1899 Hofffenheim

Hopp im Fadenkreuz, 80-Meter-Handspiel, Retter Ribeiro

Beim 1:1 der TSG Hoffenheim in Gladbach zeigen die Borussen-Ultras ihre hässlichste Fratze - Brasilianer trifft in der Nachspielzeit

23.02.2020 UPDATE: 24.02.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 4 Sekunden
Rettete seiner Mannschaft in der Nachspielzeit einen Punkt: Der erst kurz zuvor eingewechselte Lucas Ribeiro (r.) köpft zum Ausgleich ein. Foto: APF

Von Achim Wittich

Mönchengladbach. Wenn eine Fußballpartie zur Nebensache wird, läuft irgendetwas falsch. So geschehen am Samstagnachmittag im Borussia Park von Mönchengladbach, wo sich die heimischen Fohlen nach zuvor acht Heimsiegen in Serie und nach insgesamt 102 Spielminuten mit einem für sie enttäuschenden 1:1 (1:0) von der TSG Hoffenheim trennten. Nachher blieb der sportliche Aspekt dieser mehr oder weniger unterhaltsamen Begegnung im Hintergrund.

Denn kaum hatte Schiedsrichter Felix Brych (München) die zweite Hälfte angepfiffen, wurde in der Nordkurve ein Plakat mit dem Kopf von Dietmar Hopp im Fadenkreuz hochgehalten. Die VfL-Ultras machten es damit den Dortmundern nach, die wiederholt bei Gastspielen in Sinsheim den Mäzen mit Plakaten, Spruchbändern und Gesängen übelst beleidigt hatten.

Menschenverachtend: Gladbach-Ultras halten ein Plakat mit Dietmar Hopp im grünen Fadenkreuz hoch. Foto: dpa

Brych bewies um kurz nach halb fünf Courage und ließ den Ball ruhen. Erst als Gladbach Sportdirektor Max Eberl losmarschiert war und mit den sogenannten "Fans" Klartext geredet hatte ("Was ich da gesagt habe, ist auch nicht jugendfrei, aber was soll ich mit diesen Menschen machen?") und VfL-Kapitän Lars Stindl zum Zaungast wurde, verschwand das Plakat wieder – und Brych ließ weiterspielen.

Geradezu grotesk ist es da, dass noch kurz vorm Anpfiff den Opfern der mutmaßlich rassistischen Anschläge von Hanau gedacht worden war. Eberl schämte sich anschließend für "50 Hornochsen" und Hoffenheims Trainer Alfred Schreuder machte auf der Pressekonferenz deutlich, dass er bereit gewesen wäre, ein Exempel zu statuieren. "Wenn das nicht weg geht, gehen wir einfach heim. Dann können sie die drei Punkte haben", war der Niederländer felsenfest entschlossen, seine Mannschaft vom Feld zu holen.

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Auch "Hoffe"-Sportdirektor Alexander Rosen freute sich zwar über den nicht zu Unrecht erkämpften Zähler, konnte seine Abscheu vom Erlebten aber ebenfalls nicht verbergen. "Das geht überhaupt nicht. Solche Aktionen werden wir niemals tolerieren", sagte er und erinnerte dann aber an 50.000 Menschen, an die Verantwortlichen von Borussia Mönchengladbach und an den Schiedsrichter, die ein klares Zeichen gesetzt hätten und nicht an "die 50 Idioten, die ein Plakat hochgehalten haben."

Der DFB-Kontrollausschuss hat mittlerweile ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und die Borussia um eine Stellungnahme gebeten.

Gespielt wurde dann doch noch, nach der Pause bekamen die wahren Fußballfreunde etwas mehr geboten als in den ersten 45 Minuten, was allerdings eine gute Gesamtbewertung des Dargebotenen nicht leichter macht.

Hintergrund

Einzelkritik

Baumann: Im zweiten Spiel nach seiner Verletzungspause bärenstark und Elfmeter-Killer.

Rudy: Der neue alleinige Rekordhalter (217 Bundesligaspiele für die TSG) als Joberlediger hinten rechts.

Nordtveit: Der Norweger durfte von beginn an ran

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Einzelkritik

Baumann: Im zweiten Spiel nach seiner Verletzungspause bärenstark und Elfmeter-Killer.

Rudy: Der neue alleinige Rekordhalter (217 Bundesligaspiele für die TSG) als Joberlediger hinten rechts.

Nordtveit: Der Norweger durfte von beginn an ran und erbrachte einen ordentlichen Arbeitsnachweis.

Hübner: Strafstoß-Verursacher. Ließ nicht allzu viel anbrennen.

Zuber: Befriedigend. Das reichte diesmal aus.

Grillitsch: Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut.

Samassékou: Der Malier muss sich noch gewaltig steigern.

Skov: Marschierte wie gewohnt. Nicht immer vom Erfolg gekrönt.

Baumgartner: 19 Jahre und derzeit aus der Startelf kaum wegzudenken. Alle Achung!

Bruun Larsen: Der aus Dortmund geholten Däne hat noch viel Luft nach oben.

Dabbur: Mit der Trage vom Platz und später auf Krücken im Stadionbauch unterwegs. Diagnose: Sehnenriss am Knie und lange Pause.

Bebou: Kam früh für Dabbur. Unauffällig.

Beier: Mit 17 Jahren in der Bundesliga. Alle Achtung!

Ribeiro: Goldköpfchen. awi

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Bereits nach elf Minuten brachte Alassane Plea das Team vom Niederrhein in Führung, der starke Oliver Baumann konnte den Ball nach seinem Schuss nicht mehr entschärfen. Nicht unerwartet hatte der Tabellenvierte mehr vom Spiel, auch die Mehrzahl an Torchancen, auch wenn sich beileibe nicht Möglichkeit an Möglichkeit reihte. Glück für die Kraichgauer, dass das wohl vorentscheidende 2:0 durch Plea wegen eines angeblich zuvor etwa 80 Meter (!) entfernten Handspiels von Oscar Wendt vom Fifa-Unparteiischen annulliert wurde. Glück zudem auch, dass Plea mit einen von Benjamin Hübner verschuldeten Handelfmeter an Baumann scheiterte (75. Minute).

Das Glück des Tüchtigen hatte dann aber Hoffenheims Lucas Ribeiro. Der erst 21-jährige Brasilianer kam spät (87.), sah seine Torchance – und köpfte goldrichtig ein (90.+2). "Er bekommt ein immer besseres Standing in der Mannschaft, weil er sich total reinhängt", verriet Hübner im Kabinengang.

Doch der eigentliche Sport war leider zweitrangig geworden. "In vielerlei Hinsicht ein denkwürdiger Tag", sagte ein geschaffter Alexander Rosen und musste die Geschehnisse erst einmal verarbeiten. Die einst "schönste Nebensache der Welt" hatte ihre hässlichste Fratze gezeigt.

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