Hüller Hille-Angestellte warten auf Oktober-Gehälter
Erneut finanzielle Schieflage: Die Geschäftsführung verhandelt mit einem neuem Investor aus China.

Von Caspar Oesterreich
Diedesheim. Der Diedesheimer Maschinenbauer Hüller Hille ist erneut in finanzielle Schieflage geraten. Für ihre Arbeit im Oktober wurden die rund 170 Angestellten des Unternehmens immer noch nicht bezahlt. Nur die Azubis erhielten pünktlich ihren Lohn.
Der RNZ liegen mehrere vertröstende E-Mails der Geschäftsführung an die Belegschaft vor, in denen die Auszahlung immer wieder auf ein späteres Datum terminiert wird. Gleichzeitig stockt die Produktion in dem Traditionsunternehmen an der Steige, weil manche Lieferanten sich weigern, weitere Komponenten zu liefern, wegen ausstehender Rechnungen auf Vorkasse bestehen. Die Stimmung in der Belegschaft schwankt zwischen Ärger, Frust und Existenzangst.
Dabei sah die Lage vor einem Jahr angeblich doch noch so gut aus: Ende November 2023 berichteten Geschäftsführer Li Meng und Finanzchef Hongsheng Ma im Gespräch mit der RNZ von Wachstum. Nach der Corona-Pandemie verzeichnete man endlich wieder eine steigende Nachfrage nach den Werkzeugmaschinen aus dem Odenwald. Zahlreiche neue Mitarbeitende habe man seit der Übernahme 2019 der insolventen Zuse Hüller-Hille Werkzeugmaschinen GmbH eingestellt, jährlich mehr als eine Million Euro in die Entwicklung neuer Großmaschinen gesteckt, hoben Meng und Ma damals im Interview hervor.
Um größere Aufträge annehmen zu können, wurde vor zwölf Monaten gar ein Joint Venture mit der in China börsennotierten Tongyi AG gegründet, das mehr operatives Kapital an die Steige bringen sollte. Doch daraus wurde nichts, wie Geschäftsführer Meng nun einräumt. Nach dem Antrag beim Handelsregister und der Eröffnung eines Bankkontos habe Tongyi auf den letzten Metern einen Rückzieher gemacht. Kein einziger Cent sei an Hüller Hille überwiesen worden.
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Mittlerweile hat sich auch die Auftragslage gedreht, von Wachstum ist in der Chefetage keine Rede mehr, der Absatz sei "relativ schwach", berichtet Meng. "Das Geschäft unserer beiden großen Märkte Deutschland und China wächst nicht – noch schlimmer, es sinkt wie überall in der deutschen Maschinenbaubranche." Aktuell habe man 21 Maschinen sowie zahlreiche Serviceaufträge weltweit im Auftragsbestand.
"Diese werden Step-by-Step nach dem Invest ausgeliefert an unsere Endkunden, die mit der Qualität unserer NBH-Maschinen und Dienstleistungen mehr als zufrieden sind", schreibt er in einer E-Mail an die Redaktion. Eigentlich war ein Interview per Videokonferenz angesetzt, das Meng aufgrund einer kurzfristigen Chinareise jedoch absagen musste. Schließlich stehe er kurz davor, den Einstieg eines neuen Investors unter Dach und Fach zu bringen.
Dass es sich dabei um ein Investment über 50 Millionen Euro handelt, bestätigt Meng auf Nachfrage: "Die von Ihnen genannte Summe wird sukzessiv innerhalb von drei Jahren fließen." Wie der Name des Investors lautet, ob es sich um ein Unternehmen oder privaten Anleger handelt, will der Hüller-Hille-Geschäftsführer allerdings nicht verraten.
Die entscheidende Genehmigung für die Zusammenarbeit sei von der zuständigen Regierungsstelle in China aber bereits erteilt worden. "Das ist ein Meilenstein für unseren langfristigen Refinanzierungsplan, der verschiedene Bereiche Hüller Hille zu unterstützen mit einschließt, weit über das finanzielle hinaus", betont Li Meng.
Allerdings habe sich dieser Prozess länger hingezogen als ursprünglich erwartet, "und er ist zusätzlich von verschärften Überwachungs- und Regulierungsvorgaben im Bereich der ,Overseas Direct Investment’ betroffen, die den Geldtransfer von China in andere Länder kontrolliert", erklärt Meng. Dies habe dazu geführt, dass die erwarteten Zahlungen noch nicht in Diedesheim eingetroffen sind, die Gehälter der Angestellten und ausstehende Rechnungen bei Lieferanten bisher nicht überwiesen werden konnten.
Der Betriebsrat hat das Warten mittlerweile satt. Eine Frist, die man der Geschäftsführung zur Auszahlung der Löhne gesetzt hatte, ist längst verstrichen. Und auch die Zusage von Konzernchef Bingcheng Zhang (Mitgründer und Vorsitzender von Visionmax, das Hüller Hille 2019 übernommen und 35 Millionen Euro investiert hatte) sei nicht erfüllt worden, kritisiert das Gremium in einer E-Mail an die Belegschaft. Zhang hatte den Angestellten einen Zahlungseingang auf dem Firmenkonto am 19. November versprochen. Gemeinsam mit der IG Metall strebt der Betriebsrat nun eine Klage vor dem Arbeitsgericht an.
Am vergangenen Freitag wandte sich Bingcheng Zhang erneut an die Belegschaft. Am heutigen Montag würden die Gehälter überwiesen, verspricht er in der E-Mail: "Angesichts der immer noch existenten Notfinanzierungssituation habe ich letzte Woche ein Vermögenshypothekendarlehen auf eine meiner weiteren Firmen abgeschlossen, um die kurzfristig fälligen Mittel hierüber sicher bereitzustellen."
Den Angestellten bleibt zu wünschen, dass das tatsächlich auch geschieht. Je länger ihr Gehalt ausbleibt, desto schwieriger wird es für sie, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die letzte Anpassung des Haus-Tarifvertrages im Jahr 2015 vorgenommen wurde.




