1899 Hoffenheim

Der historische Systemabsturz gegen Mainz 05

Der Hoffenheimer Höhenflug wird beim 1:5 gegen Mainz jäh gestoppt - Höchste Heimniederlage in der TSG-Bundesligageschichte

24.11.2019 UPDATE: 25.11.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 9 Sekunden
Fassungslos nach dem gestrigen 1:5 gegen den FSV Mainz 05: Die Hoffenheimer Robert Skov (v.l.n.r.), Pechvogel Pavel Kaderabek und Torhüter Oliver Baumann. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Sinsheim. Die TSG Hoffenheim war angetreten, um Geschichte zu schreiben. Nach zuletzt fünf Bundesliga-Siegen in Serie sollte am Sonntagabend im Heimspiel gegen Mainz erstmals der sechste Streich folgen. Von wegen Rekord!

Närrisches Treiben herrschte nach dem 1:5 (0:1) nur im Gästeblock bei den Anhängern des Karnevalsvereins, bei dem der neue Trainer Achim Beierlorzer einen Einstand nach Maß feiern durfte. Fünf Gegentore gab’s für "Hoffe" noch nie in der heimischen Arena. "Haben wir doch noch Historisches geleistet …", konstatierte ein sichtlich bedienter Torhüter Oliver Baumann und verabschiedete sich in Richtung Kabine: "Schönen Abend noch."

Dabei hatte TSG-Trainer Alfred Schreuder die erste Überraschung für Beierlorzer und die nur 23.129 Zuschauer in der Sinsheimer Arena parat: Kevin Akpoguma, Innenverteidiger im Hauptberuf, spielte im 3-4-3-System als linker Läufer ungewohnt offensiv. Ob’s daran lag, dass die "Nullfünfer" zu Beginn mächtig ins Straucheln gerieten? Schon früh hätte Jürgen Locadia, zuletzt dreimal hintereinander erfolgreich, das 1:0 erzielen müssen. Doch der TSG-Stürmer aus den Niederlanden scheiterte nach einem Fehler in der FSV-Deckung freistehend vor Mainz-Keeper Robin Zentner (2.).

Auch Sebastian Rudy hatte kein Glück. Seinen Versuch von der Strafraumgrenze klärte Kunde auf der Linie (15.). Direkt im Anschluss bewies Pavel Kaderabek artistische Körperbeherrschung, sein Seitfallzieher landete aber in Zentners Händen. "Das hätten wir gegen solch einen Gegner gebraucht, in Führung zu gehen", haderte Schreuder mit den vergebenen Chancen der Anfangsphase. "Dann wäre bei Mainz vielleicht die Verunsicherung zurückgekehrt."

Hintergrund

Die Spieler in der Einzelkritik

> Baumann: Fünf Gegentore. Ein gebrauchter Abend für den schuldlosen Torwart.

> Posch: Kein Sicherheitsgeber in der Abwehrkette.

> Vogt: Der Kapitän hatte das Ruder auf dem "Hoffe"-Schiff nicht fest im

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Die Spieler in der Einzelkritik

> Baumann: Fünf Gegentore. Ein gebrauchter Abend für den schuldlosen Torwart.

> Posch: Kein Sicherheitsgeber in der Abwehrkette.

> Vogt: Der Kapitän hatte das Ruder auf dem "Hoffe"-Schiff nicht fest im Griff.

> Hübner: Wo er hin grätscht, fliegen auch schon mal die Rasenfetzen. Nach dem 0:2 musste der Abwehrmann runter.

> Kaderabek: Zirkusreife Akrobatik bei der Volleyabnahme – und ein genauso spektakuläres Eigentor.

> Skov: Der gelernte Angreifer wurde beim 0:1 ausgetänzelt.

> Grillitsch: Der Taktgeber diesmal ohne richtiges Taktgefühl.

> Rudy: Fast-Torschütze. Von Videobeweis-Rotsünder Baku brutal erwischt. Das war nicht sein Abend.

> Bebou: Wollte durchstarten und wurde dabei immer wieder abgefangen. Zu selten effektiv genug.

> Locadia: Hätte früh treffen müssen und hatte auch noch zweimal Kopfball-Pech.

> Akpoguma: Überraschend als Linksaußen aufgeboten. Das Experiment misslang. Gelbtäter und zur Pause raus.

> Kramaric: Der kroatische Torjäger schaffte das 1:3. Mehr war nicht drin.

> Baumgartner: Konnte offensiv nichts bewirken.

> Stafylidis: Eine Viertelstunde lang ohne Wirkung dabei. awi

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Stattdessen kam alles ganz anders. Nach dem ansprechenden Beginn quittierte nicht nur die digitale Werbebande den Dienst, sondern auch die Hausherren stellten ihre Offensivbemühungen ein. Die Fehler häuften sich in einer schwachen ersten Hälfte auf beiden Seiten, doch es waren die Mainzer, die durch Levin Öztunali dem Dorfklub noch vor der Pause den Stecker zogen (34.).

Zwar starteten die Hausherren erwartungsfroh in den zweiten Durchgang, den sie nach Ridle Bakus Roter Karte (45.+2/Videobeweis) mit einem Mann mehr bestreiten durften. Doch während die Bandenwerbung im weiten Rund nach dem Seitenwechsel wieder einwandfrei funktionierte, war der Hoffenheimer Systemabsturz auf dem Rasen an diesem Abend nicht mehr zu reparieren.

Spätestens nach Pavel Kaderabeks kuriosem Eigentor, bei dem der Tscheche eine scharfe Hereingabe im Fallen mit dem Kopf ins eigene Tor bugsierte, war der mögliche Vereinsrekord in weite Ferne gerückt (52.). Vielmehr war’s ein Rückfall in vergessen geglaubte Zeiten, was die Schreuder-Schützlinge im zweiten Durchgang anboten: viel Ballbesitz, wenig Durchschlagskraft.

Und es sollte noch schlimmer kommen: Kunde erhöhte nach einem Konter auf 3:0 für das dezimierte Kellerkind (62.). Nur kurz kam noch einmal Hoffnung in der Hoffenheimer Südkurve auf, als Andrej Kramaric, mit dessen Einwechslung zu Beginn der zweiten Hälfte Schreuder das "Akpoguma-Experiment" beendet hatte, zum 1:3 traf.

Doch weil Jean-Paul Boetius (90.) und abermals Kunde (90.+3) zwei weitere Konter eiskalt vollendeten, steht in den Vereinsannalen kein sechster Erfolg hintereinander. Sondern neben einem 0:4 gegen Eintracht Frankfurt (2012) nunmehr ein 1:5 gegen Mainz 05 als höchste Hoffenheimer Heimpleite.

"Wir haben uns selbst in die Situation gebracht, immer Favorit zu sein", sagte Schreuder, "damit sind wir leider nicht gut umgegangen." Der eine oder andere habe vielleicht geglaubt, es gehe künftig auch mit nur 90 Prozent. Ging es nicht. "Auch wenn die Jungs das nicht mit Absicht gemacht haben", nahm der 47-Jährige sein Personal in Schutz.

Dem Höhenflug folgte ein Absturz in allen Bereichen. Nun gilt es, den Reset-Knopf zu drücken – um künftig wieder mit 100-prozentiger Leistungsfähigkeit auf dem Platz zu stehen.

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