Der Streit ums Pflegezentrum ging in die nächste Runde
Befürworter und Gegner eines neuen Pflegezentrums im Hockenheimer Südwesten fanden in der Stadthalle keinen gemeinsamen Nenner

Kein Stuhl mehr frei: Hunderte Menschen waren bei der Infoveranstaltung zum Neubau des Seniorenheims in der Stadthalle. Foto: Lenhardt
Von Harald Berlinghof
Hockenheim. "Geht’s hier eigentlich um Lärm, oder um einen Ort, wo wir in Hockenheim hilfsbedürftige Menschen unterbringen können?", warf eine Frau hoch emotional die Frage in den Raum der Stadthalle, wo die Bürger-Informationsveranstaltung zum Baugebiet "Biblis IV. Gewann" stattfand. Sie wollte mit der Aussage den Biblis-Gegnern klarmachen, dass doch bereits viele Menschen in dem Baugebiet wohnen. Und die stört der Verkehrslärm auch nicht.
Damit stieg sie direkt ein in den Streit um das Gebiet, der in Hockenheim ausgebrochen ist. Dort soll ein Pflegeheim gebaut werden. Die einen wollen den Bau verhindern. Der Lärm sei zu stark, außerdem sehen sie in der Randlage des Standorts ein Problem, wegen der schlechten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Für das Gelände spreche aber, so Stadtplaner Christian Engel, dass es kurzfristig zur Verfügung stehe, auch weil der Boden dem Bundesland gehört. Die dortige Lärmproblematik sei beherrschbar.
Ursprünglich war die Stadthalle für 100 Besucher bestuhlt, was bei Weitem nicht ausreichte und das große öffentliche Interesse an dem Bauvorhaben zeigt. Sogar die Empore mussten die Veranstalter zusätzlich öffnen. Am Ende waren über 250 Hockenheimer gekommen, um sich über die Pflegesituation in der Rennstadt und die Bebauung des Standorts durch die Inhaberin des Pflegezentrums Offenloch, Manuela Offenloch, zu informieren.
Die einen trugen orangerote Anstecker, auf denen ein stilisiertes Herz zu sehen war mit der Aufschrift: "Für Pflege im Biblis". Die anderen - das sind die Mitglieder der Bürgerinitiative Biblis (BiB) - wundern sich, weshalb gerade der Standort "Biblis IV. Gewann" direkt vor ihrer Haustür für das neue Altenpflegezentrum Offenloch ausgewählt wurde. "Man hätte rechtzeitig mit uns darüber reden müssen", betonte Christian Kramberg von der BiB. "Das ist keine Bürgerinitiative, sondern eine Anwohnerinitiative", schimpfte Manuela Offenloch, die Betreiberin des Altenpflegeheims in der Karlsruher Straße. Sie möchte im "Biblis IV. Gewann" 100 neue Pflegeplätze schaffen, um den notwendigen Platzbedarf ab dem 1. September 2019 erfüllen zu können.
Hintergrund
Hockenheim. (hab) Der Bedarf nach Altenpflegeplätzen steigt, auch in Hockenheim. In der Verwaltungsgemeinschaft "Horan" (Hockenheim, Reilingen, Neulußheim, Altlußheim) werden gegenwärtig 431 Pflegeplätze in der stationären Pflege benötigt. Vorhanden sind in mehreren Häusern
Hockenheim. (hab) Der Bedarf nach Altenpflegeplätzen steigt, auch in Hockenheim. In der Verwaltungsgemeinschaft "Horan" (Hockenheim, Reilingen, Neulußheim, Altlußheim) werden gegenwärtig 431 Pflegeplätze in der stationären Pflege benötigt. Vorhanden sind in mehreren Häusern von zwei Betreibern aktuell 353 Plätze, davon 234 in Hockenheim selbst. Das Sankt Elisabeth verfügt über einen Standort in der Karlsruher Straße. Die Familie Offenloch bietet Pflegeplätze im ehemaligen Krankenhaus, das als Heimaufsichtsbehörde fungiert, erklärte Katja Hahn vom Ordnungsamt im Heidelberger Landratsamt.
Beide Betreiber sind gezwungen, zusätzliche Zimmerkapazitäten aufzubauen, weil zum 1. September 2019 in der stationären Pflege in Baden-Württemberg nur noch Einzelzimmer erlaubt sind. Deshalb will Manuela Offenloch am Standort Biblis IV. Gewann zwei Gebäude mit 99 neuen Zimmern/Pflegeplätzen errichten.
Sankt Elisabeth wird neben dem bestehenden Gebäude ein zweites Gebäude bauen, dann das alte abreißen und dort ebenfalls ein neues Gebäude bauen. Während der Bauzeit müssen die Bewohner für eine Übergangsfrist in das ehemalige Krankenhaus, wo gegenwärtig die Offenloch-Patienten untergebracht sind. Die sollen in die neuen, jetzt heiß diskutierten Gebäude im Biblis IV. Gewann einziehen.
Spätestens bis zum 1. September muss die Bodenplatte der neuen Gebäude sowohl bei der Betreiberin Offenloch als auch der Betreiberin Sankt Elisabeth erstellt sein, damit der Gesetzgeber weitere Fristverlängerungen gewähren kann. Deshalb drängt die Zeit. Und deshalb hat man in Hockenheim auf die Möglichkeit zurückgegriffen, nach Paragraf 13 des Baugesetzbuches ein beschleunigtes Bebauungsplanverfahren in Gang zu setzen. Die sogenannte frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung begann am 13. Dezember und endet am 4. Januar. Die Vorentwurfspläne und sonstigen Unterlagen liegen im Rathaus zur Einsicht aus.
Einwendungen und Stellungnahmen können dort alle Hockenheimer schriftlich oder zur Niederschrift abgeben, die dann in das Planverfahren einfließen sollen, erklärte Gebhard Morscher, im Bauamt zuständig für Sondermaßnahmen, auf der Bürgerinformationsveranstaltung. "Die heutige Veranstaltung in einem sehr frühen Stadium des Verfahrens geht über das hinaus, was gesetzlich vorgeschrieben ist", betonte er.
Aber sie machte keinen Hehl daraus, dass auch ihr der Standort Reiterplatz am Hockenheimring gut gefallen hätte. "Wir haben ja schon gefeiert, als das mit dem Reiterplatz bekannt wurde", sagte sie. Das jetzige Mietverhältnis mit dem Rhein-Neckar-Kreis war schon gekündigt, als das Thema Lärm am Ring aufkochte. Der Standort soll zu laut sein für die hohen gesetzlichen Vorgaben bezüglich solcher Pflegeeinrichtungen.
Die Stadt hatte kein Lärmgutachten erstellt - was die BiB kritisiert. Stadtplaner Engel sagte, dass die Einschätzung eines Lärmgutachters vorliege. Ein am Reiterplatz zu errichtender Lärmschutz wäre wirtschaftlich nicht zu verantworten gewesen, führte er weiter aus.
Drei Standorte wären grundsätzlich geeignet gewesen. Der Standort Arndtstraße neben dem Aquadrom-Parkplatz schied wegen der hohen Nutzungsdichte in den Sommermonaten aus. Der Standort Reiterplatz am Ring war zu laut. Blieb noch der Standort "Biblis IV. Gewann" neben der Landesstraße 723 im Südwesten. Dort wurde eine vorläufige Lärm-Einschätzung vom Büro Genest erarbeitet, wie die Mitarbeiterin Dan Han ausführte. Doch lediglich anhand von Berechnungen. Messungen gab es keine.
Auch im Biblis seien die Lärmpegel demnach hoch, allerdings im Rahmen dessen, was erlaubt ist. Außerdem steht bereits eine Schallschutzwand. Auf dem Gelände sollen zwei Gebäudeteile entstehen mit zwei oder drei Vollgeschossen und einem zurückspringenden Staffelgeschoss. Der Abstand zur bestehenden Bebauung soll je nach Variante, die umgesetzt wird, 20 oder 25 Meter betragen.
Wolfgang Strey vom Planungsbüro WSW sah darin eine eher moderate Bebauung. Eine artenschutzrechtliche Bewertung habe keine schützenswerten Arten vorgefunden, auch bezüglich des Grundwassers und der Bodenzusammensetzung gebe es keine Bedenken. Bisher handelt es sich bei dem Areal um landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen, nicht um naturnahe schützenswerte Areale. Die BiB sieht darin dagegen ein Naherholungsgebiet mit üppiger Flora und Fauna - was wiederum zeigt, wie groß die Kluft zwischen Befürwortern und Gegnern ist.
Info: Die Dokumentation des Informationsabends ist auf der Internetseite der Stadtverwaltung Hockenheim unter www.hockenheim.de abrufbar. Die Dokumentation besteht aus dem Ablaufplan, den Präsentationen der Vorträge und dem Protokoll über den Abend, das voraussichtlich im Laufe nächster Woche ebenfalls eingestellt wird.