Ministerium lehnt Zulassung von G9-Volksbegehren ab
Einem Volksbegehren für eine breitere Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium hat das Innenministerium eine Absage erteilt. Die scharfe Kritik folgte auf dem Fuß – und bleibt nicht unbeantwortet.

Stuttgart. (dpa) Nach der Absage des Innenministeriums an ein Volksbegehren für eine breit angelegte Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium hat Minister Thomas Strobl Kritik zurückgewiesen. "Diese Entscheidung ist eine Entscheidung, die auf Rechtsgründen beruht und auf sonst gar nichts. Der Maßstab ist die Landesverfassung, und die gilt und ist zu beachten", sagte der CDU-Politiker in Stuttgart.
Das Innenministerium hatte die Zulassung des Volksbegehrens am Montag abgelehnt. Die Durchführung eines solchen Begehrens ist demnach nicht verfassungskonform. Das liege unteren anderem an den erheblichen Kosten, die der Gesetzentwurf im Fall einer Zustimmung bei einer Volksabstimmung verursachen würde.
Zudem hätten in der Gesetzesbegründung die Kosten konkret als Geldbetrag genannt werden müssen. Die Antragsteller können gegen die Entscheidung des Ministeriums innerhalb von zwei Wochen vor den Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg ziehen.
An der Entscheidung des Ministeriums übten die Initiatoren scharfe Kritik. Man sei erstaunt über die inhaltliche Prüfung durch das Innenministerium. Die Ablehnung sei nicht nachvollziehbar, weil das Ministerium nur über formelle Gründe und die Einhaltung der Frist zu entscheiden habe. "Damit überschreitet das Innenministerium deutlich seine Kompetenzen", kritisierten die Initiatoren. Zudem habe das Innenministerium bei den Kosten das jeweils ungünstigste Szenario berechnet, so die Kritik.
Auch die Opposition kritisierte die Ablehnung des Volksbegehrens. Innenminister Strobl missachte damit den klaren Willen der Menschen, sagte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, Timm Kern.
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Der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei forderte die Landesregierung auf, trotz der Ablehnung nicht auf Durchzug zu schalten. "Egal zu welchem juristischen Schluss das Innenministerium kommt, die Frage ist weiterhin, wie die älteren Jahrgänge im achtjährigen Gymnasium entlastet werden können", sagte Fulst-Blei.
Update: Dienstag, 23. Juli 2024, 15.15 Uhr
Ministerium lehnt Zulassung von G9-Volksbegehren ab
Stuttgart. (dpa) Eine Elterninitiative für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium steht mit ihrem Vorhaben eines Volksbegehrens für eine G9-Möglichkeit für alle Klassen womöglich vor dem Aus. Das Innenministerium in Stuttgart hat eine Zulassung abgelehnt, weil die Durchführung des geplanten Volksbegehrens nicht verfassungskonform sei. Zudem sei der Antrag unzulässig, weil ihn nicht die dazu berechtigen Vertrauensleute des vorangegangenen Volksantrags gestellt hätten, hieß es.
Zwar haben die Antragsteller laut der Mitteilung die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Ministeriums innerhalb von zwei Wochen den Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg anzurufen. Die Frage der Legitimation dürfte es ihnen aber schwer machen. Vertreter des Volksbegehrens "G9 jetzt! BW" kündigten eine Reaktion im Laufe des Abends an.
G9 ist im Moment nur Modellprojekt
Eine Elterninitiative kämpft für eine G9-Möglichkeit für alle Klassen. Mit dem Volksbegehren wollen die Eltern erreichen, dass alle Schülerinnen und Schüler am Gymnasium ab 2026 die Möglichkeit bekommen, das Abitur in neun Schuljahren zu absolvieren.
Derzeit ist in Baden-Württemberg das achtjährige Gymnasium Standard. G9 gibt es nur als Modellprojekt an 44 staatlichen Schulen und an einigen Privatschulen.
Die grün-schwarze Koalition hatte sich im April auf Vorschläge für grundlegende Reformen geeinigt. Unter anderem soll G9 demnach zum Schuljahr 2025/2026 eingeführt werden – jedoch zunächst nur für die Klassen fünf und sechs. Die Gymnasien sollen zudem die Option erhalten, G8-Züge anzubieten – allerdings ohne dafür zusätzliche Mittel zu bekommen.
Das Volksbegehren setzt auf einem Volksantrag auf, der mehr als 100.000 Stimmen bekommen hat. Dadurch seien die notwendigen 10.000 Unterschriften für die Beantragung des Volksbegehrens gesammelt, hatte das Organisationsteam bei der Übergabe der Unterlagen für das Volksbegehren erklärt. Den Volksantrag hatte der Landtag im April abgelehnt. Dessen Initiatorinnen sind nicht mehr Teil des Teams um das Volksbegehren. Genau hierin sieht das Innenministerium einen Verstoß gegen das Volksabstimmungsgesetz.
Kosten nicht explizit berücksichtigt
Ferner hält es die Durchführung des Volksbegehrens unter anderem deshalb für verfassungswidrig, weil der zugrunde liegende Gesetzentwurf im Fall einer Zustimmung bei einer Volksabstimmung erhebliche Kosten verursachen und das Haushaltsgleichgewicht sowie die Budgethoheit des Parlaments wesentlich beeinflussen würde. Für die Umsetzung wäre demzufolge allein von Personalkosten in Höhe von rund 375 Millionen Euro jährlich auszugehen. Nach der Landesverfassung dürften aber infolge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Volksbegehren und Volksabstimmungen über das Staatshaushaltsgesetz stattfinden, erläuterte das Ministerium hierzu.
Zudem hätten in der Gesetzesbegründung die Kosten konkret als Geldbetrag genannt werden müssen. "Stattdessen wurde ausschließlich eine Darstellung des Aufwands in Deputaten vorgenommen", hieß es. Diese genüge den Anforderungen an die sogenannte Bestimmtheit der Gesetzesbegründung bei Volksbegehren nicht, die der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg in einer früheren Entscheidung gestellt habe.
Für ein Volksbegehren müssten die Eltern rund 770.000 Unterschriften sammeln.