1899 Hoffenheim

Voller Widersprüche gegen Gladbach

Hoffenheim bietet gegen Gladbacher Fohlen trotz eines 0:0 ein rasantes Spiel - Und hinterher ist Kramaric auf Nagelsmann sauer

16.12.2018 UPDATE: 17.12.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 58 Sekunden

Erst mit Kopf, dann mit Fuß: "Hoffes" Ermin Bicakcic (l.) hatte elf Sekunden vor dem Abpfiff die große Chance auf den Punsch. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Die ganz große Show schien vorprogrammiert zu sein, doch diesmal war in diesem prickelnden Bundesliga-Duell zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und Borussia Mönchengladbach Torarmut statt Torfestival angesagt. Trotz einer deutlichen Dominanz kam "Hoffe" gegen die Gladbacher Fohlen nicht über ein 0:0 hinaus, womit zwar die eigene Serie - die Kraichgauer sind seit acht Ligapartien unbesiegt - weiterhin hielt, aber eben auch nicht der heiß ersehnte Anschluss an die Tabellenspitze gelang. Es wurde zu einer Nullnummer mit Knalleffekten im Bauch der Rhein-Neckar-Arena - sowie mit variierenden Gefühlslagen.

Gewissermaßen ein Erlebnis-Ergebnis der widersprüchlichen Art. "Wir haben ein unglaublich gutes Spiel gemacht", lobte TSG-Cheftrainer Julian Nagelsmann danach seine Schützlinge über den grünen Klee, "viel investiert und viel Druck erzeugt. Ich hatte schon das Gefühl, dass ein Tor in der Luft lag. Es war unsere beste Saisonleistung, vielleicht sogar eins der besten oder das beste Spiel in meiner Amtszeit." Der junge Fußballlehrer, der Unentschieden eigentlich hasst, meinte allerdings ferner: "Es ist nicht immer nur Pech. Der Ball muss halt auch mal rein."

Drei Tore, dreimal Abseits

Dazu bestanden aus Sicht der Hausherren vor ausverkauftem Haus (30.150 Zuschauer) reichlich Gelegenheiten. Und insgesamt dreimal freuten sich beide Kontrahenten, wenngleich nur kurz, über Treffer von Andrej Kramaric (27.), Joelinton (33.) und Thorgan Hazard (49.), die freilich wegen jeweiliger Abseitsposition zurecht nicht von Referee Benjamin Cortus und vom Kölner Keller um Video-Assistent Deniz Aytekin gegeben wurden.

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Entertainer Ermin Bicakcic übertrieb in seinem Statement bewusst. "Wir hätten sechs Punkte verdient gehabt", konstatierte der Innenverteidiger, "wir haben die heute komplett auseinander geschraubt." Bicakcic selbst hätte elf Sekunden vor dem Abpfiff für die späte Erlösung sorgen können, doch er scheiterte erst per Kopf an Gladbachs Torhüter Yann Sommer und bekam den Nachschuss nicht unter Kontrolle. "Das wäre der Punch gewesen", so der stets auskunftsfreudige "Eisen-Ermin" mit süß-saurer Miene, zumal ihm vor kurzem beim 2:2 in Wolfsburg ein spektakuläres Eigentor gelungen war.

Hintergrund

So spielten sie

Baumann: Spielte mit der TSG zum zweiten Mal nach dem 4:0 gegen Stuttgart zu Null. Glückliche Rettungstat gegen Plea (11.) mit dem Fuß.

Adams: Mit Licht und Schatten. In manchen Szenen Bruder

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So spielten sie

Baumann: Spielte mit der TSG zum zweiten Mal nach dem 4:0 gegen Stuttgart zu Null. Glückliche Rettungstat gegen Plea (11.) mit dem Fuß.

Adams: Mit Licht und Schatten. In manchen Szenen Bruder Leichtfuß.

Posch: Seit Oktober nicht mehr auf dem Rasen. Starkes, unaufgeregtes Comeback im Zentrum der Dreierkette.

Bicakcic: Prima Vorstellung. Belohnte sich und die TSG leider nicht in der Nachspielzeit. So wäre er nämlich ein Einser-Kandidat gewesen.

Kaderabek: Vielversprechender Volleyschuss (3.). Schaltete sich unaufhörlich ins Offensivspiel ein.

Demirbay: Der Dirigent wurde zunehmend besser. Allererste Sahne: Sein Pass auf Joelinton.

Bittencourt: Gute Ansätze, doch dem Deutsch-Brasilianer mangelte es erneut an Durchsetzungsvermögen.

Schulz: Unermüdlich unterwegs, kämpfte vorbildlich. Einziges Manko: Seine Flanken waren oft zu unpräzise.

Nelson: Normalerweise Edel-Joker. Am Samstag ohne Spielglück.

Joelinton: Bester TSGler! Glänzte durch seine Präsenz. Wunderbarer Schlenzer (33./Abseits), eleganter Lupfer, der am Innenpfosten (69.) landete.

Kramaric: Klares Abseitstor (27.), trat ansonsten kaum in Erscheinung. Sorgte dafür in der Mixed Zone für aufregende Momente.

Szalai: Kam für den sichtlich angefressenen Kramaric. Schoss nach einer Unsicherheit von Sommer drüber.

Belfodil: Sofort gefährlich. Siehe sein Kopfball und Ball ans Außennetz. jog

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Sagenhafte 46 Tore waren in den vorangegangenen zehn Duellen zwischen der TSG und dem VfL Borussia gefallen, 27:6-Torschüsse verzeichnete nach insgesamt 94 Minuten diesmal die Statistik - trotzdem sollte vorgestern der Ball partout nicht im Netz landen. "Es war wie verhext. Das Ding wollte einfach nicht rein, brutal", sagte Bicakcic kopfschüttelnd.

Reichlich Frust herrschte insbesondere bei Vize-Weltmeister Andrej Kramaric. Wettbewerbs- und mannschaftsübergreifend hatte der Stürmer in den letzten neun Pflichtspielen immer getroffen - viermal in der Liga, dreimal in der Champions League sowie zweimal für Kroatien in der Nations League gegen Spanien und England -, weil ihn aber Nagelsmann in der 63. Minute vom Feld nahm, brodelte es im Mann aus Zagreb gewaltig. Er sei "traurig, enttäuscht und wütend", brach es aus Kramaric gegenüber einigen Medienvertretern in der Mixed Zone heraus. Warum? Ihm sei die Chance genommen worden, mit dem zehnten Tor seine Erfolgsserie auf ein Level mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo zu hieven. "So eine Serie erreichen und auf einer Stufe mit Spielern wie Messi und Ronaldo stehen zu können, ist eine einmalige Chance im Leben. Ich hätte auch mit einem gebrochenen Bein in den letzten 30 Minuten auf ein Tor gewartet", meckerte Kramaric und ergänzte immerhin mit Bedacht, dass Messi und Ronaldo "fast schon übermenschlich" als Profis seien. Nach dem Spiel gegen die Gladbacher habe er Nagelsmann gegenüber seinen Ärger mitgeteilt, der seinerseits die persönliche Rekordmarke nicht auf dem Schirm und sich dafür entschuldigt habe. Also viel Wind um nichts?

Wahrscheinlich. Zumal Kramaric gegen die Fohlen nicht seinen allerbesten Tag erwischt hatte. "Andrej will immer 90 Minuten spielen, immer sein Tor machen", wies Verteidiger Nico Schulz auf das ausgeprägte "Ego" sowie den außergewöhnlichen Ehrgeiz des Teamkollegen hin. Eine Einschätzung, die der Mentalität von Kramaric und dessen spontanem Verdruss gerecht wird.

Unterm Strich zählt selbstverständlich das Hoffenheimer Kollektiv, das die Fohlen energisch zügelte und dabei eine durchweg makellose Vorstellung in der Defensive bot. "Ich habe diesbezüglich nichts anderes als Lob für die Jungs übrig", schnalzte Schulz mit der Zunge.

Tritt gegen den Medizinkoffer

Defensiv vom Feinsten, offensiv ohne Durchschlagskraft - diese Konstellation ist eher untypisch für die "Nagelsmänner", die ihre jüngsten Enttäuschungen auf internationalem Parkett und das intensive Match bei Manchester City (1:2) prima wegsteckten. Mehr Grund zum Jammern und Wehklagen hatte hingegen der Rangzweite vom Niederrhein. "Wir haben einen glücklichen Punkt mitgenommen", gab Borussen-Trainer Dieter Hecking zu. Auch diese Aussage des erfahrenen Trainers stand in krassem Widerspruch zum ereilten Verletzungspech in Sinsheim: Kapitän Lars Stindl (Sprunggelenkverletzung am operierten Fuß) und Raffael (Schlüsselbeinbruch) mussten vorzeitig raus. Der Rautenklub bezahlte den Teilerfolg in Nordbaden sehr teuer.

Von Schreckensnachrichten blieb "Hoffe" indes verschont. Nagelsmanns kerniger Tritt gegen den Medizinkoffer (33.) und der Wutausbruch von Kramaric in den Katakomben sind fraglos eher zu verschmerzen als ein 0:0, bei dem aus TSG-Perspektive lediglich das i-Tüpfelchen fehlte ...

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