TSG Hoffenheim

Hoeneß zwischen Mittelmaß und Absturzgefahr (Update)

Corona-Alarm, Verletzungsmisere und zehn Niederlagen: Der TSG-Coach durchlebt als Bundesliga-Neuling bei der TSG Hoffenheim schwere Zeiten.

07.02.2021 UPDATE: 08.02.2021 21:30 Uhr 4 Minuten, 36 Sekunden
Personalmangel
Hoffenheims Trainer Sebastian Hoeneß. Archivfoto: Torsten Silz/dpa

Von Achim Wittich

Sinsheim. Adi Hütter hatte am Sonntagabend wieder beste Laune. "Es macht momentan wahnsinnig Spaß", freute sich der Trainer von Eintracht Frankfurt nach dem abgeklärt herausgespielten 3:1 (1:0)-Erfolg bei der TSG Hoffenheim. Hütters Frühlingsgefühle in außergewöhnlichen Wintertagen sind leicht nachvollziehbar. Die Adler aus der Mainmetropole sind weiterhin die erfolgreichste Mannschaft im gerade begonnenen Jahr und machen sich energisch daran, nach Abschluss der Corona-Saison 2020/21 die Berechtigung für einen Champions-League-Auftritt zu erhalten. "Wenn wir so weiter spielen, dann auf alle Fälle", wollte Hütter überhaupt keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass am Frankfurter Stadtwald in naher Zukunft möglichst Real Madrid, Juventus Turin oder Manchester City aufkreuzen sollen.

Gedankenspiele, von denen Sebastian Hoeneß und die Hoffenheimer aktuell nicht einmal zu träumen wagen. Nach der zehnten (!) Niederlage seit dem Rundenauftakt Mitte September hat sich der Dorfklub im grauen Mittelmaß eingenistet und muss höllisch aufpassen, nicht in den Abstiegskampf verstrickt zu werden. Zwar sind die hoffnungslos abgeschlagenen Schalker zweifelsohne nicht mehr zu retten und der selbst ernannte Mainzer Karnevalsverein dürfte nach derzeitigem Stand jeck in Liga zwei abstürzen. Relegationsrang 16 aber ist für "Hoffe" gefährlich nahe. Gerade einmal fünf Punkte trennt die TSG von Aufsteiger Arminia Bielefeld (ein Spiel weniger). Hertha BSC liegt als 15. ebenfalls fünf Zähler hinter den Kraichgauern.

Kein Wunder, dass sich Hoeneß seinen Einstieg als Bundesliga-Coach ganz anders vorgestellt hatte. Von den Amateuren des FC Bayern München im vergangenen Sommer aus der 3. Liga ins Oberhaus aufgestiegen, wollte der gebürtige Münchner – viele Vorschusslorbeeren begleiteten ihn – mit seiner Mannschaft zumindest nicht schlechter abschneiden, als seine Vorgänger Alfred Schreuder und Matthias Kaltenbach in der Spielzeit 2019/20. Der sechste Platz und damit die Qualifikation für die Europa League war also die Vorgabe. Doch dann gab es bei 1899 so viele Corona-Infektionen wie bei keinem anderen Team. Zudem kamen die betreuenden Ärzte bei der Versorgung der verletzten Profis kaum noch hinterher.

Hintergrund

Ordentliche Premiere

So schnell hätte sich Chris Richards (Foto: APF) wohl nicht als Hoffenheimer Bundesligaspieler erwartet. Erst in dieser Woche war der US-Amerikaner von den Amateuren des FC Bayern München in den Kraichgau gewechselt und

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Ordentliche Premiere

So schnell hätte sich Chris Richards (Foto: APF) wohl nicht als Hoffenheimer Bundesligaspieler erwartet. Erst in dieser Woche war der US-Amerikaner von den Amateuren des FC Bayern München in den Kraichgau gewechselt und stand gegen ein Top-Team der Liga bereits in der Startelf von Sebastian Hoeneß. Doch der TSG-Coach kennt Richards aus seiner Zeit bei der "Zweiten" des Rekordmeister eben gut. "Schnell und kopfballstark", so Hoeneß sei der 20-jährige Defensivmann, der ein "ordentliches Debüt" ablieferte. Natürlich traute er sich noch nicht allzu viel zu, seinen Job auf der linken Abwehrseite erledigte er aber abgeklärt.

Frankfurter Luxusproblem

Eintracht-Trainer Adi Hütter konnte es sich leisten, Sturmjuwel Luka Jovic wieder nicht in die Startformation zu beordern. Der Leihspieler von Real Madrid nimmt das noch zähneknirschend hin, dürfte aber demnächst auf einen Einsatz von Beginn an drängen. Diesmal trat Jovic nicht entscheidend in Erscheinung, was auch nicht nötig war. Glücklich kann sich schätzen, wer solche Ersatzkräfte hat. awi

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Das sind Tatsachen, doch die widrigen Umstände, die gebetsmühlenartig von Hoeneß vorgetragen werden, können nicht allein als Grund für eine bis dato verkorkste Runde dienen. Immer wieder beispielsweise muss er eingestehen, dass "wir zu billig Gegentore bekommen". Gegen die Hessen war’s nicht anders. Beim Kopfball zum 1:2 von N’Dicka nach einem Freistoß von Kostic stellten sich die Hoffenheimer Abwehrkräfte dilettantisch an. "Das ist ärgerlich und darf so nicht passieren", kritisierte Hoeneß das Fehlverhalten. Allein: Warum ist er nicht in der Lage, mit der zweifelsohne vorhandenen hohen Spielerqualität die sich beständig wiederholenden Fahrlässigkeiten abzustellen bzw. in ihrer Häufigkeit einzuschränken?

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Nicht viel anders verhält es sich weiter vorne: "Wir haben es leider verpasst, im letzten Drittel die Chancen konsequent zu Ende zu spielen, effizienter zu sein", sagte Torschütze Ihlas Bebou. Auch das ist eine Aussage, die wöchentlich von Hoeneß zu hören ist. Eine Verbesserung dieses Missstandes allerdings lässt bedauerlicherweise auf sich warten.

Ratlos agierte der 38-Jährige gegen den Tabellenvierten an der Seitenlinie und musste erkennen, dass seine Schützlinge nicht oder nur ganz kurz nach dem Ausgleich in der Lage waren, den Gegner in größere Verlegenheiten zu bringen. Gegen Mannschaften vom Kaliber der Frankfurter ist das nicht zu erwarten, aber selbst die 3:0-Siege im Januar bei Hertha BSC und gegen den 1. FC Köln waren keine Folge von attraktivem Fußballspiel, das sie sich bei "Hoffe" auf die Fahne geschrieben haben.

Am Samstag (15.30 Uhr) bei den ebenfalls arg schwächelnden Dortmundern gibt es das Duell der Krisenklubs. Hoeneß und BVB-Interimslösung Edin Terzik sind nicht nur gleich jung, sondern zudem Leidensgenossen. Jede weitere Niederlage schwächt ihre Position trotz der Beteuerungen ihrer Bosse weiter. Wer von beiden hält sich im Haifischbecken der Bundesliga bis Saisonende über Wasser?

Update: Montag, 8. Februar 2021, 21.26 Uhr


Bei der Hoeneß-Elf geht der Blick nach der Pleite gegen Frankfurt nach unten 

Von Achim Wittich

Sinsheim. Die "Mannschaft des Jahres" 2021 war für die TSG Hoffenheim am Sonntagnachmittag mindestens eine Nummer zu groß. Beim 1:3 (0:1) gegen Eintracht Frankfurt ging das Team von Trainer Sebastian Hoeneß verdientermaßen als Verlierer vom Rasen und muss nun das Augenmerk ausschließlich darauf richten, als Tabellenzwölfter den Fünf-Punkte-Vorsprung auf den Relegationsrang nicht weiter schrumpfen zu lassen. Eine bittere Zwischenbilanz für die Kraichgauer nach dem 20. Spieltag.

Sechs Minuten dauerte es in Sinsheim, bis Marco John die erste Duftmarke setzte. Der Schuss des 18-jährigen Talents ging knapp links am Pfosten von Eintracht-Torhüter Kevin Trapp vorbei. Auf der Tribüne hatte übrigens Andreas Köpcke Platz genommen. Der Bundestorwarttrainer konnte sich in der 14. Minute von der hohen Effektivität der Hessen überzeugen. Den ersten viel versprechenden Angriff schloss Turbo-Mann Filip Kostic mit einem präzisen Schuss ins lange Eck von Oliver Baumann zur Führung ab – "Hoffes" Nummer eins brachte die linke Fußspitze nicht mehr rechtzeitig an den Ball.

"Die Europa League ist derzeit nicht so in unseren Köpfen", hatte Christoph Baumgartner vorher der aktuellen sportlichen Realität beim Dorfklub fest in die Augen geschaut. 1899 verfügte trotz eifrigen Bemühens nicht über das Selbstvertrauen, den Champions-League-Aspiranten aus der Stadt der Wolkenkratzer in allzu große Verlegenheiten zu stürzen. Etwas verunsichert wirkte selbst der sonst so standhafte Baumann nach knapp 20 Minuten, doch Silva konnte die sich ihm dadurch ergebende Chance nicht nutzen.

Frankfurts Torschütze Evan Ndicka (2.v.l.) jubelt mit Tuta (l) und Filip Kostic über das Tor zum 1:2. Rechts der Frankfurter Makoto Hasebe. Hoffenheims Andrej Kramaric (2.vr) geht enttäuscht über den Rasen. Foto: dpa

Nach etwas über einer halben Stunde gerieten Kevin Vogt und Andrej Kramaric nach einem folgenlosen Freistoß der Frankfurter aneinander, lieferten sich ein Wortgefecht. Auch Baumann schrie sich die Stimme heißer, versuchte seine Vorderleute zu dirigieren. Zu ruhig jedenfalls ging es bei "Hoffe" auf dem Rasen nicht zu.

Dann wurde Martin Hinteregger zum Grabscher, legte Sebastian Rudy mit einem Griff an den Hals kurzzeitig flach. Der letzte Aufreger kurz vor der Pause (43.), für die der Übeltäter richtigerweise die Gelbe Karte von Schiedsrichter Daniel Siebert (Berlin) vor die Nase gehalten bekam. Nachdenklich schritt Sebastian Hoeneß in die Katakomben, der Gegner hatte bis dato die Angelegenheit sicher im Griff.

Mit einem Doppelwechsel wollte er eine positive Veränderung bewirken. Pavel Kaderabek und Ihlas Bebou kamen für den ehemaligen Frankfurter Mijat Gacinovic und Baumgartner. Hoeneß hatte ein goldenes Händchen. Bebou sprintete kaum auf dem Platz los, ließ alle Kontrahenten uralt aussehen und versenkte das Spielgerät hinter Trapp im Netz. Was für ein feines westafrikanisches Tänzchen des Mannes aus Togo (47.). Belfodil hätte fast nachgelegt (51.).

Doch wie gefestigt die Mannschaft von SGE-Trainer Adi Hütter mittlerweile ist, bewies sie anschließend und machte ihrem Gegner mit einem Doppelschlag frühzeitig den Garaus. Erst köpfte N’Dicka aus 15 (!) Metern nach einem Freistoß von Kostic ein, wobei Köpcke vermerken musste, dass ein Oliver Baumann in Topform den erneuten Rückstand verhindert hätte (62.). Kaum hatte Siebert wieder angepfiffen, köpfte Silva zur Vorentscheidung ein (64.). "Platz vier nach 20 Runden ist schon bemerkenswert", sagte Hütter und meinte auf die Frage nach einer möglichen Qualifikation für die Königsklasse: "Wenn wir so weiter spielen, dann auf alle Fälle."

Davon ist Hoffenheim weiter denn je entfernt. "Wir brauchen uns nicht mit Spitzenmannschaften wie Frankfurt zu vergleichen, das macht keinen Sinn", sagte Hoeneß und monierte wieder einmal "zu einfache Gegentore". Und fast wöchentlich grüßt diesbezüglich das Murmeltier. Selbst eine erneute Europa-League-Qualifikation – das wird der ausgewechselte Baumgartner endgültig erkennen – ist illusorisch.

Am kommenden Samstag (15.30 Uhr) geht es für die Hoffenheimer nach Dortmund. Wer hätte vor der Saison gedacht, dass es dann zum Duell zweier Klubs kommt, die so unendlich weit hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben sind.

Update: Sonntag, 7. Februar 2021, 20.16 Uhr

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