G9 kommt zurück - aber wie?
Die Grünen luden zur Diskussion mit Experten: Heidelberg braucht eventuell ein zusätzliches Gymnasium.

Von Markus Wiedemann
Heidelberg. So, wie es aktuell an den Schulen in Baden-Württemberg läuft, kann es nicht weitergehen. Das jedenfalls scheint allgemeiner Tenor zu sein – weshalb die Landesregierung beschlossen hat, das neunjährige Gymnasium (G9) wieder einzuführen. Damit wird die Forderung eines Bürgerbegehrens und darauffolgenden Bürgerforums umgesetzt.
Damit sich die Bürger weiterhin an der Umsetzung beteiligen können, haben Florian Kollmann, Kreisvorsitzender der Grünen in Heidelberg, und Theresia Bauer, Grüne Landtagsabgeordnete, eine öffentliche Diskussion veranstaltet. Als Experten beteiligten sich Volker Nürk, Schulleiter des Bunsengymnasiums und geschäftsführender Schulleiter der Heidelberger Gymnasien, sowie Katja Kranich, Bildungsinnovatorin, Schulleiterin des Stromberg-Gymnasium in Vaihingen und Mitglied im Innovationsnetzwerk "Deeper Learning", an der Diskussion. Das Interesse am Thema war groß: Trotz Dauerregen kamen viele Eltern und Lehrer zu der Veranstaltung im Bürgerhaus in der Bahnstadt. Unter ihnen war auch Anja Plesch-Krubner, eine der Initiatorinnen der Elterninitiative "G9 Jetzt", die mit über 100.000 Unterschriften die Rückkehr zu G9 angestoßen hatte.
"Das Bedürfnis nach Reform wurde sehr deutlich an die Politik herangetragen", versicherte Bauer zu Beginn der Veranstaltung. Deshalb sei es nun notwendig, möglichst schnell zu einem Konsens zu kommen, der verlässlich und klar ist. Wichtig sei, betonte Bauer, dass es nicht um ein Zurück zum alten G9 der 90er-Jahre gehe, sondern um ein neues Modell, das den Herausforderungen der Gegenwart gewachsen sei.
Volker Nürk äußerte sich der Entwicklung gegenüber positiv: "Ich persönlich begrüße G9, am liebsten so schnell wie möglich." Das achtjährige Gymnasium sei in dem Vorhaben, verantwortungsvoller mit der Zeit der Kinder umzugehen, gescheitert. Jedoch würden die Ressourcen knapp, wenn es durch eine längere Schulzeit mehr Schüler gebe. So mangele es an Räumlichkeiten und Personal. Ein Problem, das man aber handhaben könne, da nicht auf einen Schlag ein Jahrgang mehr an den Schulen sei, sondern erst in acht Jahren. Er appellierte an die Politik, dass sie den Schulen weiterhin Freiräume lassen solle. In jedem Fall, sagte Nürk, wäre mehr Zeit für die Kinder wünschenswert.
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Dass die begrenzten Ressourcen schon ein Thema bei der Kommunalpolitik seien, versicherte Kollmann. Mit einer Übergangsquote von der Grundschule aufs Gymnasium von circa 70 Prozent sei klar, dass Heidelberg viel Platz an den Gymnasien brauche. "Wir müssen darüber nachdenken, ob Heidelberg ein weiteres Gymnasium braucht", sagte er.
Katja Kranich erklärte, dass sich seit der Pandemie die Probleme und die Stimmung an den Schulen verändert hätten. "In einem neuen Normal brauchen wir neue Strategien an den Schulen", machte sie klar. Den alten Lehrplan zu strecken, sei nicht die Lösung, denn man habe nicht die alten Probleme. Man müsse Schule strukturell neu denken. Dem Stress der Schüler dürfe man nicht nur mit mehr Stunden, sondern auch mit einem anderen Angebot entgegentreten.
Auch aus dem Publikum wurden Forderungen an ein neues Schulsystem herangetragen: Die Änderung müsse schnell passieren, den Kindern müsse mehr Zeit für Hobbys wie Sport und Musik gegeben werden, und der Informatik- und Digitalunterricht müsse angepasst werden – nicht nur für die Schüler, sondern auch in der Ausbildung der Lehrer. Ob es für die Schüler, in deren Schulzeit die Pandemie fiel, eine Möglichkeit gäbe, die Schulzeit zu verlängern, wollten einige Eltern wissen. Dies sei schulrechtlich jedoch schwer, ordnete Kranich ein. Um den Schülern den Stress zu nehmen, hätten Lehrer jedoch auch andere Möglichkeiten. So habe sie ihren Lehrern angeordnet, direkt nach den Lockdowns keine Klassenarbeiten zu schreiben, erzählte sie.
Wann die Rückkehr passieren soll? Frühestens im übernächsten Schuljahr, waren sich Nürk und Kranich einig. Denn auch Bauer plädierte dafür, dass die Reformen gut ausgearbeitet und verlässlich sein müssten.