Neue Straßennamen für Heidelberger US-Flächen: Warum Patrick Henry verschwinden soll

Die "Bürger für Heidelberg" suchen neue Straßennamen für die ehemaligen US-Flächen - Interessante Auswanderer und Jazz-Größen finden sich unter den Namenspaten

09.11.2015 UPDATE: 10.11.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Patrick Henry, nach dem diese Siedlung benannt ist, war nicht nur US-Freiheitsheld des späten 18. Jahrhunderts, sondern auch ein Sklavenhalter. Einen solchen Namensgeber halten die "Bürger für Heidelberg" heute für untragbar. Foto: Kay Sommer

Von Birgit Sommer

Was bleibt, wenn die amerikanischen Streitkräfte aus Heidelberg abziehen? Und was müsste man ändern? Der Verein "Bürger für Heidelberg" hat sich einen ganz besonderen Aspekt herausgesucht: die Straßennamen auf den ehemaligen US-Flächen.

Der Jurist Abraham de Wolf hat sich dafür einige Monate lang mit Interesse und Freude in das Thema hineingekniet. Daraus entstand eine Broschüre mit Diskussionsvorschlägen: "You name it". Die Namen sollten, so findet de Wolf, die Verbundenheit der Heidelberger mit den Amerikanern ausdrücken. Doch nicht jeder Held, dem die Amerikaner selber eine Straße widmeten, hielt seinen Recherchen stand.

Das fängt beim Wohngebiet Patrick Henry Village (PHV) an. Der herausragende Politiker der amerikanischen Revolution ("Give me liberty or give me death") wollte, so de Wolf, als Miteigentümer einer großen Plantage und Sklavenbesitzer die Zustimmung des Bundesstaates Virginia zur Verfassung der Vereinigten Staaten von 1788 verhindern. "Die Sklaverei war ihm darin nicht genügend geschützt", erklärt de Wolf. Deshalb wollen die "Bürger für Heidelberg" das durchgrünte, locker bebaute PHV-Areal lieber zur "Gartenstadt" machen. Auch der Park neben dem künftigen Mark-Twain-Center dürfe nicht den Namen Patrick Henrys tragen, meinen sie.

Das bisherige Hauptquartier Campbell Barracks dagegen soll seinen seit 1948 gültigen Namen behalten. Staff Sergeant Charles L. Campbell war bei der Überquerung des Rheines 1945 durch einen deutschen Pistolenschuss getötet worden. Auch der Name Mark Twain ist unverfänglich und trägt zudem dem gewünschten Bezug zu Heidelberg Rechnung, das der Schriftsteller 1878 besuchte. Im Quartier Mark Twain Village will man auch die Namen von Carl Schurz, Elsa Brandström, Astor und Mark Twain für die Straßen beibehalten.

Viele Bezeichnungen, die man nur versteht, wenn man sich in amerikanischer Militärgeschichte auskennt, würde Abraham de Wolf gerne gegen solche von Deutschen in der amerikanischen Geschichte und Gesellschaft tauschen. "Es ist total faszinierend, wie viele interessante Leute es in der Region gab, die nach Amerika ausgewandert sind", sagt de Wolf.

Etwa Thomas Nast aus Landau, der Vater der amerikanischen politischen Karikatur (und des Santa Claus). Er kippte den korrupten Bürgermeister von New York aus dem Amt. Oder der Heidelberger David Ziegler, 1802 erster Bürgermeister von Cincinnati, einer heute noch von Deutschen geprägten Stadt, und Mathilde Anneke, eine der führenden Persönlichkeiten der amerikanischen Frauenbewegung. Dazu der Sinsheimer Franz Sigel, ein Anführer der badischen Revolution und später Lincolns General im amerikanischen Bürgerkrieg, und der Speyerer Heinrich Hilgard (Henry Villard), Kriegsberichterstatter, Präsident mehrere Eisenbahn- und Schifffahrtsgesellschaften in Amerika und 1890 zusammen mit Edison Gründer der General Electric Company. Auch Hannah Arendt hätte Abraham de Wolf gerne eine Straße in Heidelberg gewidmet, die jüdische Denkerin hatte schließlich ihre Doktorarbeit bei Karl Jaspers in Heidelberg geschrieben.

Was Amerika Deutschland brachte, soll ebenfalls in Straßennamen verewigt werden: der Jazz. Konzertveranstalter Fritz Rau konnte Weltstars in der 50er Jahren bei ihren Auftritten in Frankfurt zu einem Abstecher ins Heidelberger "Cave" bewegen: Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Dizzy Gillespie, Oscar Peterson und Lionel Hampton. Mit "Enjoy Jazz" kamen später die inzwischen verstorbenen Ornette Coleman und Charlie Haden. Dazu schlägt Abraham de Wolf noch populäre Musikerinnen und Sängerinnen vor wie Mamie Smith, Billie Holiday, Dinah Washington oder Nina Simone.

Spätestens jetzt weiß man: Jazz ist auch seine Musik. Die erste Schallplatte, die der Jurist in seiner Jugend erwarb, war "Time Out" von Dave Brubeck aus dem Jahr 1959.

Info: Der Verein "Bürger für Heidelberg" und Abraham de Wolf stellen die Broschüre "You name it" am Mittwoch, 11. November, 19 Uhr, in der Gedok-Galerie, Römerstraße 22, vor.

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