Wo es bei Flick in München knirscht
Vor dem Wiedersehen mit Hoffenheims Coach Hoeneß sind beim FC Bayern die Spannungen zwischen dem Trainer und Salihamidzic Thema.
Von Maik Rosner
München. Es war eine etwas überraschende Bemerkung, denn sie stand im Widerspruch zum eigenen Handeln der Vergangenheit. "Ich bin überhaupt keiner, der vorangeht und sagt: Ich möchte neue Spieler haben", lautete diese Bemerkung, ergänzt von einem "ganz im Gegenteil". Vor rund drei Wochen hatte Hansi Flick sich so geäußert, also fast auf den Tag genau ein Jahr nachdem der Trainer des FC Bayern im Januar 2020 unmissverständlich und öffentlich zwei Verstärkungen gefordert hatte, allen voran einen Rechtsverteidiger. Sportvorstand Hasan Salihamidzic ließ damals im Trainingslager in Katar wissen, er sei "kein Freund medialer Kaderplanung". Ausgeliehen wurde anschließend von Real Madrid Álvaro Odriozola, für den Flick allerdings so gut wie keine Verwendung fand.
Dass Flick, inzwischen Triple-Trainer, im Januar 2021 beim Thema Zugänge öffentlich diametral gegensätzlich auftritt, liegt weniger daran, dass er sich keine Verstärkungen wünschen würde, zum Beispiel weiterhin auf der Position des Rechtsverteidigers. Doch Flick weiß erstens um die Corona-Einbußen im laufenden Geschäftsjahr, die laut Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen rund 150 Millionen Euro betragen dürften. Zudem scheint sich Flick zweitens inzwischen bei vielen delikaten Themen lieber zurückzuhalten. Anfang November hatte er noch deutlich Kritik geäußert am öffentlich zurückgezogenen Vertragsangebot für seinen Abwehrchef David Alaba. Er sei damit "alles andere als glücklich", sagte Flick nach dem damaligen BR-Auftritt von Präsident Herbert Hainer, der mit Salihamidzic abgestimmt war, offenbar aber nicht mit dem Trainer.
Mittlerweile sagt Flick auffallend oft, man bespreche dieses oder jenes Thema intern. Am Freitag, vor dem Ligaspiel gegen Hoffenheim an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky), bezeichnete Flick Alaba und Boateng beinahe demonstrativ als "Stabilisatoren", die derzeit "gesetzt" seien. Weiter nicht im Kader stehen werden Corentin Tolisso und Tanguy Nianzou (beide im Aufbau), zudem fallen Leon Goretzka und Javier Martinez (beide Covid-19) und Ersatztorwart Alexander Nübel (Bänderverletzung im Sprunggelenk) vorerst aus.
Dass vorm Spiel gegen Hoffenheim erneut die Spannungen zwischen Flick und Salihamidzic Thema sind, ist wohl eher kein Zufall. Der Boulevard berichtete sogar, dass Flicks Verbleib über das Saisonende hinaus trotz seines Vertrages bis 2023 "keineswegs sicher" sei. Neben den wiederkehrenden Differenzen mit Salihamidzic sei dafür auch der am Jahresende bevorstehende Rückzug in den Ruhestand von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, Flicks wichtigste Bezugsperson aus der Vereinsführung, ein wesentlicher Grund.
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Zu dieser Themenlage passt auch, dass Hoffenheims Coach Sebastian Hoeneß, Neffe von Uli Hoeneß und in der vergangenen Saison mit dem FC Bayern II Meister der Dritten Liga, als möglicher Münchner Profitrainer der Zukunft gilt. Explizit dankte Hoeneß im Sommer Salihamidzic für die Freigabe. Angesprochen auf eine vielleicht mittelfristige Rückkehr zum FC Bayern, dann als Trainer der ersten Mannschaft, sagte Sebastian Hoeneß nun: "Das ist aktuell sehr weit weg." Er sei zudem "gut beraten, in der Gegenwart zu leben, meinen Job hier gut zu machen". Aber natürlich, ergänzte der 38-Jährige, sei der Job als Chefcoach des FC Bayern "für jeden Trainer ein Traum".
Durch Flicks Zurückhaltung scheint es gerade so, als stimme das nicht uneingeschränkt. Beinahe wirkt es, als setze er die Gesetze der Physik außer Kraft. Reibung scheint in diesem Fall bei ihm eher Kälte als Wärme zu erzeugen. Jüngst sagte er sogar beinahe verständnisvoll, er wisse, wie schwierig es "schon im Sommer" auf dem Transfermarkt gewesen sei. Damals hatte Salihamidzic neben Königstransfer Leroy Sané noch Nübel und Nianzou verpflichtet. Kurz vor der Transferfrist kamen Anfang Oktober zudem Eric Maxim Choupo-Moting, Douglas Costa, Marc Roca und Bouna Sarr. Quantitativ hatte Salihamidzic also geliefert, doch durch die geringen Einsatzzeiten der Zugänge ist deutlich geworden, dass Flick mit der Qualität eher nicht zufrieden ist.