Hoffenheim gegen Bayern München

Mittendrin in Absurdistan

Zweifache Unterbrechung: Hopp und Rummenigge auf dem Rasen - Nichtangriffspakt zwischen "Hoffe" und dem FC Bayern

01.03.2020 UPDATE: 02.03.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 55 Sekunden
Schulterschluss: Die Profis der TSG und des FC Bayern (mit Karl-Heinz Rummenigge) setzen vor der Sinsheimer Südkurve ein Signal der Solidarität – für Dietmar Hopp (M.). Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Nach der zweiten, viertelstündigen Spielunterbrechung kommen die Fußballprofis der TSG 1899 Hoffenheim und des FC Bayern München noch einmal auf den Rasen. Doch die Hauptprotagonisten in der Sinsheimer Arena stellen nach dem Wiederanpfiff des besonnenen Schiedsrichter-Gespanns um Christian Dingert den Spielbetrieb demonstrativ ein, schieben sich das Bällchen gegenseitig zu, jonglieren damit, dehnen sich, laufen locker aus, umarmen sich oder halten ein Schwätzchen. Am Spielfeldrand stehen "Hoffes" Mehrheitsgesellschafter Dietmar Hopp (79) und Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge (64) Seite an Seite im strömenden Regen und verfolgen das unwirkliche Geschehen, jene Mischung aus Spielerstreik und Nichtangriffspakt.

Fast alle Menschen im Stadion klatschen rhythmisch, die Dietmar-Hopp-Sprechchöre werden lauter und lauter, die arbeitslos gewordenen Balljungs rücken vorzeitig ab – und dann beendet Dingert eine denkwürdige, historische Bundesliga-Begegnung, die als große Gala des FC Bayern beginnt und als starkes Zeichen der Solidarität und als "Freundschaftsspiel" ausklingt.

Hintergrund

Das kann nicht die Lösung sein

Ein Kommentar von Nikolas Beck

Münchens Thiago spielt Doppelpass mit Hoffenheims Oliver Baumann, Karl-Heinz Rummenigge und Dietmar Hopp beobachten das Geschehen aus nächster

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Das kann nicht die Lösung sein

Ein Kommentar von Nikolas Beck

Münchens Thiago spielt Doppelpass mit Hoffenheims Oliver Baumann, Karl-Heinz Rummenigge und Dietmar Hopp beobachten das Geschehen aus nächster Nähe applaudierend am Spielfeldrand. Und alle jene, die das Stadion noch nicht verlassen haben, stehen auf und tun es ihnen von den Rängen gleich. Die Szenen der Schlussviertelstunde des Samstagnachmittags in Sinsheim wirken auch zwei Tage später noch surreal.

Das Spiel fortzusetzen, den Wettkampf aber einzustellen, war ein tolles und nachvollziehbares Zeichen beider Mannschaften, das auf breite Zustimmung traf. Keine Frage.

Es muss allerdings ein einmaliges bleiben.

Dass ein "Nichtangriffspakt" nicht die Lösung des Problems sein kann, bewies wenige Stunden nach Spielende die Stellungnahme der für die Schmähplakate verantwortlichen "Fans" im Internet. Um es vorweg zu nehmen: Auch nach dem Fast-Abbruch sind sich die Krakeeler keiner Schuld bewusst.

Geistige Tiefflieger

"Überzogen" sei das Verhalten von Schiedsrichter, Spielern und Offiziellen gewesen. "Alternativlos" die eigene Wortwahl und überhaupt doch völlig normal, in einem Fußballstadion jemanden als Hurensohn zu bezeichnen. Wenn man Nationalstürmer Timo Werner oder die ungeliebten Dortmund-Fans beleidige, krähe kein Hahn danach. Wieso dann ausgerechnet bei Dietmar Hopp? Fragen sich die Vermummten mit der Hand am Schmähplakat – und outen sich damit erst recht: als geistige Tiefflieger.

Denn dass die "Causa Hopp" besonders empört, liegt nicht an der Tatsache, dass er Milliardär ist, dass er schon mal mit Franz Beckenbauer Golf spielen geht oder nun mal ausgerechnet einen Dorfverein finanziell unterstützt. Sondern vor allem daran, dass sich Hopp gegen die Verunglimpfungen und Geschmacklosigkeiten unnachgiebig zur Wehr setzt. Das ist nicht nur sein gutes Recht, sondern verdient allergrößten Respekt.

Kind in den Brunnen gefallen

Auch wenn die Vermutung nahe liegt, dass sich selbst der Unbelehrbarste in Hoffenheims mittlerweile zwölften Bundesliga-Saison nicht mehr die Mühe machen würde, Hopp ins Visier zu nehmen, hätte dieser die Unruhestifter von Beginn an konsequent ignoriert. Runterschlucken, wegducken, ausharren – für Hopp war und ist das keine Option. Im Gegenteil. Das Ballgeschiebe auf dem Rasen war ein starkes Signal. Hopps offensiver Gang von der Loge aufs Feld jedoch ein noch viel stärkeres.

Die Frage, wie es nun weitergehen soll, bleibt.

Das Kind ist längst in den Brunnen gefallen. Auch der Drei-Stufen-Plan des DFB ist Segen und Fluch zugleich. Weil er einerseits dem Spielleiter klare Vorgaben gibt, wie mit Schmähungen umzugehen ist. Und weil ein Spiel natürlich nicht beim ersten Plakat abgebrochen werden darf. Andererseits legt er die Messlatte extrem hoch. Denn er darf künftig nicht nur bei Beleidigungen gegen Dietmar Hopp angewandt werden, sondern bei jeglicher Art von Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus im Stadion. Zudem gibt er den Krakeelern eine Vorstellung, wie weit sie gehen können. Oder was zu tun ist, um einen Abbruch herbeizuführen.

Die Kontrolle über das Geschehen auf dem Feld darf eben jenen aber unter keinen Umständen überlassen werden. Streng genommen ist das am Samstag nach 77 Minuten jedoch geschehen.

Und was hätten die Mannschaften eigentlich gemacht, wenn das Duell nicht schon längst entschieden, die drei so wichtigen Punkte nicht bereits vergeben gewesen wären? Doppelpässe zwischen TSG-Torhüter und Münchner Mittelfeldmann eher nicht.

Künftig muss mehr denn je gelten: The games must go on. Ohne Kompromisse.

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Hopp und Rummenigge marschieren dann noch gemeinsam mit den beiden Teams Richtung Hoffenheimer Fankurve. Eine Geste voller Symbolik, man muntert sich gegenseitig auf und übt den Schulterschluss gegen alle Fußballkulturzerstörer, Chaoten, Randalierer und Kriminelle, denen gleichermaßen die kalte Schulter gezeigt wird.

Wie sehr Dietmar Hopp ab der 65. Minute kämpft und leidet, zeigen Sequenzen auf den Flachbildschirmen im Pressebereich. Nachdem ein Teil der "Bayern-Fans" im Gästeblock ein breitflächiges Transparent mit den Worten "Alles beim Alten: Der DFB bricht sein Wort, Hopp bleibt ein Hurensohn!" entrollt hat, herrscht Alarmstimmung. Zumal zu diesem Zeitpunkt durchsickert, dass etwa auch in Dortmund, beim Duell zwischen dem BVB und dem SC Freiburg, Schmähgesänge und Plakate der Unverbesserlichen zum tristen Gesamtbild gehören und Ultra-Gruppierungen an diesem 24. Spieltag zu einer konzertierten Aktion aufgerufen haben.

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FCB-Trainer Hansi Flick und -Sportdirektor Hasan Salihamidzic (Bild l.) auf dem Weg Richtung Gästeblock. Foto: APF

Während der ersten Unterbrechung (67.) von Dingert eilen zunächst Bayern-Trainer Hansi Flick und Co-Trainer Hermann Gerland wie von der Tarantel gestochen Richtung Bayern-Kurve. Wenig später folgen Sportdirektor Hasan Salihamidzic und einige Bayern-Akteure. Sie gestikulieren wild, sie versuchen zu beschwichtigen, sie drücken ihre Verständnislosigkeit aus. Es steht 6:0 (4:0) für den Tabellenführer und Rekordmeister – und dann solch eine Entgleisung!

Der Spanier Thiago versteht die Welt nicht mehr. Es steht 6:0 für den Meister. Foto: APF

Nationaltorhüter und FCB-Kapitän Manuel Neuer fasst eine groteske Dramaturgie und die Gefühlslage seiner Teamkollegen stellvertretend zusammen: "Uns wurde auch etwas kaputtgemacht als Spieler des FC Bayern: Dass man überhaupt nicht mehr darüber spricht, dass wir heute ein sehr gutes Spiel gemacht haben." Stimmt. Die Tore von Gnabry (2.), Kimmich (7.), Zirkzee (15.), Coutinho (33., 46.) und Goretzka (62.) waren sehenswert, glichen einer Machtdemonstration des Branchenführers, während bei den Hoffenheimern die allgemeine Verunsicherung minütlich zunahm und in anfängerhafte Abwehrfehler und Tolpatschigkeiten mündete. Doch dies alles bedarf allenfalls einer Randnotiz.

Selbst gestählte Chronisten dieser aus den Fugen geratenen Partie würden lieber über Fußball schreiben und reden, aber es funktioniert schlichtweg nicht. Wir sind alle mittendrin in Absurdistan.

Ein zweites Schmähplakat ("Du Hurensohn!") wird gezeigt, das hat wiederum die zweite Unterbrechung (77.) zur Folge. Also ziehen sich Spieler, Trainerteams, Verantwortliche beider Klubs sowie Dingert und Co. in den Stadionbauch zurück. Allen ist klar: Der Drei-Stufen-Plan des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) greift. Kommt es zu einem dritten unrühmlichen Zwischenfall, wird die Partie unweigerlich abgebrochen, gegebenenfalls wiederholt oder für den Kontrahenten Hoffenheim im Nachhinein gewertet. Dietmar Hopp, inzwischen in den Kabinentrakten angekommen, erhält viel Zuspruch, wird von den Bayern-Chefs in den Arm genommen. Er ist enttäuscht, entsetzt und wütend zugleich.

Die Entscheider von "Hoffe" und Bayern debattieren, die Kommunikationsspezialisten Christian Frommert, Holger Kliem, Stefan Mennerich und Dieter Nickles stecken die Köpfe zusammen, die beiden Kapitäne Benjamin Hübner und Manuel Neuer tauschen sich mit Referee Dingert aus. Hübner berichtet in der Mixed Zone gegenüber Medienschaffenden: "Wir sind dann zu der Entscheidung gekommen, dass wir das Spiel nicht abbrechen lassen wollten, sondern es auf diese Weise weiterspielen. Wir sind Vorbilder und der Fußball verbindet – so konnten wir heute Einigkeit zeigen. Ich persönlich finde, das ist eine Sauerei, was mich in solchen Momenten aber hochzieht, ist die Reaktion der Mannschaften und der Zuschauer, die applaudiert haben."

Hintergrund

Dietmar Hopp freut sich über die Solidarität - Reaktionen aus der Sportszene zum Skandalspiel von Sinsheim

Von J. Klaehn, N. Beck und R. Kundel

Heidelberg. Erneute

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Dietmar Hopp freut sich über die Solidarität - Reaktionen aus der Sportszene zum Skandalspiel von Sinsheim

Von J. Klaehn, N. Beck und R. Kundel

Heidelberg. Erneute Schmähplakate gegen Dietmar Hopp, die Anwendung des Drei-Stufen-Plans bis zur zweiten Ebene – das Skandalspiel zwischen der TSG Hoffenheim und dem FC Bayern (0:6) bot jede Menge Gesprächsstoff übers Wochenende. Die Reaktionen dazu:

> Dietmar Hopp, Hoffenheims Mehrheitseigner auf der vereinseigenen Internetseite: "Ich durfte eine Sympathiewelle ohnegleichen erleben und viel Unverständnis, dass in einem zivilisierten Land so etwas geschehen kann. Die TSG spielt ihre 12. Saison in der Bundesliga. Die Saat des Hasses, die auch schon in der 2. Bundesliga gesät wurde, ist leider aufgegangen. Ich wünsche mir aber von Herzen, dass nicht nur kraftvoll und solidarisch gehandelt wird, wenn ich beleidigt werde. Beleidigungen gegen jeden Menschen sind zu verurteilen, egal wo und in welcher Form. Vor allem rassistische und homophobe Beleidigungen müssen mit aller Konsequenz geahndet werden. Ich lasse mich von diesen Chaoten in meinem Handeln weder sportlich noch gesellschaftlich beeinflussen und vertreiben, obwohl mir von Dortmunder Seite am 20. Dezember gewünscht wurde, dass das zurückliegende Weihnachtsfest mein letztes sein möge."

> Karl-Heinz Rummenigge, FCB-Vorstandsboss: "Ich schäme mich zutiefst für das, was heute in der Kurve passiert ist. Man muss sich nur die Frage stellen, was wäre diese Region ohne Dietmar Hopp, den ich für einen absoluten Ehrenmann halte, nicht nur im Fußball. Ich habe mich bei ihm zwar entschuldigt, aber das, was hier passiert ist, ist nicht entschuldbar. Ich habe größten Respekt davor, wie diese letzten 13 Minuten abgelaufen sind. Wir haben das ganze Spiel heute filmen lassen, da diese ganze Geschichte ja nicht unverhofft kam. Wir werden jetzt mit aller Entschiedenheit und allen juristischen Möglichkeiten gegen diese Leute vorgehen. Es wäre eigentlich eine wunderbare Woche gewesen mit dem Spiel in London und dem Spiel heute. Aber diese Chaoten haben mit diesem Akt alles kaputt gemacht. Es war ein schwarzer Tag des Fußballs."

> Peter Görlich, TSG-Geschäftsführer: "Das hat im Fußball nichts zu suchen. Ich möchte dem Schiedsrichter-Gespann ein Kompliment machen, wie die Kollegen souverän, ruhig und zum ersten Mal den Drei-Stufen-Plan des DFB umgesetzt haben. Wir dürfen uns den Fußball nicht nehmen lassen von einer kleinen Gruppe. Über Buschtrommeln haben wir erfahren, dass von den Ultras etwas in den Stadien geplant ist. Aber sowas erwartest du ja nicht. Dietmar Hopp war extrem aufgewühlt. Er wird seit vielen Jahren beleidigt, das ist in seinem Wertegerüst nicht verankert. Heute ist ein deutliches Signal gesetzt worden: In den Farben getrennt, in der Sache vereint. Wichtig ist: Empört euch!"

> Frank Briel, TSG-Geschäftsführer: "Die Solidarität heute und letzte Woche in Gladbach war außergewöhnlich. Man schämt sich fremd, denn es zielt einzig und allein auf die Diffamierung einer Person ab. Die letzten solidarischen 13 Minuten waren ein großes Statement. Es ist eine Minderheit im Stadion, aber wir müssen rigide daran arbeiten, dass wir gemeinsam diese kriminelle Energie eingedämmt bekommen. Ich hoffe, dass eine massive Solidarität über alle Vereinsfarben hinweg entsteht."

> Fritz Keller, DFB-Präsident im Aktuellen Sportstudio: "Wir sind am Tiefpunkt angekommen. Wir haben Hassbilder und Neid in unserer Gesellschaft und jetzt auch im Fußball. Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen. Jetzt muss durchgegriffen werden. So wird der Sport ins Absurde geführt. Die ersten Hassplakate gegen Dietmar Hopp tauchten bereits 2008 auf – dann ist irgendwann mal gut. Aber nicht alle Ultras sind gleich, bitte nicht alle über den Kamm scheren."

> Ronny Zimmermann, Präsident des Badischen Fußballverbands und DFB-Vizepräsident: "Eigene Befindlichkeiten zum Ausdruck zu bringen, indem man andere übel verunglimpft – so tief muss man erst einmal sinken. Über allem steht das Grundgesetz – die Würde des Menschen ist unantastbar. Aber ich glaube, dass die Würde in den vergangenen Monaten in vielfacher Hinsicht massiv angetastet wurde. Der Samstag war nicht nur ein schwarzer Tag für den Fußball. Sondern ein schwarzer Tag für Deutschland. Es ist offenbar völlig normal geworden, dass man hetzt, dass man Hass zum Ausdruck bringt.

Als Bürger dieses Landes mache ich mir große Sorgen. Ich wundere mich einfach, wie man so weit gehen kann. Wie man solche Handlungen versucht, mit Kritik am System oder irgendwelchen Urteilen zu rechtfertigen. Jetzt zu sagen, der DFB habe mit der verhängten Blocksperre ein Versprechen gebrochen, ist mir zu billig. Jeder Beteiligte hat gewusst, wo die Grenze ist. Und wer diese permanent überschreitet, der darf sich nicht wundern. Beeindruckend war am Samstag der Aufstand der Anständigen. Das hat Mut gemacht. Denn es darf nicht sein, dass ein Prozent der Stadionbesucher ihre Belange über die der anderen 99 Prozent stellt. Aufgeben gilt im Fußball nicht."

> Christian Seifert, DFL-Geschäftsführer: "Alle Beteiligten – Spieler, Schiedsrichterteam und die Verantwortlichen von Bayern München und der TSG Hoffenheim sowie sehr, sehr viele Stadionbesucher – haben in dieser Situation vorbildlich gehandelt und damit ein klares Signal an einige selbsternannte Herrscher über die Fußball-Kultur gesetzt, derartige Entgleisungen nicht mehr zu dulden."

> Hansi Flick, Trainer des FC Bayern: "Ich bin hier aufgewachsen, kenne Dietmar Hopp über 20 Jahre. Mir tut es leid für diesen Menschen, der so viel gemacht hat für die Gesellschaft. Jeder dieser Chaoten hat vermutlich jemanden in der Familie, der profitiert hat von den Dingen, die Dietmar Hopp unterstützt hat, zum Beispiel in der Krebsforschung. Wir müssen gegen diese Chaoten oder Idioten zusammenstehen. Es ist ein schwarzer Tag für den FC Bayern."

> Alfred Schreuder, TSG-Trainer: "Alle sind riesig enttäuscht darüber, was passiert ist. Dietmar Hopp hat so viel für die Region und für uns getan. Das Zeichen der beiden Mannschaften war sehr gut. Es muss etwas passieren. Es ist peinlich, dass so etwas gemacht wird. Es sind nicht tausende Fans, sondern nur ein paar, die das machen. Was Dietmar Hopp hingegen in seinem Leben gemacht hat, ist etwas Besonderes."

> Benjamin Hübner, TSG-Kapitän: "Zu der Aktion der Gästefans muss ich gar nicht viel sagen, denn wir haben heute alle zusammen als Mannschaft, auch mit den Bayern-Spielern und den Fans im Stadion eine Reaktion gezeigt. Es ist wichtig, solch eine klares Signal zu setzen. So sollte der Fußball sein."

> Christian Streich, Trainer des SC Freiburg: "Was über das Netz verbreitet wird und wie Menschen miteinander umgehen, ist absolut inakzeptabel. Wir sind in schwierigen Zeiten, wir haben einen Rechtsruck, der bedenklich ist in ganz Europa. Es ist furchtbar, was in den letzten zehn Monaten in diesem Land passiert ist."

> Julian Nagelsmann, Trainer von RB Leipzig: "Das geht gar nicht. Gut, dass die Spieler dagegen ein Zeichen gesetzt haben. Man spricht zu viel über die Leute, die diese Plakate hoch halten. Man sollte mehr über solche Leute wie Hopp sprechen. Er macht in der Region und darüber hinaus viel für die Menschen, für kranke Kinder – darüber sollte man reden."

> Pavel Gross, Trainer der Adler Mannheim: "Wir stehen hier alle voll hinter Dietmar Hopp, solche Dinge haben im Sport und auch in der Gesellschaft nichts zu suchen."

> David Wolf, Adler-Stürmer: "Bei solchen Aktionen ist viel Hass dabei. Diese Leute sind vorher in sogenannten sozialen Medien unterwegs und verstecken sich hinter ihren Computern. Das hat mit Sport nichts mehr zu tun, ich kann nur hoffen, dass dem bald ein Ende gesetzt wird, bevor so etwas auf andere Sportarten übergreift. Die beiden Mannschaft haben das am Schluss richtig gemacht, schade nur für die vernünftigen Zuschauer, die für ein Spiel bezahlt haben."

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Miteinander statt gegeneinander – es sollte sich als rundum gelungenes Krisenmanagement und ein starkes Signal mit deeskalierendem Charakter erweisen. Im Laufe des Nachmittags und Abends bestätigen beide Klubs, dass sie über "Buschtrommeln" (TSG-Geschäftsführer Peter Görlich) und ihre jeweiligen Fanbeauftragten über eine womögliche bundesweite Aktion der Ultras gegen Hopp vorinformiert waren.

Hansi Flick (55), von 2000 bis 2005 TSG-Trainer und 2017/18 acht Monate lang Geschäftsführer Sport im Kraichgau, zeigt in einer schwarzen Stunde für den Fußball wahre Größe. Wie er sich den Münchner "Schickeria"-Chaoten am Zaun entschlossen entgegenstellt, verdient höchsten Respekt. Auch in der späteren Pressekonferenz wirkt der bodenständige Bammentaler immer noch aufgebracht angesichts der wüsten Hasstiraden. "Ich kenne Dietmar Hopp 20 Jahre lang – es tut mir leid, was hier passiert ist. Wir müssen zusammenstehen. Beide Vereine und beide Teams haben ein großes Zeichen gesetzt. Das ganze Stadion hat ein sehr feines Gefühl bewiesen. Das hat mit Fußball, das hat nichts mit unserer Sportart zu tun. Diese Leute sollen zuhause bleiben. So geht es einfach nicht weiter!", hält Flick ein flammendes Plädoyer für Fairness im Sport, Toleranz, Respekt und Menschenachtung. Und TSG-Trainerkollege Alfred Schreuder ergänzt empathisch: "Das hat Dietmar Hopp nicht verdient, wir sind sehr traurig darüber."

Bei aller verständlichen Empörungskultur ist nun aber konkretes Handeln unabdingbar. Bayerns Vorstandsboss "Kalle" Rummenigge ordnet die letzten 13 Minuten von Sinsheim als "Zeichen ein, dass solche Vorgänge nicht mehr toleriert werden. Es ist ein Zeitpunkt erreicht, an dem Flagge und klare Kante gezeigt werden muss. Diese Minderheit in den Kurven muss an den Pranger gestellt werden."

Freilich: Ganz so einfach ist es nicht. Die Deutsche Fußball Liga (DFL), der DFB, die Vereine, die Sicherheitsorgane, die friedlichen Sport- und Fußballfans und die Medien sind in ihrer Wächterfunktion allesamt gefordert. Und es bedarf eines juristischen Instrumentariums, überbordende Formen von Hass, Hetze, Diskriminierung und Rassismus als Straftatbestand identifizieren zu können. Ein ganz weites Feld, zumal gerade auch der Fußball als Spiegelbild der Gesellschaft fungiert.

FCB-Profi Thomas Müller twittert übers Wochenende: "Ist das der Fußball, den wir wollen? NEIN!"

Die Liebe zum Spiel muss größer sein als der selbstdarstellerische Hass einiger "Vollpfosten". Vielleicht kann die umfassende Solidarität vom 29. Februar 2020 in Dietmar Hopps Stadion, im Januar 2009 eröffnet, ein schmerzhafter, zarter Anfang sein. Hoffen wir es mal.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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