Weinheim

Die Tücken der Nachverdichtung

Anwesen in Hauptstraße könnte saniert, der Garten bebaut werden - Die Anlieger protestieren scharf - Antragsteller sieht sich im Recht

10.12.2018 UPDATE: 11.12.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden

Ein Investor kann sich vorstellen, das Anwesen zu sanieren. Foto: Kreutzer

Von Philipp Weber

Weinheim. Bürgermeister Torsten Fetzner, die Stadträte und die Medien haben Anfang des Monats eine E-Mail erhalten, deren Inhalt Aufsehen erregt: "Ein Stück Weinheimer Stadtgeschichte soll begraben werden unter dem Deckel eines Verwaltungsakts mit der Nummer BVB/18/0027", heißt es in dem Schreiben, in dessen Anhang sich eine Unterschriftenliste befindet. Konkret geht es um das Anwesen in der Hauptstraße 33 - und die "rund 400 Quadratmeter" große Grünfläche dahinter.

Beim Ortstermin in Weinheims früherem Villenviertel eröffnet sich der Blick auf einen Garten, von dem viele Familien träumen: Eine großzügige Rasenfläche, eine Art Zisterne sowie meterhohe Nadelbäume lassen den herrschaftlichen Charakter des Anwesens aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erahnen. Im Hier und jetzt wehren sich die Anlieger gegen Nachverdichtungspläne. Die Eigentümer des Anwesens leben nicht in der Stadt, die Wohnungen im Altbau sind vermietet, unter anderem an eine Familie mit drei Kindern.

Jetzt soll das Grundstück möglicherweise an einen Investor verkauft werden. Der Altbau würde dann saniert und mit vier Wohnungen versehen werden, der später hinzugekommene und ebenfalls bewohnte Anbau (im Luftbild rechts neben dem Hauptbau) müsste der Zufahrt für die geplante Tiefgarage weichen - und im heutigen Garten würde ein Neubau mit mehreren weiteren Wohnungen entstehen.

Auf der heutigen Gartenfläche (Mitte), gegenüber dem Altbau (oben) könnte ein Neubau entstehen, in dem mehrere Wohnungen Platz haben. Foto: zg

Bereits Mitte Oktober hat ein Interessent eine Bauvoranfrage eingereicht. Die Anwohner haben Einwendungen dagegen erhoben. Sie sehen das Grundstück und dessen Eingrenzung als erhaltenswert an - auch im Sinne des Denkmalschutzes. Der fast spiegelbildlich zum Alt- entstehende Neubau würde ihre Grundstücke überragen. Außerdem reiche der Parkraum im Viertel nicht mehr aus, wenn der Investor nur einen Parkplatz pro Wohnpartei baut - und sich die künftigen Nachbarn mehr als einen Wagen leisten können.

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Grundsätzlich befürchten die Einwender zudem, dass ein Präzedenzfall geschaffen wird: Auch andere Anwesen in der nördlichen Innenstadt besäßen größere Gärten, die ebenfalls zur Beute von Investoren werden könnten - was wiederum den städtebaulichen Charakter des Viertels verändere. Daher können sie sich vorstellen, einen Bebauungsplan auf den Weg zu bringen, der dem Einhalt gebietet.

Eine solche Regelung gibt es gegenwärtig nicht. Das stellt auch Bürgermeister Fetzner in einer ebenfalls offenen Antwort klar: "Rein baurechtlich gesehen, liegt das Grundstück im unbeplanten Innenbereich. Der neue Baukörper fügt sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein", erklärt er, warum der Garten bis zu einem gewissen Grad bebaut werden darf. Er nennt aber noch einen Aspekt, der über bauordnungsrechtliche Fragen hinausgeht. Denn: "Nach einer ersten Einschätzung der Unteren Denkmalbehörde stellt der geplante Neubau eine erhebliche Beeinträchtigung des Kulturdenkmals und des Gartens dar. Von daher ist nach meinem Dafürhalten die geplante Bebauung so nicht genehmigungsfähig."

Darüber wundert sich wiederum der Interessent. Auch er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen: Eine Bauvoranfrage sei eigentlich nicht öffentlich, sagt er im RNZ-Gespräch. Zudem habe er die Voranfrage im Auftrag der (Alt-)Eigentümer eingereicht. Auch diese müssten wissen, zu welchen Bedingungen ihr Anwesen weiterentwickelt werden kann. Ein Verkauf sei nicht erfolgt - und dies müsse auch nicht zwingend passieren: "Fakt ist, dass wir die Bauvoranfrage in enger Abstimmung mit den Behörden erstellt haben." Es habe drei Ortstermine gegeben, zu einem davon seien auch Vertreter des Landesdenkmalamts gekommen. Niemand habe Bedenken angemeldet.

Zumal die Eigentümer zu den Grundstücksbesitzern zählten, die von der Stadt kontaktiert wurden. Stichwort: Nachverdichtung. "Unser Ziel ist es ja, den Denkmalschutz nicht anzutasten und die alte Sandsteinmauer samt Zaun zu erhalten", erklärt er. Der Anbau sei aus architektonischer Sicht keineswegs schützenswert und könne der Tiefgaragenzufahrt weichen. "Dadurch würde der Altbau wieder freistehen und sein Innenhof müsste nicht als Parkplatz benutzt werden." Der geplante Neubau im heutigen Garten wäre kein Spiegelbild des Altbaus, sondern bewusst kleiner und zurückhaltender, sodass das alte Herrschaftshaus weiter dominiere. Über die Zahl von Wohnungen und Quadratmetern will er keine Angaben machen: "Wir sind erst bei der Voranfrage."

Das alte Anwesen besitze eine gute Rohbau-Substanz, müsse in Sachen Sicherheit, Technik und Wohnkomfort aber auf den neuesten Stand gebracht werden. Sicher ist: Ohne einen Neubau lohnt sich die Sanierung des Altbaus nicht. Jetzt liegt der Fall bei den Behörden. Die Stimmung unter den Anwohnern ist mau: "Wenn das kommt, bin ich beim Fest der offenen Höfe künftig nicht mehr dabei", sagt einer.

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