1899 Hoffenheim

Gegen Gent hatte Hoeneß den richtigen Riecher

Nach dem 4:1 in Gent steht die TSG Hoffenheim mit einem Bein in der Runde der letzten 32. Nicht nur Ishak Belfodil überragte.

30.10.2020 UPDATE: 31.10.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden
Wieder im Kreise der Mannschaft willkommen: Ishak Belfodil (Mitte) – hier beim Torjubel mit Mijat Gacinovic (links), Stefan Posch (hinten) und Ryan Sessegnon – hat das vergangene Jahr endgültig hinter sich gelassen. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Heidelberg/Gent. Fußballer brauchen vor allem ihre Füße. Manchmal auch den Kopf. Doch bisweilen ist die Nase alles entscheidend. Beim Stürmer, der schon vorher weiß, wo er hinlaufen muss, um den Ball ins Netz zu schieben. Torriecher nennt man das dann.

Aber auch ein Trainer kann das richtige Näschen haben. So wie Sebastian Hoeneß. Ein wenig verwundert war der Hoffenheimer Coach unter der Woche schon gewesen, als er gefragt wurde, was Ishak Belfodil – eigentlich so einer mit dem berühmten Torriecher – nach seiner fast einjährigen Zwangspause momentan noch fehlen würde. "Um ehrlich zu sein fehlt nicht so viel", entgegnete Hoeneß: "Wir wissen alle, dass er ein Jahr lang nicht gespielt hat – dafür finde ich, dass er schon auf einem sehr guten Level ist."

Dem Trainer reichte es jedenfalls, um den Algerier beim 4:1 im Europa-League-Gastspiel bei der KAA Gent am Donnerstagabend in die Startaufstellung zu beordern. "Selbstbewusstsein holt man sich über gute Leistungen und über Tore. Da hoffe ich, dass das frühzeitig kommt", hatte Hoeneß über seinen Angreifer gesagt.

Und wie es kam.

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Belfodil war einer der Hoffenheimer, die aus einem insgesamt überzeugenden Kollektiv noch herausragten. Er war emsig, im Strafraum präsent, suchte den Abschluss. Und er übernahm Verantwortung: Als der TSG beim Stand von 0:0 ein Elfmeter zugesprochen wurde, erinnerte sich der 28-Jährige an seine Hauptaufgabe: Andrej Kramaric bestmöglich vertreten. Also schnappte er sich den Ball – und verwandelte ähnlich souverän wie der kroatische Sturmführer, der erneut wegen seines positiven Corona-Tests nicht dabei sein konnte, das sonst zu tun pflegt.

Ein Treffer war’s, der wie eine Küchenrolle wirkte. Ein Tor, das eben alles, was im vergangenen Jahr passiert ist, wegwischte: Belfodil bekommt wieder Vertrauen geschenkt. Und Belfodil zahlt das Vertrauen mit Toren zurück.

Selbstverständlich ist das nicht.

Denn die schwere Knieverletzung, die sich vor einem Jahr als Kreuzbandriss herausstellte, hatte unschöne Begleiterscheinungen: Kurz vor Weihnachten 2019 erhob Belfodil schwere Vorwürfe gegen seinen Arbeitgeber. Er sei erst falsch diagnostiziert, dann falsch behandelt und am Ende sogar zum Spielen trotz Verletzung gezwungen worden.

Wohl dem, der einen Alexander Rosen als Manager hat. Erstaunlich besonnen reagierte der TSG-Sportdirektor. Das Tischtuch werde er nicht zerschneiden, die Tür sei nie ganz zu für "Belfo", dem schon vor seiner Zeit in Hoffenheim ein zweifelhafter Ruf vorausgeeilt war. Und der seine Meinung, nie wieder für "Hoffe" spielen zu wollen, schnell überdachte, als der ganz große Verletzungsfrust verflogen und das Comeback in Aussicht war.

Nun wird es der Leistung der Europapokal-Helden aus dem Kraichgau nicht gerecht, nur über Ishak Belfodil zu sprechen. Oliver Baumann, selbst einer der stärksten und mit seinem parierten Elfmeter ein Sieggarant, geriet regelrecht ins Schwärmen. "Wir haben phasenweise richtig geil gespielt, richtig gut von hintenrausgezockt", sagte Oli über den Auftritt seiner Kollegen, die regelrecht entfesselt wirkten. 33 (!) zu acht Torschüsse standen am Ende in der Bilanz.

Für Belfodil war es das erste Tor seit Mai 2019. Florian Grillitsch, der das 2:0 gemacht hatte, jubelte erstmals über einen Treffer seit der Geburt seiner Tochter in der Vorwoche. Für Mijat Gacinovic war sein Treffer in den Winkel zum 3:0 sein erster überhaupt im TSG-Trikot. Und am Ende war’s nicht nur der höchste Sieg, sondern auch der erste Auswärtserfolg überhaupt in "Hoffes" Europapokal-Geschichte.

Bei all den Premieren legen wir uns fest: Am Montagabend (20.30 Uhr/DAZN) im Heimspiel gegen Union Berlin folgt im dritten Anlauf an einem Montag der erste Sieg.

Ob auch wir den richtigen Riecher haben?

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