Heidelbergs US-Erbe: Kommandantur und "Chapel" werden teurer als gedacht

Zwei ehemalige Gebäude der US-Armee müssen für öffentliche Nutzungen umgebaut werden.

29.03.2017 UPDATE: 30.03.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 58 Sekunden

Die ehemalige Chapel an der Ecke Römerstraße/Rheinstraße (oben) wird zum Bürgerzentrum. Die Gebäude gegenüber wurden abgerissen, dort entsteht ein Nahversorger. Die Kommandantur (unten) muss ebenfalls saniert werden. Foto: Priebe

Von Steffen Blatt

Heidelberg. Am Ende ist es wahrscheinlich ein Segen für Heidelberg, dass die US-Armee abgezogen ist. Denn so hat die Stadt plötzlich viele Flächen zur Verfügung, um sich zu entwickeln und etwa dringend benötigte Wohnungen zu bauen. Doch dieses "Erbe" der Amerikaner kann manchmal schwer sein - wenn es etwa um die Nachnutzung von Gebäuden geht, die unter Denkmalschutz stehen. Über zwei solche Projekte entscheidet der Gemeinderat am heutigen Donnerstag.

Hintergrund

> Die Chapel an der Ecke Römerstraße/Rheinstraße wurde im Jahr 1951 nach einem Entwurf des Mannheimer Architekten Emil Serini erbaut. Sie diente als gemeinsame Kirche für die Angehörigen unterschiedlicher Konfessionen aus dem Headquarter und Mark Twain Village der

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> Die Chapel an der Ecke Römerstraße/Rheinstraße wurde im Jahr 1951 nach einem Entwurf des Mannheimer Architekten Emil Serini erbaut. Sie diente als gemeinsame Kirche für die Angehörigen unterschiedlicher Konfessionen aus dem Headquarter und Mark Twain Village der US-Streitkräfte in Heidelberg. Weil die ehemalige Kirche an die Folgen des Kalten Krieges in Deutschland und an die Konfessionskultur der amerikanischen Bürger in der Stadt erinnert, steht sie unter Denkmalschutz. Herzstück des neuen Bürgerzentrums wird der Veranstaltungssaal "Cube", der Platz für maximal 300 Personen bietet. Richtung Rheinstraße schließt sich ein Foyer an. In einem "Infopoint" sollen zudem die Trägervereine des Zentrums die Möglichkeit zu Beratungsangeboten bekommen. Außerdem sind weitere Räume für Veranstaltungen, Feiern sowie Gruppen vorgesehen. Ursprünglich sollte der Umbau maximal 1,4 Millionen Euro kosten. Weil viele Teile der Gebäudetechnik entgegen der ersten Schätzung doch komplett erneuert werden müssen, wird nun stattdessen mit knapp 1,6 Millionen Euro kalkuliert.

> Die Kommandantur in der Römerstraße wurde 1938 als Teil der damaligen Großdeutschlandkaserne errichtet und diente bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als Offiziersmesse der Wehrmacht. Nach 1945 wurde sie Bestandteil des Hauptquartiers der siebten US-Armee. Befehlshaber Generalleutnant Geoffrey Keyes, nach dem das Haus später benannt wurde, residierte dort bis zum Januar 1947. In dem Gebäude mit einer Grundfläche von rund 3400 Quadratmetern waren sowohl das Büro des Stabschefs als auch der Sitz des Befehlshabers untergebracht. Das Gebäude muss für die spätere Nutzung barrierefrei umgebaut werden, Beleuchtung, Heizung, Wasser- und Stromversorgung, defekte Fenster und Türen müssen ausgebessert oder erneuert werden. Die Kosten belaufen sich auf 2,5 Millionen Euro, von denen etwa 70 Prozent über das Projekt "Grünes Band des Wissens" aus Bundesmitteln kommen. ste

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Die Chapel an der Ecke Römerstraße/Rheinstraße wurde von den Amerikanern als Kirche genutzt und soll zum Bürgerzentrum der Südstadt werden. Auf der anderen Straßenseite steht das Keyes Building, die ehemalige Kommandantur. Sie war einst Offiziersmesse für Angehörige der Wehrmacht, nach dem Zweiten Weltkrieg fällten US-Militärs dort ihre Entscheidungen. Nun soll dort ein "Zentrum für Transatlantische Beziehungen" entstehen. Zunächst geht es aber darum, das Gebäude instand zu setzen, damit es überhaupt wieder genutzt werden kann. Die Kommandantur steht wie die Chapel unter Denkmalschutz.

Und das sorgt bei der ehemaligen Kirche für diffizile Planungen. Denn wenn aus einem Gotteshaus ein Bürgerzentrum werden soll, muss sich auch baulich etwas ändern - und da liegen Architekten und Denkmalschützer häufig nicht auf einer Linie. Bei der Chapel sind die Verhandlungen auch noch nicht abgeschlossen, doch über das Wesentliche ist man sich einig: "Sie wird sich nach Norden zur Rheinstraße öffnen", sagt Thorsten Erl. Der Architekt ist Mitglied des Vereins "FormAD", der zusammen mit Stadtteilverein, Caritas und Effata-Eine-Welt-Kreis Träger des Bürgerzentrums wird. Neu wird auch eine Terrasse zur Rheinstraße sein, die wegen des Denkmalschutzes schon kleiner geworden ist als ursprünglich geplant.

Nun gehe es noch um Details, sagt Erl - doch die sind nicht unwichtig. Etwa die Frage, wie offen sich die Chapel zur Rheinstraße präsentieren wird. "Da kann man sehr weit gehen", meint Erl. Für ihn ist aber klar: "Es kann nicht sein, dass der Nahversorger gegenüber am Ende einladender aussieht." Jörg Hornung, Leiter des städtischen Amts für Baurecht und Denkmalschutz, betont hingegen, dass die "vertikale Gliederung" mit den schmalen Kirchenfenstern weiterhin sichtbar bleiben muss. "Der oberste Grundsatz beim Denkmalschutz ist: Die originale Bausubstanz muss erhalten bleiben. Jeder Eingriff erfordert eine Genehmigung." Das kann natürlich zu Konflikten führen, "aber wir sind an praktikablen Lösungen interessiert", sagt Hornung. Und natürlich ist es ihm lieber, wenn ein Baudenkmal durch öffentliche Nutzung belebt wird und nicht leer steht.

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Im Innern hat es offenbar weniger Probleme gegeben, denn mit dem "Raum im Raum"-Konzept kann Hornung gut leben - wahrscheinlich, weil die Abtrennung von Veranstaltungssaal und Foyer mit einer flexiblen Gerüstkonstruktion erreicht wird und nicht durch feste Wände. Laut Erl sind aber die vorhandenen Lampen nicht hell genug für die spätere Nutzung. Und insgesamt findet er: "Das darf am Ende gerne ein bisschen lässiger aussehen."

Bei der Kommandantur gab es bisher noch nicht so viel Abstimmungsbedarf mit dem Denkmalschutz, denn hier geht es zunächst darum, das Gebäude grundsätzlich zu erhalten und zu sanieren, damit es öffentlich genutzt werden kann. Aber auch in Zukunft will die Stadt respektvoll mit dem historisch bedeutenden Bau umgehen. "Es ist unheimlich spannend, was da alles passiert ist", sagt Xenia Hirschfeld, Leiterin des städtischen Gebäudemanagements. Sie erzählt von einem Raum, in dem man einzelne Holzplatten senkrecht aus der Wandverkleidung ziehen kann. Dort hingen früher wohl die Landkarten, vor denen die Militärs tagten. "Die Eingriffe werden minimal sein. Wir wollen alles so herrichten, wie es war", verspricht Hirschfeld.

Aber es muss schnell gehen, denn vor allem der Winter hat dem Gebäude zugesetzt: Weil nicht geheizt wurde, hat sich im Keller Schimmel gebildet, im Obergeschoss löste sich der Putz. Eine Heizungsleitung platzte, sodass eine Decke feucht wurde. "Das ist aber alles oberflächlich, das kriegen wir in den Griff", so Hirschfeld. Ihr Amt habe erst im Januar den Schlüssel bekommen, geheizt habe man nicht, weil das Gebäude an das interne Netz der Amerikaner angeschlossen war, das derzeit brachliegt. "Wir wussten schlicht nicht, welchen Schalter wir umlegen mussten, und was das für das restliche Netz für Folgen hat", erklärt die Amtsleiterin. Schließlich wurde eine mobile Heizanlage installiert.

Stimmt der Gemeinderat in seiner heutigen Sitzung (18 Uhr im Großen Rathaussaal) der Sanierung zu, werden die Arbeiten so schnell wie möglich starten. Der Auftrag wurde europaweit ausgeschrieben, und es gibt auch schon ein Architekturbüro, das in den Startlöchern steht. Bis März 2018 soll alles fertig sein, dann will die Internationale Bauausstellung die Kommandantur als Ausstellungsfläche zwischennutzen, bis das Konzept für das "Zentrum für Transatlantische Beziehungen" fertig ist. Die Chapel wird erst im Herbst für Umbau und Sanierung geschlossen, dort sollen die Arbeiten ein Jahr dauern.

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