Vollsperrung der A6

Brachialer Brückenabriss im Flutlicht (Update)

Vollsperrung bei Heilbronn-Kirchhausen noch bis 20 Uhr am Sonntag

16.12.2018 UPDATE: 16.12.2018 13:51 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden
Wegen des Brückenabrisses war die A6 bei Heilbronn gesperrt. Foto: guz

Heilbronn. (guz) Die Betonbrocken rumpeln mit sattem Krachen auf die schützenden Holzbohlen, 30 Meter weiter klacken Tassen und schlottern die Knie. Trotz Eiseskälte ist die Stimmung bestens; dampfender Glühwein macht die Runde, es wird gescherzt, gefachsimpelt, fotografiert: Brückenabriss-Gucken hat Konjunktur, seit die Autobahn 6 zwischen Wiesloch/Rauenberg und Weinsberg sechsstreifig ausgebaut wird.

Samstag, 23.15 Uhr. Gerade rücken die Bagger mit Meißel und Greifer dem fünften Bauwerk auf der Strecke zu Leibe. Es wirkt gleichermaßen spielerisch wie brachial, wenn die Spezialwerkzeuge die Brücke bei Biberach Stück um Stück zerlegen. Ein Riesenbagger mit Meißelvorsatz tackert sich laut- und vibrationsstark durch die einstige Fahrbahndecke – während er, tonnenschwer, selbst noch darauf steht. Rechts und links von ihm beißen und reißen zwei Greifer, die aussehen wie Dinos aus Jurassic-Park und bis zu 800 Tonnen Druck auf ihre "Zähne" bekommen, die Seitenteile der mehr als 50 Jahre alten Konstruktion ab. "Warum bricht der Bagger da oben nicht ein?" fragt eine Zuschauerin in die Runde ihrer Begleiter. Schulterzucken. Staunen. Und Hände schnell aneinanderreiben.

Fast drei Dutzend Schaulustige tippeln in der Nacht auf Sonntag auf dem schmalen Fußgängersteg auf der Stelle, um sich warmzuhalten, währen Flutlicht das Spektakel vor ihnen erhellt. Allzulange müssen sie nicht warten: Gegen 1.30 Uhr kapituliert die Brücke vor der Kraft der Maschinen. Aber "nicht allzulange" ist bei minus zwei Grad eben doch lange. Nicht alle bleiben bis zum großen, irgendwie fast historischen Moment. Zumal auch noch Schneetreiben einsetzt und sich Flocken als zarter Flaum auf 4500 Tonnen Betonbrocken und Stahlarmierung legen und den Staub binden.

Der dichtgetaktete Zeitplan wird dadurch nicht durcheinandergewirbelt: Das Konsortium ViA6West, das für den sechsspurigen Ausbau der Autobahn und somit auch für alle Brückenbauwerke und Unterführungen zuständig ist, hatte schon zuvor einige Streufahrzeuge in Stellung gebracht, die später dann auch gebraucht werden.

Anfangs sieht es noch nach einer deutlichen Verzögerung aus. Die Verlegung der Holzbohlen, die die Fahrbahn vor den später herabstürzenden Trümmern schützen sollen, gestaltet sich langwieriger als geplant. Genau 24 Stunden haben die Arbeiter Zeit, ist die Autobahn zwischen Bad Rappenau und Untereisesheim komplett gesperrt. Aber der anfängliche Rückstand ist bald eingeholt. Als die Brücke fällt, beginnen die umfangreichen Aufräumarbeiten und der Wiedereinbau der Leitplanken. Gestern Mittag werden bereits wieder die Holzbohlen von der Fahrbahn genommen. "Die Arbeiten laufen aktuell besser als im Zeitplan", meldet Michael Endres, Sprecher des Baukonsortiums ViA6West.

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Dennoch gibt es unerwartete Probleme, die zwar nicht den Ablauf der Abrissaktion beeinträchtigen, aber doch nicht im Sinne der Planer sind: Viele Lastwagenfahrer wählen nicht die offizielle Umleitung, sondern fahren über Biberach auf das enge Ersatzbauwerk nahe der Baustelle. Immer wieder rattern die massigen Laster vorbei, obwohl sie hier offiziell nicht fahren dürfen, und lassen dadurch auch die Behelfsbrücke für Fußgänger und Radfahrer vibrieren. Auf den Ausweichstrecken kommt es zeitweilig zu Rückstaus, die angeordnete Verkehrsführung ist offenbar an einigen Fahrern komplett vorbeigegangen. Sogar die Sperrung mit Baken und Zäunen wird ignoriert. "Fünf Autofahrer meinten, die Absperrung gilt nicht für sie. Sie sind bis zur Baustelle gefahren – weil das Navi das so angezeigt hat‘", berichtet Endres. "Dazu mussten die Autofahrer jedoch erst die massive Absperrung an der Anschlussstelle Untereisesheim beseitigen." Gegen Mittag sei sogar ein Paar mit einem VW Phaeton mit SU-Kennzeichen bis vor die Bagger gefahren. "Das kann auch ins Auge gehen", resümiert der ViA-Sprecher.

Eigentlich hätte das 1967 errichtete Brückenbauwerk noch etwa 20 Jahre gehalten. Bis dahin aber hätte die ViA6West noch immer die Verantwortung für die Strecke und müsste die Brücke abreißen, wenn die Autobahn darunter längst fertig ist. Außerdem seien die Kosten für einen Neubau in 20 Jahren schwer kalkulierbar, begründet Endres, warum der Abriss bereits jetzt vollzogen wurde: "Jetzt haben wir die Bauarbeiter da; billiger wird es aller Wahrscheinlichkeit nicht."

Nicht zuletzt werde die Abbruch- und Wiederaufbaumaßnahme zeitlich möglichst dicht aneinandergelegt, um bei der Rückgabe der Strecke Ende 2046 an den Bund einen technisch wie zeitlich einheitlichen Zustand der Brückenbauwerke geschaffen zu haben. Und es kommen noch ein paar Bauwerke an die Reihe. Brückenabriss-Fans können also noch ein paar Erlebnisse sammeln.

Ort des Geschehens

Update: 16. Dezember 2018, 19 Uhr

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