Nachruf auf Annelie Wellensiek
Wellensiek starb mit knapp 57 Jahren. Was sie tat, tat sie mit Freude.

Annelie Wellensiek, wie sie die meisten in Erinnerung behalten werden: als Powerfrau, mit viel Charme. Archiv-Foto: Stefan Kresin
Von Ingrid Thoms-Hoffmann
Es gab auch in den letzten Monaten Momente im Leben der Annelie Wellensiek, in denen sie einfach selig war. Einer dieser Momente war der Liederabend in der Stadthalle. Beim Heidelberger Frühling gastierten am 1. April Thomas Hampson und Thomas Quasthoff. Da war bei ihr wieder dieses Strahlen, diese Freude, mit der sie die Menschen verzaubern konnte.
Es sollte ihr letzter Auftritt in der großen Öffentlichkeit sein. Am Sonntag ist Annelie Wellensiek gestorben. Im August wäre sie 57 Jahre alt geworden.
Wer war diese Frau an der Seite von Jobst Wellensiek? Zu seinem 80. Geburtstag vor knapp vier Jahren sagte Deutschlands größter Insolvenzverwalter, dass ihn seine "junge, zweite Frau fit" halte. 25 Jahre lang führten die beiden eine glückliche Ehe. Aber Annelie Wellensiek (ihren eigentlichen Vornamen Anneliese mochte sie nicht so gerne) war nicht die Frau an irgendjemandes Seite, sondern sie stand für sich. Als Persönlichkeit, als Erziehungswissenschaftlerin, als PH-Rektorin (siehe unten stehenden Bericht), als politisch denkender Mensch.
Als sie zu ihrem Mann nach Heidelberg kam, da gab sie schweren Herzens ihren guten Job als Wissenschaftlerin in Hamburg auf - wäre ihr Jobst in den Norden gezogen, sie wäre nie die Retterin der Pädagogischen Hochschule geworden. Dieses Umfassende, Integrierende, Herzliche, von dem auch die große Familie Wellensiek profitierte, dies war auch ihre Art, sich im Berufsleben zu behaupten.
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Und da kam noch etwas dazu: Loyalität. Wie loyal sie sein konnte, das wurde spätestens bei der letzten Heidelberger OB-Wahl ganz offensichtlich. Da hatten ihr im Vorfeld die Grünen die Kandidatur angetragen. Annelie Wellensiek lehnte ab. Nicht weil ihr die politische Richtung nicht gefiel, ganz im Gegenteil.
Aber es gab einen wichtigen Punkt, der sie Nein sagen ließ. "Das kann ich meinem Freund Eckart Würzner nicht antun", hatte sie damals im RNZ-Gespräch gesagt. Dabei wären ihre Chancen gar nicht schlecht gewesen. Über die Frage, ob sie sich wirklich diesem Knochenjob aussetzen wolle, musste sie nur lachen.
Harte Arbeit hat sie noch nie gescheut. Was sie aber immer mit Arbeit verband, das war die Freude. Und mit Freuden wäre sie auch noch die nächsten Jahre Rektorin geblieben, mit Freuden hätte sie auch weiter den Vorsitz des Freundeskreises des Heidelberger Frühlings innegehabt, wo ihr großes Anliegen immer der "Dialog mit allen Bevölkerungsschichten" war. Und das sagte sie nicht nur, das lebte sie. Klassenunterschiede gab es bei ihr keine.
Es sollte alles ganz anders kommen, als vor etwa zwei Jahren die schreckliche Diagnose kam: Krebs. Was wieder für diese ungewöhnliche Frau sprach: Sie ging ganz offensiv mit ihrer Krankheit um. Schrieb Rundbriefe an die vielen Freunde, die sich natürlich sorgten. Und sie kämpfte.
Nein, unterkriegen ließ sie sich nicht. Sobald ihr Zustand es ihr erlaubte, ging sie in ihr Büro, nahm an Veranstaltungen teil. Manches Mal musste sie spontan absagen. Noch im Frühjahr hatte sie mit der Familie einen Urlaub in Südfrankreich geplant. Doch dann war sie zu schwach.
Annelie Wellensiek liebte das Leben, die schönen und die harten Seiten. Und für sie war es eine große Beruhigung, dass sie wusste, dass ihr Mann, sollte sie vor ihm gehen müssen, im Kreis seiner Kinder, Schwiegerkinder und Enkel gut aufgehoben sein würde. Es fällt unendlich schwer, diese so energiegeladene, fröhliche und kluge Frau loszulassen.
Weitere Stimmen und Nachrufe:
Theresia Bauer, Wissenschaftsministerin: Der Tod von Annelie Wellensiek erschüttert mich und macht mich zutiefst traurig. Mit Annelie Wellensiek verliert das Land eine ungewöhnlich engagierte und erfolgreiche Rektorin. Mit ihrer Energie, ihrer Zuversicht und ihrem Ideenreichtum hat sie die Menschen um sie herum immer wieder angesteckt und zur Zusammenarbeit motiviert. Sie wird in Heidelberg eine schmerzliche Lücke hinterlassen. Aber nicht nur das. Sie hinterlässt auch innovative Projekte, die weit in die Zukunft wirken und über sie hinaus Bestand haben: allen voran die School of Education, die demnächst ihre Tore öffnen wird. Unvergesslich für mich persönlich bleiben die vielen guten Gespräche, in denen wir gemeinsam weiterdenken, die Dinge gegen den Strich bürsten, Neues auf den Weg bringen konnten. Ihre Lebensfreude, ihre produktive Unruhe und ihr Humor waren so wertvoll für mich. Dafür bin ich ihr dankbar. Der Hochschule und ganz besonders ihrer Familie wünsche ich viel Kraft.
Oberbürgermeister Eckart Würzner: Ich bin tief betroffen. Ich habe mit Annelie Wellensiek oft persönlich zusammengearbeitet und ihre immer offene und konstruktive Art sehr geschätzt. Als Rektorin der PH hat sie für unsere Stadt eine herausragende Rolle gespielt und sich weit über den Hochschulbetrieb hinaus engagiert. Sie setzte als Mitglied im Stiftungskuratorium wichtige Impulse beim Heidelberger Frühling und begleitete intensiv die Entwicklung des Explo zum außerschulischen Lernort. Heidelberg hat eine prägende Person verloren. Unsere Gedanken sind bei ihrem Ehemann und der Familie.
Bernhard Eitel, Rektor der Universität: Die Universität verliert mit Annelie Wellensiek nicht nur eine herausragende Persönlichkeit und eine hochgeschätzte Alumna, sondern auch eine Kooperationspartnerin, deren mutiger Einsatz wesentlich dazu beigetragen hat, dass Uni und PH in der Lehrerbildung künftig einen gemeinsamen Weg verfolgen werden. Heidelberg zu einem Exzellenzzentrum der Lehrerbildung weiterzuentwickeln, war ihr eine Herzensangelegenheit.
Thorsten Schmidt, Intendant "Heidelberger Frühling": Wir alle - die Mitglieder des Freundeskreises, die Vertreter der Stiftung wie auch das gesamte Team des Frühlings - trauern um Annelie Wellensiek. Sie gestaltete die Zukunft des Festivals mit, als Vorsitzende des Freundeskreises hat sie sich voller Energie, Einfallsreichtum und strategischem Sachverstand für eine weltoffene und bürgernahe Musikstadt Heidelberg eingesetzt. Als Freundin stand sie mir persönlich und vielen unter uns nahe: Ihr Humor, ihre Menschlichkeit, ihre Liberalität, ihre Großzügigkeit und ihr schaffensfroher Optimismus werden uns sehr fehlen.
Hannah Mitsch und Mirko Moll, Vorstand der PH-Studierendenschaft: Annelie Wellensieks offene und zugewandte Art wird uns fehlen. Sie verkörperte die Politik des Gehörtwerdens mit Leib und Seele, hatte daher immer ein offenes Ohr für unsere Wünsche und Bedürfnisse, und sie setzte sich für die Studierenden ein, wenn diese Hilfe benötigten.
Gerhard Härle, Prorektor für Studium und Lehre: Annelie Wellensiek war ein außergewöhnlicher Mensch mit großer Innovations- und Visionskraft. Ihre Ziele, Heidelberg als Ort exzellenter Lehrerbildung zu etablieren und Bildungsgerechtigkeit zu fördern, verfolgte sie mit Leidenschaft. Ich weiß mich auch zukünftig der von ihr begonnenen Arbeit mit großer Dankbarkeit verpflichtet.
Bernward Lange, Prorektor für Forschung und Internationalität: Unsere Rektorin und mich verbindet die Überzeugung, dass die bildungswissenschaftliche und fachdidaktische Forschung von enormem Wert für die Qualität unserer Lehrerbildung und die Zukunft unserer Gesellschaft ist. Ihre Willens- und Durchsetzungskraft hat mich immer wieder beeindruckt.
Christoph Glaser, Kanzler der PH: Mit Annelie Wellensiek verlieren wir eine tolle Persönlichkeit, die sich durchzusetzen wusste, ihren Gesprächspartnern aber stets großen Respekt und Anerkennung entgegenbrachte. Sie wird uns sehr fehlen.



