1899 Hoffenheim

Wo steht die TSG mit ihrem Trainer Schreuder?

Mit dem 1:0 in Mainz feiert die TSG den zweiten Sieg der ersten Englischen Geisterwoche - Fan-Kritik trotz Europapokal-Träumen

01.06.2020 UPDATE: 02.06.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 4 Sekunden
Trainer Alfred Schreuder nach dem Abpfiff. Fotos: APF

Von Nikolas Beck

Mainz. Mainz bleibt Mainz. Aber "Hoffe" singt und lacht. Nach dem finalen Pfiff beim 1:0 (1:0) am Samstag beim FSV ließ Alfred Schreuder seinen Emotionen freien Lauf. Hoffenheims Trainer drehte sich zur Tribüne, suchte Blickkontakt zum "Fanblock", welcher in Corona-Zeiten der Logen-Balkon ist. Dann ein Jubelschrei und eine Siegerfaust, die er so weit in die Höhe streckte als wolle er mit den vier "Schlachtenbummler" im Oberrang – die Hoffenheimer Delegation um die Geschäftsführer Frank Briel und Peter Görlich sowie Manager Alexander Rosen – abklatschen.

Es waren Bilder, die erahnen lassen, wie viel Ballast von den Schultern des 47-Jährigen gefallen ist. Nach dieser närrischen Woche, in der nach zuvor sieben sieglosen Spielen erst Köln, dann Mainz bezwungen wurden. Alaaf und Helau!

Gerade einmal sieben Tage sind vergangenen, seit Schreuder den Unmut der Fans schwarz auf weiß vor Augen geführt bekam. "Auf dem Platz keine Leistung bringen, aber am Mikrofon Lobeshymnen singen", stand auf einem Banner, das die Gruppierung Young Boyz am Trainingsgelände in Zuzenhausen aufgehängt hatte. Die Buchstaben A und S farblich hervorgehoben, damit die Botschaft in Alfred Schreuder auch den richtigen Empfänger findet.

Bemerkenswert. Schließlich steht der Dorfklub abermals vor einer Qualifikation für den Europapokal. Woher kommt also die latente Unzufriedenheit in einer sportlich mehr als soliden Saison?

War früher alles besser?

Nur das Torverhältnis (-8) trennt die TSG vom punktgleichen VfL Wolfsburg auf Europapokal-Rang sechs (+5). 20 Tore mehr geschossen und neun weniger kassiert hatte man zur gleichen Zeit in der Vorsaison. Damals standen als Sechster fünf Zähler mehr auf dem Konto. Allerdings: Aus den letzten fünf Spielen kamen dann nur noch vier Punkte dazu, die Spielzeit wurde auf Rang neun beendet. In der erfolgreichsten Saison der Klubgeschichte, 2017/2018, dagegen war’s nach 29. Spieltagen nur ein Punkt mehr als jetzt.

Ergebnis und Erlebnis

Nagelsmann war der Spektakel-Mann. Die teilweise vogelwilden Vollgasveranstaltungen unter Schreuders Vorgänger gibt’s kaum noch zu sehen. Vor allem die Heimbilanz stößt den Anhängern übel auf mit bereits acht Niederlagen. Darunter die deutlichen Pleiten gegen vermeintliche Außenseiter wie Mainz (1:5), Augsburg (2:4) sowie Hertha und Freiburg (jeweils 0:3). Andererseits sorgte die Schreuder-Elf auch für unerwartete Feiertage: In Sinsheim lag vier Tage vor Heiligabend ein Dreier gegen Dortmund unterm Weihnachtsbaum. Auch Leverkusen wurde geschlagen. Vom Coup bei den Bayern, pünktlich zum Oktoberfest-Auftakt ganz zu schweigen. Für die TSG war’s der erste Sieg überhaupt beim Rekordmeister. Das Problem: Wer die Großen ärgert, dem fliegen Niederlagen gegen die vermeintlich Kleinen eher um die Ohren.

Der eingewechselte Ihlas Bebou freute sich über sein Tor des Tages. Fotos: APF

Schönreden statt Schönspielen?

Den Vorwurf, sich von Misserfolg zu Misserfolg zu loben, hat sich Schreuder zu Herzen genommen. Gegen Köln habe trotz des Sieges vieles nicht gepasst. In Mainz sei man die glücklichere Mannschaft, aber nicht die bessere gewesen. Mehrfach betonte Schreuder, dass ihm nichts ferner läge, als Dinge zu beschönigen. Ein Zuckerbrot für niedergeschlagene Verlierer hier, die Peitsche für zufriedene Gewinner da – eigentlich keine außergewöhnliche Vorgehensweise eines Fußballlehrers.

Taktik, Transfers, Talente

Eine fehlende Handschrift des Trainers bemängeln Kritiker. Und auch der Manager habe diesmal kein glückliches Händchen beim personellen Umbruch gehabt. Zwischen den Strafräumen sehe es meist sehr gut aus, entgegnet Schreuder. Rosen verwies immer mal wieder auf das Verletzungspech.

Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.

Wenn vor beiden Toren immer wieder individuell gepatzt wird, wirkt alles dazwischen schnell wie brotlose Kunst. Erschwerend kommt hinzu, dass sich das Personalkarussell schneller gedreht hat als erwartet: Eines ihrer besten Spiele zeigte die TSG vergangene Spielzeit am 29. Spieltag. Beim 2:0 gegen die Hertha wurden die Berliner mit 29:5 Torschüssen und 60 Prozent Ballbesitz förmlich überrannt. Ein Jahr später, am Samstag in Mainz, stand von den damaligen zehn Feldspielern Kaderabek (persönliche Gründe), Vogt (Bremen), Hübner (Sperre), Schulz (Dortmund), Demirbay, Amiri (beide Leverkusen), Szalai (Mainz) sowie Grillitsch, Kramaric und Belfodil (alle verletzt) keiner mehr auf dem Feld. Vor allem offensiv forscht die Jugend, weil die Stammkräfte ausfallen. Baumgartner (20), Beier (17) und Co. machen es gut, sind aber noch keine kaltschnäuzigen Torjäger.

Mit Mann und Maus: Die TSG Hoffenheim brachte den 1:0-Auswärtssieg in Mainz im zweiten Abschnitt mit vier Innenverteidigern – und bisweilen vier Spielern auf der eigenen Torlinie – über die Zeit. Fotos: APF

Serien und Barrieren

Alfred Schreuder ist kein Entertainer wie sein Vorgänger. Zumal der Niederländer Interviews nun mal nicht in seiner Muttersprache geben kann. Die Sprachbarriere mag den Eindruck verstärken, dass er sich nach Spielen zu oft wiederholt. Dafür spreche er die Sprache der Spieler, betonen seine Schützlinge ausnahmslos. Und auch hier gilt: Was zählt, ist auf dem Platz.

In der Bewertung des Sportlichen schadet den Kraichgauern zudem, dass sie "Serientäter" sind. Einem holprigen Start mit nur einem Sieg aus den ersten sechs Partien folgte der goldene Herbst mit sechs Pflichtspiel-Erfolgen hintereinander. Erst gegen Köln endete dagegen erneut eine Durststrecke von sieben sieglosen Spielen. Wer himmelhoch jauchzt, ist manchmal eben auch zu Tode betrübt.

Dass Hoffenheim mit zwei Siegen aus der Englischen Geisterwoche im Rücken nun am Samstag nach Düsseldorf reist, passt ins Bild. Auch gegen die dritte Karnevals-Hochburg in Serie ließe es sich schließlich ganz gut feiern.

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