Dürre-Sommer 2018

Den Sinsheimer Wald fit für die Zukunft machen

Was in 150 Jahren wachsen soll, muss jetzt geplant werden – Hitzerobuste Arten wie Esskastanien und Wildobst im Kommen

13.08.2018 UPDATE: 14.08.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden

Wegen der Hitze sind einige Buchenkronen bereits verfärbt. Foto: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Hitze, Trockenheit und Klima sind in aller Munde. Der Sommer 2018 hat Spuren hinterlassen. Und die Frage wird lauter: Kommt es künftig viel öfter zu solchen Extremen? Förster wie Forstbezirksleiter Philipp Schweigler und Revierleiter Rüdiger Keller überlegen mehr denn je, wie der Sinsheimer Wald der Zukunft aussehen könnte:

Herbstwald im Sommer: In Teilen des Großen Walds ist es während der Hitzeperiode Herbst geworden. Ein rotbraunes Leuchten ist aus der Ferne über manchen Baumkronen zu sehen. Welkes Laub weht über den Weg. "In extremen Lagen" oder "wo Tonböden sind", sagt Rüdiger Keller, wird die Dürre sichtbar, etwa in der Gegend des "Angellocher Felds", bei Hilsbach und Weiler, am Fuß des Fernsehturms beim Zeisopshäldeweg oder vereinzelt zwischen Dühren und Michelfeld.

Im Wald der Zukunft bedeutsamer: Wildobst, wie die Elsbeere. Foto: Tim Kegel

Gelitten haben vor allem Jungbäume. Buchen, Hauptbaumart im Kraichgau, stärker als Eichen, Nadelbäume am meisten. Naturverjüngungen und Gebiete mit frisch gepflanztem Bewuchs sind von der Dürre stark mitgenommen - Neupflanzungen sind die Folge: Douglasien seien "in allen Distrikten" zu 30 bis über 50 Prozent geschädigt, bei Buchen rund 20 Prozent, Jung-Eichen etwas weniger. Bei Altbäumen zeigt sich die Trockenheit an einzelnen Ästen der Kronen, Förster nennen dies "zopftrocken".

Insekten profitieren offenbar von der Hitze, zumindest macht es für Philipp Schweigler diesen Anschein. Rüdiger Keller hat "deutlich mehr Schmetterlinge" als in den Vorjahren beobachtet: "Wunderschön." Etliche Exemplare der "Spanischen Flagge" - seltsamerweise auch "Russischer Bär" genannt -, eines wuchtigen Falters, saßen auf den Brennnesseln am Wegrand. Baumschädlinge wie der Eichenprozessionsspinner zeigen keine nennenswerten Auffälligkeiten, sind aber da. Borkenkäfer - typisch für Jahre mit Trockenstress - haben Fichten bei Angelbachtal, Waibstadt und Zuzenhausen befallen. Im Sinsheimer Gebiet seien sie bislang nicht bestätigt worden, "aber garantiert da". Ihre Fraßschäden unter der Borke fallen oft erst im Spätsommer und Herbst auf.

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Der Wald in 150 Jahren: Wie er aussehen könnte, lasse sich nur erahnen, bisweilen aber in eine Richtung steuern: Philipp Schweigler und Rüdiger Keller gehen davon aus, "dass Sommer wie 2018 deutlich häufiger werden". Verschiedene Baumarten reagierten - zudem abhängig vom Standort - unterschiedlich aufs Klima. Förster denken extrem langfristig. Weder Keller noch Schweigler, werden die Holzernte der meisten Bäume erleben, die sie gerade pflanzen und pflegen. Einige Erfahrungswerte mit dem veränderten Klima gebe es: So habe sich gezeigt, dass es helfe, wenn Bäume "Platz und dadurch Licht" hätten. In diesen Tagen wurden Jung-Eichen unterhalb des Fernsehturms von Brombeeren und anderem Bewuchs befreit. "Ein mühsames Geschäft" für die Lohnunternehmen, sagt Schweigler. Der künftige Sinsheimer Wald dürfte lichter werden. Dann bildeten die meisten Arten weite Kronen, tiefere Wurzeln, dickere Stämme und dadurch mehr Robustheit gegenüber Extremen aus.

Künftige Baumarten: Schon seit vielen Jahren setzt der Forst verstärkt auf Eichen. Der Kraichgauer Wald der Zukunft hat wohl mehr davon. Eine gute Mischung sei immer willkommen, sagt Philipp Schweigler. Diese fördere man einerseits an ihren natürlichen Standorten, suche aber auch nach geeigneten neuen Plätzen für bestimmte Arten. Gute Erfahrungen habe man speziell mit Esskastanien, aber auch mit einzelnen Wildobstarten wie der Elsbeere und dem Speierling. Sie alle böten noch dazu reichlich Nahrung für Wildtiere, zugleich auch edles Holz, "etwa für Auto-Interieurs".

Die Folgen eines Hitzesommers zeigen sich noch nach vielen Jahren: Schweigler und Keller wissen, dass die Mehrheit der Bäume im Jahr 2018 "nur minimale Jahresringe ausbilden" werden. Derartig angeschlagen, sei die Stress- und damit die Schadensanfälligkeit von Bäumen "in den kommenden Jahren weiterhin erhöht".

Die Waldbrandgefahr ist im Kraichgau weniger präsent als andernorts, aber nicht zu unterschätzen. Die Grillstätten in Waldnähe sind per Gesetz zur Zeit geschlossen, doch das Gebiet ist riesig, "flächendeckende Kontrollen sind unmöglich". Man schaue vor allem bei Plätzen wie dem "Orles" zwischen Sinsheim Gartenstadt und Waibstadter Höhe genau hin. Besonders gefährdet sind außerdem die wenigen größeren Nadelwaldgebiete. Waldboden mit trockenem Gras, Reisig, Fichtenzapfen, Harz und Nadeln versetzt brennt schnell und wie Zunder.

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