"Green City" oder Fahrverbot?
Schadstoffwerte in Heilbronn sind die dritthöchsten im Land - Grenzwerte deutlich überschritten - Mehr Feinstaub als in Berlin

Die Luftmessstation an der Weinsberger Straße in Heilbronn. Hier werden vor allem bei ungünstiger Wetterlage regelmäßig Feinstaubkonzentrationen erfasst, die deutlich über dem geltenden Grenzwert liegen. Foto: Brigitte Fritz-Kador
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Könnte es in diesem Jahr erstmals ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge in Heilbronn geben? Die Wahrscheinlichkeit ist gegeben: Heilbronn ist unter den zehn deutschen Städten, für die dieses prognostiziert wird. Nach Berechnungen des Car-Institutes der Uni Düsseldorf-Essen drohen in 2018 den Städten München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Hamburg, Heilbronn, Kiel, Düsseldorf, Darmstadt und Ludwigsburg Fahrverbote, weil die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte nicht erreicht werden.
Dass Stuttgart bei der Feinstaubbelastung nationaler "Spitzenreiter" ist, das ist bekannt, auch dass Heilbronn nach Reutlingen Platz 3 innehat. Aber wusste man im Unterland, dass die dreckigste Straße in Berlin, die Karl-Marx-Straße, sowie die Silbersteinstraße in Neukölln besser abschneiden als Heilbronn? Hier zeigt der Jahresdurchschnitt eine Belastung von 45 bis 44 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, der Durchschnittswert für Heilbronn liegt bei 57 Mikrogramm, als Grenzwert gelten 40 Mikrogramm.
Mit dem drohenden Fahrverbot für alte Dieselautos, die als Hauptverursacher von Stickoxiden gelten, wird sich nach einem einschlägigen Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom letzten Jahr, am 22. Februar das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in der Revision befassen. Dann dürfte Klarheit herrschen. Und bekanntlich macht gerade in diesen Tagen auch die EU Druck auf Deutschland. Gegen 19 Städte ist eine Klage der Deutschen Umwelthilfe anhängig, Heilbronn ist noch nicht dabei, aber auch noch nicht außen vor.
Auch wenn das Gesetz des Handelns nicht alleine bei der Stadt, sondern auch beim Bund, Land und der Automobilindustrie liegt, es ist kein Geheimnis, dass man in Heilbronn viel zu lange viel zu wenig getan hat. So richtig aktiv wurde die Stadt erst im vergangenen Jahr. Um aus dem von der Bundesregierung eingerichteten Mobilitätsfonds - er soll mit bis zu einer Milliarde Euro ausgestattet werden -, als betroffene Stadt Mittel zu erhalten, hat man 19 Maßnahmen dafür eingereicht. Dazu zählen der Bau des projektierten Radschnellweges, das Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof, die Umrüstung des städtischen Fuhrparks auf E-Mobilität, die Projektierungskosten für die Erweiterung der Stadtbahnlinie nach Süden. Wie viele Mittel man aus dem Fonds bekommt, steht noch in den Sternen. Die angekündigten Maßnahmen halten die Deutsche Umwelthilfe, die Lokale Agenda, BUND, Energiewende und der Verkehrsclub VCD für unzureichend.
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Der Antrag zur Erstellung eines städtischen Klimaschutzprogramms kam schon 2007 von den Grünen im Gemeinderat, im Jahr darauf folgten damit SPD und CDU. Doch erst 2015 begann man mit umfangreichen Verkehrserhebungen für eine Energie- und Treibhausgasbilanz beziehungsweise Potenzialanalyse. Im letzten Jahr hat OB Harry Mergel ganz offiziell die Kampagne der Stadt zum Klimaschutz gestartet ("Heilbronn bietet Klima Schutz"), auch als eine Art Mitmachaktion, bei der sich Bürger engagieren, aber auch eigene Ziele formulieren und sich entsprechend vernetzen sollen. Die Zielmarke sieht vor, bis 2020 die Kohlendioxidemissionen um 20 Prozent (bezogen auf 1990) zu verringern, auch mit kleinen Schritten, indem man beispielsweise die Kinder nicht mit dem Auto in Schule oder Kita fährt.
Lokale Agenda, BUND, Energiewende und der Verkehrsclub VCD haben schon vor knapp einem Jahr einen sehr umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgelegt, dessen Inhalt allerdings fast utopisch klingt: angefangen vom generellen Fahrverbot für problematische Dieselfahrzeuge bis dahin, die Allee, eine der verkehrsreichsten Straßen, nur noch für Anwohner und Lieferverkehr freizugeben. Gefordert wird auch eine Verknappung der Parkplätze in der Innenstadt (der Parkplatzsuchverkehr gilt als wesentliche Feinstaub-Ursache) und statt dessen Parkplätze am City-Rand mit Shuttle-Service in E-Bussen und dafür kostenfreies Parken für E-Autos, ein Durchfahrtsverbot für Lkw, kürzere Taktzeiten beim ÖPNV, mehr Radwege und sogar eine City-Maut.
Dass es in absehbarer Zeit eine "Grüne Welle" mit nach Verkehrsaufkommen gesteuerter Ampelschaltung geben wird, hat OB Harry Mergel vor kurzem angekündigt, bis zu der im Mobilitätskonzept angestrebten "Green City" wird es dauern.