Neues Studentenwohnheim soll Baulücke in Ortsmitte füllen
Das Bauprojekt in der Ortsmitte rückt näher: Die Entscheidung steht an. Die Räte stimmen über neue Dimensionen im Bereich der Hauptstraße ab.

Von Benjamin Miltner
Dossenheim. Im Herzen der Bergstraßengemeinde klafft eine Lücke. Mitten in der Hauptstraße ist seit Abriss der Gebäude bei Hausnummer 13 und 15 im März eine markante Unterbrechung der Häuserreihe. Dass dies nur auf Zeit so sein soll, darüber herrscht Einigkeit. Über das "Wie" Zwist.
Bekanntlich sollen ein Mehrfamilienhaus und in zweiter Reihe ein Studentenwohnheim mit je drei Vollgeschossen entstehen, dafür der Bebauungsplan geändert werden. Dagegen wehren sich Anwohner, die in einer von knapp 500 Personen unterschriebenen Petition für eine Beibehaltung der gültigen Regeln und Gebäude mit nicht mehr als zwei Vollgeschossen plädieren.

Eine Übersicht zum Stand des Projekts, für das am Dienstag, 24. Juni, im Gemeinderat eine wegweisende Entscheidung ansteht, die das Ortsbild der Zukunft prägen könnte.
Das Projekt
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Im Mehrfamilienhaus direkt an der Hauptstraße sollen acht barrierefreie Wohnungen entstehen "speziell für junge Senioren, die Wert auf Komfort und Mobilität legen", so die Bauherren Ramadan und Ardelina Orani. Das Gebäude mit 20 Meter Breite und 10 Meter Tiefe zieht sich über zwei Grundstücke und ist mit einem Pult- oder Satteldach bei knapp 13 Meter First- und 11,50 Meter Traufhöhe konzipiert.
In Erdgeschoss und Hof sollen zehn Pkw-Stellplätze entstehen. In zweiter Reihe ist ein Studentenwohnheim geplant mit 22 Appartements à rund 30 Quadratmetern Wohnfläche samt Küche und Badezimmer. Ebenso auf drei Geschossen, 22 Meter breit, 10,50 Meter tief und nunmehr ebenfalls mit Pult- oder Satteldach und gut 13 Meter First- und 11,50 Meter Traufhöhe geplant.
Der Bebauungsplan
Der Bebauungsplan "Hauptstraße, Reigart, Kronenburger Hof" von 1978 erlaubt bis zu drei Vollgeschosse bis neun Meter Traufhöhe, für die das Bauprojekt betreffenden Grundstücke zwei Geschosse, im hinteren Bereich teils nur ein Geschoss. Werte, die nun klar überstiegen würden. Und die eine Überarbeitung des Bebauungsplans auslösen, "um die gewünschte Bebauung zu ermöglichen", wie es in einer der vielen Unterlagen der Gemeinde heißt.
Seit Juli 2023 beschäftigt sich der Gemeinderat – meist der Technische Ausschuss – mit dem Projekt, in bereits zehn Sitzungen. Im Juni wurde ein Bebauungsplan-Entwurf vorgestellt, für den die Räte am Dienstag einen Aufstellungs- und Auslegebeschluss treffen sollen. In leicht veränderter Form: An den Fassadenfronten sollen keine offenen Stellen mit parkenden Autos entstehen, zudem soll künftig ein 1,50 Meter breiter Gehweg möglich werden.
Im neuen Plan wäre in erster wie zweiter Reihe eine fast lückenlose Bebauung mit drei Vollgeschossen und Gebäuden bis zu 13 Meter Höhe sowie diverser Dachformen möglich. Dazu heißt es: "Planungsziel sei "eine homogene, aufeinander abgestimmte und hochwertige Bebauung zu ermöglichen sowie eine sehr gute und verträgliche Einbindung in das Ortsbild / Gesamtsituation zu erhalten".
Bei Annahme des Entwurfs kommt es zur Offenlage und Beteiligung von Öffentlichkeit und Behörden, über deren Anregungen laut Gemeinde frühestens im September ein Abwägungsbeschluss erfolgen könne. Die Planer gehen davon aus, "dass in absehbarer Zeit mehrere Neu- und Umbauvorhaben mit einer Nachverdichtung in dieser Art anstehen werden".
Der Protest
Hier greift die Kritik der Anwohner und Unterstützer der Petition "Wachstum mit Maß". Lars Jungjohann und Michael Mergenthaler, Sprecher der Initiative, fürchten eine Zerstörung des Ortskernbildes, ein Verschwinden vieler Grünflächen und "drastisches Sinken der bestehenden Wohnqualität".
Sie sehen in den Plänen "ein Wohnen auf engstem Raum und maximaler Verdichtung", wie es in Großstädten oder etwa in der Heidelberger Bahnstadt der Fall ist – "bloß in einem gewachsenen und nicht darauf ausgelegten historischen Ortskern." Bisher sei das Leben in diesem Bereich durch Wohnen in erster Reihe zur Straße und Rückzugsräume mit Höfen, Scheunen, Gärten und Werkstätten geprägt gewesen.
Nun werde auch in zweiter Reihe eine Riegel-Bebauung mit geringen Baugrenzen ermöglicht, teils bis zu drei Meter an den Bestand etwa am Kronenburger Hof. Beim Studentenwohnheim kritisieren die Anwohner eine "völlige Überdimensionierung des Projekts". Mangels Fenstern in andere Richtungen werde sich das Leben im Wohnheim hier gen Norden zu den dortigen Wohnhäusern abspielen.
"Das Ziel der Nachverdichtung ist verständlich und nachvollziehbar, muss aber mit Maß geschehen", so die Petenten. Sie kritisieren, dass die Beratungen der Gemeinderäte teils auf falschen Fakten des Bauprojekts basieren und bleiben bei ihrer Forderung: die Begrenzung auf maximal zwei Vollgeschosse plus – wie im Ortskern üblich – Satteldach.
Die Bauherren
"Unser Ziel ist es, innovative Wohnkonzepte zu realisieren, die sozialen Mehrwert schaffen und den angespannten Wohnungsmarkt entlasten", sagt Bauherr Ramadan Orani, Geschäftsführer der Orani Group. Gerade in Dossenheim sehe man eine große Nachfrage nach diesen Wohnformen, die die Nachbarschaft beleben sollen.
"Dossenheim braucht Wohnfläche. Bauland gibt es nicht, daher ist Nachverdichten die beste Option", betont Orani. Die bisherigen Gebäude seien nicht wirtschaftlich renovierbar gewesen, die Neubauten würden nicht höher werden als Häuser in der Nachbarschaft, laut Vermesser den bestehenden Bebauungsplan nicht in Höhe, nur bei Anzahl der Geschosse überschreiten. "Eine Bauweise mit zwei Geschossen ist nicht zu finanzieren", betont Orani.
Dafür seien Kosten und Zinsen zu hoch – allein die Finanzierung des Projekts mit mittleren, einstelligen Millionen-Betrag habe schon sechsstellige Kosten verursacht. Er verweist auf die dramatische Lage der Baubranche und Insolvenzen wie beim Wieslocher Bauträger Dombrowski.
Die Gemeinde
Ziel der Gemeinde ist es, Innenentwicklung zu stärken und Baulücken zu schließen, um den Flächenverbrauch insbesondere im Außenbereich einzudämmen. Dem entsprechen die Bebauungsplanänderung und das Bauprojekt generell. Wohnraum werde dringend benötigt, Alternativen für dessen Schaffung gebe es laut Sitzungsunterlagen keine nennenswerten.
Mit den Änderungen des Baurechts komme es zudem in puncto Bauhöhe und Geschossen zur "Anpassung an die nähere Umgebung" an den südlich und östlich angrenzenden Bebauungsplan "Alter Ortskern". "Es entsteht keine Grenzbebauung, wo vorher keine war", heißt es aus dem Rathaus.
Und weiter: Gemeinderat, Bauamt und Verwaltung haben sich intensiv mit dem Bauvorhaben auseinandergesetzt, mehrere Gespräche und Ortstermine mit Bauherren und Nachbarn ermöglicht, was diese ebenso betonen. Ein Kompromiss, mit dem alle gut leben können, scheint dennoch kaum erreichbar.




