1899 Hoffenheim

Ein Hauch von Melancholie

Die TSG 1899 Hoffenheim geht raus mit Applaus, wenngleich das Scheitern nach sechs spektakelreichen Etappen schmerzt

13.12.2018 UPDATE: 14.12.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 57 Sekunden

Dank für die Unterstützung: Die Hoffenheimer Profis verabschieden sich nach dem Scheitern von ihren 1800 mitgereisten Fans. Fotos: APF

Von Joachim Klaehn

Manchester. Wenn eine Reise zu Ende geht, dann ist man geneigt dazu, die Geschehnisse als Individuum oder Gruppe noch einmal vor dem inneren Auge Revue passieren zu lassen. Dies tat in der Nacht auf Donnerstag auch die TSG 1899 Hoffenheim. Nach dem schwungvoll-unterhaltsamen 2:1 (1:1) für Manchester City gegen den Dorfklub vor 50.411 Zuschauern herrschte bei den "Nagelsmännern" eine Gefühlslage, die sich irgendwo zwischen Wehmut, Seelenschmerz, Selbstachtung und Stolz einpendelte. "Hoffe" hat das erstmalige Champions-League-Abenteuer überstanden - und scheiterte eben doch mit an den systemimmanenten Unzulänglichkeiten eines Neulings.

Manager Alexander Rosen blieb in feinem Zwirn vor den deutschen Medienvertretern stehen. Sein Auftritt in der Mixed Zone des Etihad Stadiums hatte durchaus etwas Staatsmännisches. "Wir haben Spuren hinterlassen - die TSG ein Stück weit in Europa platziert", sagte der langjährige Direktor Profifußball, "wir werden als Klub sehr ernst genommen."

Entschlossenheit und eine Portion Genugtuung begleiteten Rosens Worte, er sprach von "Lehren für jeden einzelnen Spieler", vom "anderen Level" der Königsklasse und über Hoffenheims Ambitionen, in diesen illustren Kreis von 32 Teams baldmöglichst zurückkehren zu dürfen. Natürlich hat die Premiere auf der wichtigsten Bühne des europäischen Vereinsfußballs rund um die Kraichgauer Keimzelle des von Dietmar Hopp finanzierten Konstrukts Lust auf mehr gemacht.

Nach dem Treffer von Andrej Kramaric (16./Foulelfmeter) und dem eindrucksvollen Doppelpack des deutschen Nationalspielers Leroy Sané (45.+1, 61.) im himmelblauen Trikot der "Citizens" kam auch bei TSG-Cheftrainer Julian Nagelsmann ein Hauch von Melancholie auf. Wenngleich sich der obsessive Coach am liebsten im Hier und Jetzt bewegt, so suchte auch er die Balance zwischen Euphorie und Enttäuschung, zwischen Rück- und Ausblick. "Wir haben uns zweifellos stark verbessert gegenüber den Auftritten in der Europa League, doch der Anteil an individuellen Fehlern war einfach zu hoch, um unsere Spielleistungen zu krönen", zog Nagelsmann ein angemessenes Fazit nach sechs spektakelreichen, dramatisch verlaufenden Etappen, die Hoffenheim drei Unentschieden und drei Niederlagen für die "Ewigkeit" eingebracht haben. In der Tat wies die TSG ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit eine Etage höher nach, doch sie scheiterte eben auch an der Unbekümmertheit, Leichtfertigkeit und mangelnden Erfahrung des Teams, die sich hinten wie vorne immer wieder maßgeblich bemerkbar machte.

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Symptomatisch für den Hang zu Versäumnissen sollten am Mittwoch zwei Szenen sein: Nach einer Hoffenheimer Ecke liefen im Eilverfahren gleich drei City-Profis quasi alleine auf Oliver Baumann zu, doch Sterling, Sané sowie der am glänzend aufgelegten TSG-Keeper verzweifelnde Bernardo Silva (56.) übertrieben es mit den Querpässen und der Ballzauberei. Es stand zu diesem Zeitpunkt noch 1:1! Nur zwei Minuten später besaß der eingewechselte Arsenal-Leihspieler Reiss Nelson die "hundertprozentige Chance" (Nagelsmann) zur neuerlichen Gästeführung, aber seinem Abschluss mangelte es an Präzision, so dass City-Torhüter Ederson mit einer reflexartigen Fußabwehr Schlimmeres verhindern konnte.

Statt den Guardiola-Schützlingen einen weiteren Nadelstich zu setzen, kassierte "Hoffe" das ernüchternde 1:2 von Sané, der somit seinen Sahnetag abrundete und die sonst eher stillen ManCity-Fans zu "Leroy"-Rufen und vorübergehenden Begeisterungsstürmen hinriss. In seiner unnachahmlichen Art und Weise brachte Starcoach und Schlitzohr Pep Guardiola die feinen Unterschiede der beiden Kontrahenten auf den Punkt. Ohne eingangs auf seine strategischen Überhöhungen - Gegnerlob als Methode - und stakkatohaften Wortschöpfungen zu verzichten. Leroy sei "ein Toptopspieler, nun muss er nur noch Titel gewinnen", konstatierte der 24-fache Titelträger aus Katalonien, der City sportlich auf das höchste Niveau gehoben hat.

Guardiola ist ein Fußball-Philosoph und -Ästhet, er weiß haargenau, welcher Zutaten es bedarf, um große Triumphe zu feiern. Gegen Hoffenheim sei es "ein unglaubliches Finish auf dem bestmöglichen Weg" gewesen. Im Grunde gilt dies im übertragenen Sinne für beide Duelle - das 2:1 in Sinsheim am 2. Oktober fiel in der 87. Minute.

Manchester taumelte im Hinspiel, im Rückspiel demonstrierte der englische Champion auch ohne seine Ausnahmekönner wie de Bruyne, David Silva, Fernandinho oder "Institution" Agüero seine Extraklasse. "Am Ende ist es ein Lernprozess und ein Qualitätssprung", meinte Nagelsmann zu den Kräfteverhältnissen, "wir sind nicht gespickt mit Topspielern, sondern haben viele Entwicklungsspieler, die vielleicht mal zu Topspielern werden."

Im Nachhinein betrachtet hat Hoffenheim das vorzeitige Champions-League-Aus oder die Fortsetzung in der Europa League in beiden Partien gegen Schachtar Donezk verzockt. Gewiss nicht in den prickelnden Auseinandersetzungen mit den "Citizens". Ungewollt legte Guardiola den Finger, nach klangvollen Hymnen auf die Nordbadener, in die Wunde der ausgeschiedenen Teams. "Die kleinen Details spielen eine solch große Rolle. Wenn du einmal am Tag schläfst, bist du sofort in der Europa League." Guardiola führte den naheliegenden Gedanken nicht weiter aus, wenn es zweimal, dreimal oder x-mal passiert - wie bei der Hoffenheimer Abenteuerreise leider geschehen.

Wie dem auch sei: Es ist seit dem 12. Dezember Geschichte. "Hoffe" geht raus mit Applaus - und erhobenen Hauptes inklusive eines ungemein wertvollen Erfahrungsschatzes für die Zukunft.

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