Hardheim

Wie das Krankenhaus auf neue Beine gestellt werden soll

Verwaltungsleiter Beger und Bürgermeister Grimm stellen das Konzept für die Zukunft der Gesundheitsversorgung im Erftal vor.

15.11.2024 UPDATE: 15.11.2024 04:00 Uhr 4 Minuten, 21 Sekunden
Als „kleinste Klinik des Landes“ gilt das Hardheimer Belegkrankenhaus mit seinen 51 Betten. Um diese besser auszulasten und die Einrichtung für die Zukunft gut aufzustellen, hat der Verband konkrete Pläne. Im Zentrum steht die Etablierung eines medizinischen Versorgungszentrums, um weitere Ärzte in die Region zu locken. Foto: Janek Mayer

Von Janek Mayer

Hardheim. "Sich zu verbessern heißt, sich zu verändern." Was passiert, wenn Geschäftsführungen diesen Rat von Winston Churchill missachten, zeigt jüngst das Schicksal des Automobilzulieferers Magna. Er hatte sich Innovationen gegenüber verschlossen. Nun soll sein Werk in Rosenberg bis Ende 2026 geschlossen werden.

Am Hardheimer Krankenhaus scheint man sich die Worte des britischen Staatsmanns dagegen zu Herzen zu nehmen. "Wir haben in den vergangenen zwei Jahren ein tragfähiges Zukunftskonzept für das Krankenhaus erarbeitet, das zudem die Bedürfnisse der Bevölkerung gut abdeckt", ist Verwaltungsleiter Lothar Beger überzeugt.

Im Gespräch mit der RNZ stellen er und Hardheims Bürgermeister Stefan Grimm drei wesentliche Bausteine dieser Vision vor und warnen zugleich vor allzu großen Verzögerungen bei der Umsetzung. "Wenn wir nur abwarten und nichts tun, fährt das ganze Ding gegen die Wand", warnt der Verwaltungsleiter.

Damit es nicht so weit kommt, haben Beger und Grimm zum Rundumschlag ausgeholt. Gemeinsam mit vier weiteren Kommunen, die dem Zweckverband angehören, möchten sie ein medizinisches Versorgungszentrum etablieren und betreiben, die Ambulantisierung forcieren sowie die beiden Bettenstationen des Krankenhauses füllen. Diese Pläne stellten sie am Mittwoch in einer erweiterten Mitarbeiterversammlung nicht nur den Angestellten des Krankenhauses, sondern auch den Ärzten und Praxen vor, die einen Bezug nach Hardheim haben.

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Medizinisches Versorgungszentrum

Letztere sind laut Beger aufgerufen, dem geplanten medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) beizutreten. Davon verspricht er sich nicht nur für die Bürger eine bessere ärztliche Versorgung, sondern auch Vorteile für die Einzelpraxen. "Wer mitmacht, kann seine administrative Belastung erheblich reduzieren", erklärt der Verwaltungsleiter.

Beger zufolge ermöglicht die Kooperation den Ärzten, sich auf ihre Berufung zu konzentrieren: nämlich anderen Menschen zu helfen. Business-Pläne, Buchhaltung, Steuern, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Patientendatenverwaltung, die allesamt zum Arbeitsalltag eines selbstständigen Mediziners gehören, kann in einem MVZ eine zentrale Stelle übernehmen.

Kosteneinsparungen sind noch dazu möglich, wenn die Praxen Ressourcen wie Medizintechnik, Räume und Personal gemeinsam nutzen. Kurze Wege zwischen verschiedenen Fachrichtungen sind ein weiterer Vorteil.

Hauptpunkt aber – und das betont auch Bürgermeister Grimm – ist die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die eigene Praxis trage eher nicht zu einer gesunden Work-Life-Balance bei. "Und seien wir doch mal ehrlich: Die Hausärzte, die rund um die Uhr und auch samstags und sonntags für ihre Patienten bereitstehen, sind eine aussterbende Rasse", meint Grimm.

Er ist fest davon überzeugt, dass junge Mediziner bereitwillig auf einen möglichen Mehrertrag der eigenen Praxis verzichten, wenn sie dafür Freizeit gewinnen und gleichzeitig Verantwortung und Risiko abgeben können.

"Viele Ärztinnen und Ärzte scheuen den Gang in die Selbstständigkeit", weiß Beger. Er bemerkt in der Ärzteschaft einen Trend hin zur Teilzeit, Elternzeit stehe ebenfalls hoch im Kurs. Ein MVZ, in dem beliebig viele zugelassene Ärzte im Angestelltenverhältnis arbeiten können, lässt ihm zufolge solche flexiblen Arbeitszeitmodelle zu.

Dass diese Anreize ausreichen, um neue Mediziner ins Erftal zu locken, ist Lothar Begers Hoffnung. Klassische Methoden wie das Headhunting hätten dagegen zuletzt selten zum Erfolg geführt. "Wir haben keinen riesigen Pool an Ärzten. Da macht es sich schnell bemerkbar, wenn wir einen Sitz nicht nachbesetzen können."

2022 war das zum Beispiel bei der Verabschiedung von Internist Dr. Andreas Mövius der Fall. Seine Kollegen Thomas Schwender und Dr. Albrecht Rottmann mussten die Praxis alleine weiterführen und seine Patienten übernehmen. Im Zuge des Ausscheidens von Dr. Herbert Schmid Ende 2021 fand sich ebenfalls kein Nachfolger.

"Die Belegärzte resignieren bei der Suche", weiß Grimm, der überzeugt ist: "Mit dem MVZ hätten wir bessere Chancen, aber ein Selbstläufer wird es nicht. Wir müssen aktiv Ärzte anwerben!"

Ihm ist es wichtig zu betonen, dass ein MVZ weder mit den bestehenden Belegpraxen noch mit dem Krankenhaus selbst konkurriere: "Es steht neben dem Krankenhaus, für die Angestellten ändert sich nichts." Im Gegenteil: Die zusätzlichen Ärzte sollen das Krankenhaus besser bespielen und für eine höhere Auslastung sorgen.

Zudem ließe sich so die Last des Bereitschaftsdiensts auf weitere Schultern verteilen. Die rechtliche Grundlage für die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums existiert laut Beger bereits. Für die Trägerschaft des MVZ möchte er eine kommunale Genossenschaftsstruktur aufbauen.

Ambulantisierung

Als weiteren Baustein des Zukunftskonzepts nennt der Verwaltungsleiter die Ambulantisierung. Den Trend weg von stationären Operationen gibt es ohnehin, und die Politik forciert ihn zusätzlich – das Hardheimer Krankenhaus muss sich jedoch noch an diese veränderte Realität anpassen. "Wir haben gut ausgestattete OPs, 2000 bis 3000 Fälle pro Jahr sind bei uns ambulant leistbar", legt Verwaltungsleiter Beger fest, wo die Reise hingehen soll.

Die OP-Säle des Krankenhauses sind gut ausgestattet und erlauben bis zu 3000 Eingriffe im Jahr. Langfristig könnte Hardheim zu einem ambulanten OP-Zentrum werden. Foto: Janek Mayer

Langfristig will er in Hardheim ein ambulantes OP-Zentrum aufbauen, das auch außenstehende Ärzte für Eingriffe nutzen können. "Die Nachsorge könnten wir dann selbst anbieten", sagt er. Völlig neu ist das Konzept nicht. In der Vergangenheit gab es immer wieder Gastoperateure am Hardheimer Krankenhaus. Beger würde diese Idee gerne weiter vorantreiben, aber noch bremst der Gesetzgeber.

Bis der Bundesrat voraussichtlich am 22. November eine Entscheidung trifft, "hängen wir in der Luft". Doch egal wie das Verfassungsorgan der Länder in der kommenden Woche entscheidet – für Stefan Grimm fest: "Wir wollen ein echtes Krankenhaus bleiben, halten also auch an stationären OPs fest."

Planbetten füllen

Ebenfalls noch auf wackligen Füßen steht ein möglicher Plan, die beiden Bettenstationen des Krankenhauses mit ihren 51 Planbetten zu füllen. "Wir würden gerne die stationäre Nachsorge für Patienten übernehmen, die sich zum Beispiel an der Uniklinik in Heidelberg haben operieren lassen", erklärt Beger. Die großen Häuser würden damit ihre Betten schneller wieder frei bekommen, während Patienten aus der Region nach ihrer OP wohnortnah versorgt wären, bevor sie nach Hause zurückkehren können.

Denkbar wäre außerdem, eine Übergangs- oder Kurzzeitpflege anzubieten. "Wir könnten unser Personal und unsere Betten nutzen, um Patienten, um die sich zuhause niemand kümmern kann, eine Überbrückung zu ermöglichen, bis sich für sie ein Pflegeplatz in einem Heim auftut", erklärt Bürgermeister Grimm den Gedanken.

Dafür muss man in Hardheim aber noch die gesetzliche Entwicklung abwarten, warnt Beger: "Nach dem jetzigen Gesetzesstand würden wir sonst unseren Status als Krankenhaus verlieren. Und das wollen wir natürlich nicht."

Ohne solche neuen Ansätze – da ist sich Grimm sicher – wird es schwer, die Klinikbetten auszulasten. "Unsere Chirurgen arbeiten am Limit, aber sie bekommen die Betten trotzdem nicht voll", weiß er. Einen extremen Einbruch bei den Fallzahlen beobachtete Lothar Beger seit der Corona-Pandemie. So habe sich die stationäre Auslastung im Vorjahr gegenüber dem Jahr 2017 halbiert.

Fazit

"Die Teilnehmer der Versammlung haben das Konzept positiv aufgenommen", erklärt Lothar Beger auf Nachfrage der RNZ. Die grobe Richtung stimmt, ist Bürgermeister Stefan Grimm überzeugt, schränkt aber gleichzeitig ein: "Wir haben noch nicht für alles Antworten – vieles steht noch unter Vorbehalt."

Die Mitarbeiter sollen nun in Arbeitsgruppen weitere Details klären und die Vision für das Hardheimer Krankenhaus mit Leben füllen. "Wir sind überzeugt, dass es ein gangbarer Weg ist, um das Haus in eine gute Zukunft zu führen", so Beger.

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