Galeria Kaufhof Karstadt

Wieso Heidelberg zwei Kaufhaus-Filialen hat

Dass beide so nah beieinanderliegen, hat historische Gründe. Die bewegte Geschichte der Kaufhäuser zählt mehr als 100 Jahre.

25.11.2022 UPDATE: 25.11.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 30 Sekunden
Das Kaufhaus Horten ist der Vorgänger vom Kaufhof: 1961 eröffnete es am Bismarckplatz. Typisch sind die unverkennbaren „Horten-Kacheln“ von Egon Eiermann. 2000 werden Horten Galeria und die Kaufhof Warenhaus AG verschmolzen Foto: Stadtarchiv

Von Julia Schulte

Heidelberg. Die Meldung trifft hart: Galeria Kaufhof Karstadt hat – zum zweiten Mal binnen zwei Jahren – Insolvenz angemeldet. Ende Oktober kündigte Galeria-Chef Miguel Müllenbach an, dass mindestens jede dritte der bundesweit 131 Filialen schließen müsse.

In Heidelberg gibt es gleich zwei Kaufhof-Filialen im Abstand von nicht einmal 200 Metern – die Befürchtung liegt nahe, dass es mindestens eine treffen wird.

Dass beide so nahe beieinander liegen, ist historisch bedingt: Während in der Hauptstraße in den 50ern zunächst eine Kaufhof-Tochter und dann Kaufhof einzog, war am Bismarckplatz ein Horten-Kaufhaus beheimatet – bevor der Kaufhof-Konzern die Horten AG 1994 aufkaufte.

Der ältere der beiden Heidelberger Kaufhöfe ist also jener in der Hauptstraße 30. Bereits 1906 eröffnet dort das erste Großkaufhaus Heidelbergs – von Hermann Tietz, dem Gründer der Hertie-Kette.

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Dessen Neffe Leonhard Tietz wiederum startet schon 1879 mit einem Textilgeschäft in Stralsund, dem viele weitere folgen. 1933 werden die beiden jüdischen Kaufleute von den Nationalsozialisten enteignet – und aus der Leonhard Tietz AG wird die Westdeutsche Kaufhof AG.

In Heidelberg übernehmen 1934 Ernst und Erich Schäfer das Kaufhaus von Hermann Tietz und machen daraus das "Kaufhaus Schäfer". 1958 übernimmt die Kaufhof-Tochter "Anker" das Haus, vier Jahre später wird es in "Kaufhaus Anker" umbenannt. Seit 1968 heißt das Warenhaus in der Hauptstraße offiziell "Kaufhof".

Am Bismarckplatz werden im Herbst 1959 die dortigen Arkaden abgerissen, in nur zwölf Monaten errichtet die Horten AG an ihrer Stelle ein Kaufhaus mit vier Etagen plus Untergeschoss – 7900 Quadratmeter Verkaufsfläche entstehen.

Der Kaufhof in der Hauptstraße 30 ist der ältere der beiden Heidelberger Kaufhöfe. Foto: RNZ

Am 31. August 1961, inmitten des Warenhäuser-Booms, eröffnet das Kaufhaus Horten – als Teil der damals nach Kaufhof, Hertie und Karstadt viertgrößten deutsche Kaufhauskette.

1971 wird das Gebäude aufgestockt – zum Unwillen des Architekten und Begründers der typischen "Horten-Kacheln", Egon Eiermann. Für ihn sprengen die nun sieben Verkaufsgeschosse die Gebäudeproportionen.

Mitte der 80er-Jahre wird das Kaufhaus neugestaltet, die Schaufensterfront und die Eingänge modernisiert. Sein heutiges Gesicht bekommt das Kaufhaus 1988 durch eine Fassaden-Neugestaltung: Eine fast vollständige Glasfront zur Nordseite ersetzt Eiermanns Kacheln. Neu ist damals auch der gläserne Außenaufzug.

Im Januar 1994 wird gemeldet, dass Kaufhof Horten übernehmen will. Im RNZ-Artikel dazu heißt es, dass der Kaufhof-Konzern in jüngster Zeit durch ein atemberaubendes Wachstumstempo beeindruckt habe.

Am 21. Oktober desselben Jahres folgt die Meldung, dass die Kaufhof-Gruppe die Horten-Warenhäuser künftig in ihrem Verbund führen wolle, um die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.

Zum 1. Januar 1995 wird das Horten-Kaufhausgeschäft auf die Horten Galeria GmbH übertragen, die alte Horten AG bleibt als Immobiliengesellschaft erhalten. Erst im Jahr 2000 wird Horten Galeria mit der Kaufhof Warenhaus AG verschmolzen – und das Haus am Bismarckplatz offiziell zu "Galeria Kaufhof".

Auch im Hauptstraßen-Kaufhof tut sich einiges: 1969 wird das dazu gehörende Parkhaus gebaut, 1986 die neue Fassade zur Hauptstraße.

Anfang des gleichen Jahres meldet die RNZ, dass man in dem Haus für sieben Millionen Mark umfangreiche Umstrukturierungen vornehmen möchte, um sich kundenfreundlicher, attraktiver und mit neuem Gesicht zu präsentieren.

Die wohl gewichtigste Neuerung: Die Kaufhof-eigene Lebensmittelabteilung wird geschlossen und an Subunternehmer vergeben. Auch die Teppich-, Gardinen- und Möbelabteilung fällt weg. Zudem sollen die Bereiche Bekleidung, Sport und die Elektroabteilung vergrößert.

Der damalige Geschäftsführer Peter Jühlke sagt, man wolle dem Haus durch das teils geänderte Sortiment und neue Schwerpunkte "mehr Aussage und Attraktivität" geben. Heidelberg sei ein so guter Standort, dass man hier gern investiere, erklärt Jühlke. Denn der Heidelberger Markt sei, verglichen mit anderen Städten, sehr lukrativ.

Eine Konkurrenz zwischen den beiden Häusern bestand offiziell nie. 2008 betont der damalige Geschäftsführer der Hauptstraßen-Filiale, Klaus Grzesista: "Auch wenn Heidelberg zwei Kaufhöfe hat: Die beiden tun sich nicht weh." Beide Filialen pflegten ein gutes Verhältnis, so Grzesista. Zudem schreiben damals beide Häuser schwarze Zahlen.

Auch 2017 berichtet die RNZ im Rahmen eines Gesprächs mit dem damaligen Bismarckplatz-Filialchef Hannes Schmidt von Gewinnen in beiden Filialen. Schmidt erklärt, dass nach der Schließung der "Sportarena" in der Hauptstraße vor allem in der Filiale in der Fußgängerzone das Sportsortiment aufgestockt worden sei.

Schon 2008 hatte man dort eine neue Süßwarenabteilung eingerichtet. Und auch am Bismarckplatz gibt es immer wieder Neuerungen: Die Parfümerieabteilung wächst, es kommen neue Sortimente wie eine Sonnenbrillenabteilung dazu – und aus dem Untergeschoss ziehen Supermarkt, Saftbar und Imbisse aus.

Beide Häuser würden an ihrem Profil arbeiten und eigene Schwerpunkte setzen, heißt es in dem Artikel. Etwa der Sephora-Laden: Die französische Kosmetikkette eröffnet 2017 in der Filiale am Bismarckplatz. Die Unterschiede im Sortiment bestehen bis heute.

Der Niedergang von Galeria Kaufhof und auch des Karstadt-Konzerns, mit dem Kaufhof 2018 fusioniert, beginnt schon in den 80er-Jahren. Doch erst während des ersten Corona-Lockdowns im April 2020 beantragt das Unternehmen ein Schutzschirmverfahren, das bis Ende September desselben Jahres dauert.

Rund 40 Filialen schließen deutschlandweit, mehr als zwei Milliarden Euro Schulden werden gestrichen. Das soll dem Unternehmen einen Neustart ermöglichen. Allerdings tritt das Gegenteil ein: Anfang 2021 und Anfang 2022 muss der Konzern erneut um staatliche Hilfe bitten.

Ende Oktober dieses Jahres dann die erneute Insolvenz, die die rund 80 Mitarbeiter der Kaufhof-Filialen in Heidelberg wieder bangen lässt. Kaufhof hat bislang keine Angaben gemacht, welche Häuser geschlossen werden sollen.

Anfang November erklärt der Onlinehändler "buero.de", 47 Filialen der insolventen Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof übernehmen zu wollen – darunter die am Bismarckplatz.

Bislang gab es jedoch keine Gespräche mit dem Insolvenzverwalter stattgefunden – buero.de-Geschäftsführer Markus Schön versichert aber, sich weiter darum bemühen zu wollen.

Für Heidelberg wären das gute Nachrichten: Denn Schön hat gegenüber der RNZ erklärt, dass er im Falle einer Übernahme alle Mitarbeiter der Filiale halten wolle – und so die Warenhaus-Zukunft in Heidelberg zunächst gesichert wäre.

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