Man könnte theoretisch aus den 97 Hektar acht rausschneiden. Dann gäbe es weniger Wohnungen und Arbeitsplätze. Oder wir erweitern das Gebiet auf Kosten der angrenzenden Äcker - und kriegen Ärger mit den Landwirten. Technisch ist vieles machbar. Das würde das Land sicher auch sagen, wenn es PHV als Standort geprüft hat. Aber für die Entwicklung des Stadtteils würde das massive Konsequenzen haben, und damit habe ich grundsätzliche Probleme.

Inwiefern?

Bis zum Umzug innerhalb von PHV müsste das Zentrum bleiben, wo es ist. Dann würden über Jahre sowohl knapp 30 Hektar des alten als auch acht Hektar für das neue Zentrum blockiert. Damit wären circa 40 Prozent von PHV für die Entwicklung lahmgelegt. Zudem liegt das gegenwärtige Zentrum an der Haupterschließungsachse. Wir könnten nur Randflächen entwickeln. Damit verschleppen wir den dringend benötigten Wohnungs- und Arbeitsplätzeausbau auf Jahre. Das würde dazu führen, dass wir uns Gedanken über Neubauten auf der grünen Wiese machen müssen, wenn wir nicht sagen: Heidelberg ist jetzt dicht. Die 160.000 Menschen, die dort leben, haben es auf die Insel der Seeligen geschafft, der Rest hat Pech. Aber wäre das nicht elitär?

Sie sind selbst Stadtplaner. Halten Sie das Gelände Wolfsgärten denn für geeignet für ein Ankunftszentrum?

Ich finde, dass es Voraussetzungen für ein Ankunftszentrum liefert und das ist vor allem - im Gegensatz zu PHV - die Nähe zu anderen Stadtteilen.

Aber können Sie sich dort auch eine angenehme Unterkunft vorstellen - direkt neben der Autobahn?

Es ist kein Standort ohne Probleme, das will ich nicht schönreden. Gerade der Lärm ist eine Rahmenbedingung, die man ernst nehmen muss. Aber ich frage mich, warum man immer nur von Mauern spricht. Warum macht man nicht einen passiven Lärmschutz am Gebäude? Ich habe im Studium gelernt, dass das die beste Möglichkeit ist, Bauten vor Lärm zu schützen.

Aber dann wäre es im Außenbereich deutlich lauter.

Das stimmt. Aber erstens wird dieses Zentrum ohnehin deutlich dichter bebaut als das aktuelle. Und zweitens sehe ich das Ankunftszentrum eher als eine Art Boarding House: Man ist dort zum Schlafen und für die Registrierung - aber nicht zwingend von morgens bis abends. Meinen wir die Willkommenskultur ernst, müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen ihre Freizeit in der Stadt verbringen können: auf Sportplätzen, auf Märkten, bei Veranstaltungen - im direkten Kontakt mit uns Heidelbergern.

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