Defektes Stellwerk legt Hauptbahnhof lahm
Pendler und Reisende waren am Donnerstag von Mittag bis in den frühen Abend gestrandet. Wie kam es zu dem Ausfall?

Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Ein Stellwerkausfall hat am Donnerstag für Chaos am Heidelberger Hauptbahnhof gesorgt: Von 12 bis 17.30 Uhr konnte kein Zug den Bahnhof mehr verlassen. Pendler und Reisende strandeten und mussten mit einem Schienenersatzverkehr, der Straßenbahn oder Bussen weiterreisen. Weil viele Menschen mit dem Auto abgeholt wurden, gab es auch Chaos auf den Straßen rund um den Hauptbahnhof, am Taxistand und auf dem Parkplatz.
"Es ist rekordverdächtig heute", sagt Daniel Knee. Der Leiter der Bahnhofsmission ist am Donnerstagnachmittag mit fünf Mitarbeitern im Einsatz und greift den Helfern der Bahn unter die Arme. 700 bis 800 Menschen hätten sie bis 16 Uhr bereits geholfen, "normalerweise haben wir 30 am Tag". Natürlich darf dabei die "Hauptklientel" – Rollstuhlfahrer und Sehbehinderte etwa – nicht zu kurz kommen.
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Bis zum späten Nachmittag gab es auch keine Durchsagen, berichtet er, das neue System der Bahn, das aus Stuttgart gesteuert werde, funktioniere nicht. Und auch in der App der Bahn fehlten Hinweise auf die Probleme mit dem Stellwerk und dass die Züge ausfielen: "Leute haben den Flieger verpasst, kamen heute nicht nach Paris oder Amsterdam", weiß Knee zu berichten. Wasser verteilen mussten sie zumindest noch nicht: "Ich bin froh, dass es heute nicht die 37 Grad hat, die es nächste Woche werden sollen", so Knee.
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Eine 55-jährige Pendlerin hatte sich gerade Rat geholt: "Ich soll jetzt mit dem Bus nach Neckargemünd fahren und muss da schauen, wie ich weiter bis nach Mauer komme." Sie arbeitet in der Bahnstadt und fährt eigentlich gerne Zug: "Man kann etwas dabei machen und es ist die richtige Fortbewegungsart für die Zukunft", erklärt sie: "Ich wünsche mir von Herzen, dass es besser wird." Sie hofft, dass jemand sie in Neckargemünd nach dem langen Arbeitstag abholen kann. "Sonst muss ich das Taxi nehmen", erklärt sie.
Am Taxistand brummt es derweil. Seit zehn Jahren fahre er hier, so lange habe der Zustrom an Reisenden noch nie angehalten, berichtet ein Taxifahrer: "Normalerweise hat man bei Zugausfällen vielleicht mal eine Fahrt." Heute seien es schon mehrere. Die meisten davon gehen nach Mannheim, wo wieder ein Anschluss an den Fernverkehr gegeben ist. Ein Kollege stimmt ihm zu, ärgert sich aber über die Leute, die Gestrandete abholen und sich nicht auskennen: Autofahrer polterten über Bordsteine oder führen in den Taxistand und kämen dann nicht weiter. "Das ist hier ein Chaos."
Entspannt waren um halb fünf noch zwei Frauen, die aus Stuttgart für ein Arbeitsgruppentreffen angereist waren und noch eine Stunde Zeit hatten, bis ihr Zug zurück in die Landeshauptstadt fahren sollte. "Wir sind bisher noch nicht betroffen", erzählen sie mit Blick auf die Abfahrtstafel, überlegen aber, ob sie den Schienenersatzverkehr nutzen oder abwarten und hoffen sollen. Probleme mit der Bahn seien sie gewohnt: "Für mich ist das der Klassiker", berichtet eine der beiden Verwaltungsmitarbeiterinnen. Ob Brände am Gleisbett oder Notarzteinsätze im Zug – sie habe schon vielfältige Erklärungen gehört, warum es zu Verspätungen oder Zugausfällen komme.
Warum das Stellwerk am Donnerstag den Dienst quittierte, war bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung zu bringen. Eine Bahn-Pressesprecherin aus Berlin erklärt auf RNZ-Anfrage, gemeldet worden sei der Pressestelle eine "technische Störung".




