1899 Hoffenheim

Darum zählt Nico Schulz zu den Gewinnern nach der WM 2018

Power- und Außenspieler der TSG bringt Pferdestärken auf den Platz. Stürmische Bilanz in der Nationalelf.

25.03.2019 UPDATE: 26.03.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Auch beim Torjubel kaum zu bremsen: "Mann des Jahres" Nico Schulz nach seinem 3:2. F.: dpa

Von Joachim Klaehn

Amsterdam. Nico Schulz (25) ist keiner, der sich gerne nach vorne drängelt. Zumindest trifft das aufs mediale Rampenlicht zu, das er gewöhnlich lieber meidet als sucht. Schulz bevorzugt generell Taten statt großer Worte - der gebürtige Berliner bleibt sich im Trikot des Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim und auch der deutschen Nationalmannschaft treu. Wäre er von den mitgereisten deutschen Journalisten im engen Bereich der Mixed Zone nicht explizit angehalten worden, der Außenverteidiger hätte das enge Areal der Dialogmöglichkeiten wie das Gros der niederländischen Elftal schnellstmöglich durch den Seitenausgang verlassen.

Doch nach seinem sechsten Länderspiel stand der Linksverteidiger mit im Fokus. Schulz hatte das 1:0 von Leroy Sané mustergültig über die Außenbahn vorbereitet, und er avancierte mit seinem späten Tor für den Ex-Weltmeister zum Matchwinner. Schulz grinste schelmisch: "Natürlich ist das ein geiles Gefühl." Die entscheidende Szene in der 90. Minute schilderte er prägnant - in seiner unnachahmlichen trockenen Art und Weise: "Marco und Ilkay (Anm. der Red.: Reus und Gündogan) sind nach links gegangen, dann ich in die Mitte - warum auch immer." Kunstpause. "Und dann kommt der Ball auch noch zu mir." Kunstpause. "Ich habe alles in meinen rechten Huf gelegt und der Ball ist reingegangen."

Ab und zu, so berichtete der ausgewiesene Linksfuß weiter, würde er es mit rechts versuchen. Vorzugsweise im Training, da komme es schon mal vor, dass er es mit dem schwächeren Fuß probiere. Selbstironisch und für seine Verhältnisse redselig blieb der TSGler bei seinem anekdotischen Duktus: "Ich wollte ihn ja sogar in die Ecke schießen, mit dem rechten ist das ja nicht so selbstverständlich." Und weiter: "War eher Zufall - viele Tore schieße ich ja nicht."

Darüber ließe sich ebenfalls streiten. In der Nationalmannschaft fällt seine bisherige Bilanz stürmisch aus. Sechs Länderspiele, zwei Tore - sehr, sehr ordentlich für einen Außenverteidiger. Zum Vergleich: In bislang insgesamt 116 Bundesliga-Spielen für Hertha BSC Berlin, Borussia Mönchengladbach und Hoffenheim (darunter 51 für den Kraichgauklub) hat Schulz vier Mal in den gegnerischen Kasten eingenetzt.

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Bei seinem Nationalmannschaftsdebüt am 9. September 2018 in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena war ihm ein facettenreicher Einstand gelungen. Erst bereitete er das 0:1 für Peru mit einem missglückten Hackentrick-Klärungsversuch vor, dann markierte Schulz den 2:1-Siegtreffer, damals etwas früher, und zwar in der 85. Minute. Auch ein wichtiges Tor, wenngleich nicht ganz so relevant wie das Kunststück in Amsterdam.

Vom Bayern-Hünen Niklas Süle sind nach der geglückten Revanche bei den Niederländern lediglich drei Worte verbrieft. Doch diese hatten es in sich und zeugten - im doppelten Sinne - von einer imposanten Schlagfertigkeit. Süle jedenfalls schlich sich von hinten an, haute Schulz einmal, zweimal kräftigst bei dessen pflichtschuldiger Öffentlichkeitsarbeit vor Kameras und Mikrofonen auf die Schulter und schrie völlig losgelöst: "Mann des Jahres!" Da musste Schulz noch breiter als gewöhnlich grinsen.

Sollten Fans des Nationalteams die "Valentinaden" des bayrischen Originals Thomas Müller schmerzlich vermissen, sowohl Schulz als auch Süle könnten das komödiantische Vakuum durchaus füllen. Die genannten Szenen boten als "Mitternachtsspitzen" kabarettistische Unterhaltung pur.

Sei’s drum: Der schnoddrige Schulz ist seit der deprimierend verlaufenen WM 2018 in Russland endgültig zum Gewinner im deutschen Nationalteam aufgestiegen. "Heute haben wir die PS auf die Straße gebracht", sagte Bundestrainer Löw in Amsterdam. Ob er Power- und Last-Minute-Mann Nico Schulz damit gemeint haben könnte, verriet Löw nicht. Es hätte jedenfalls 1899-prozentig dramaturgisch gepasst - zu Schulz, der wie kaum ein anderer deutsche Pferdestärke als Energiebündel und Dauerläufer auf der linken "Rennbahn" verkörpert.

Endlich, zu später Stunde, durfte Schulz vom Ich- ins Wir-Register wechseln. Das 3:2 zeige, "dass wir doch nicht so schlecht sind. Wir haben ein gutes Team und einen guten Spirit. Wir sind immer noch Deutschland!", sagte Schulz im Brustton der Überzeugung mit Trotz in der Stimme.

In diesem DFB-Kollektiv ist Nico Schulz zu einem relevanten Faktor und unverzichtbaren Bestandteil geworden. Warum? Die Dauerbaustelle linke Außenbahn existiert nicht mehr. Und von soliden Arbeitskräften wie Jonas Hector oder Marvin Plattenhardt redet - streng genommen - kein Mensch mehr. Schulz darf es als großes Kompliment begreifen.

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