1899 Hoffenheim

Behinderten-Fanbetreuer tritt wegen Corona-Neustart ab und kritisiert Verein (Update)

Michael Mildenberger: Wiederaufnahme des Spielbetriebs "nicht nachvollziehbar"

19.05.2020 UPDATE: 19.05.2020 12:40 Uhr 1 Minute, 44 Sekunden

Michael Mildenberger. Foto: Archiv

insheim. (of) "Nicht nachvollziehbar" findet es Michael "Charly" Mildenberger, dass die Verantwortlichen der TSG 1899 Hoffenheim einer Wiederaufnahme des Bundesliga-Spielbetriebes zugestimmt haben. Begriffe wie "TSG-Familie", "Soziale Verantwortung, Bildung und Gesundheit", "Vorbildfunktion für Jugend und Gesellschaft" sowie "Innovation und Weitblick" kämen nicht zum Ausdruck, wenn man in Zeiten des Corona-Virus Fußball spielt. Vor diesem Hintergrund hat der Behinderten-Fanbeauftragte der TSG seinen Posten zur Verfügung gestellt.

Er habe in den vergangenen Wochen keine 100-prozentige Überzeugung in einer für ihn wichtigen Sache gespürt, hat er in einem Brief an die Geschäftsstelle und Leitung der Fanbetreuung formuliert. "Ich hätte mir als Verein", so Mildenberger weiter, "eine klare Positionierung und Haltung sowie eine Vertretung dieser Werte nach außen hin gewünscht und mich gegen eine Wiederaufnahme der Spiele zum jetzigen Zeitpunkt gestellt". Dies wären "Schritte gewesen, die noch keiner ging". Diese Haltung hätte seiner Meinung nach entsprechende Spuren hinterlassen, gerade weil im Moment "die ganze Welt auf die Bundesliga schaut".

Dass Hoffenheim bei einem Boykott ein Zwangsabstieg aus der Bundesliga gedroht hätte, kann er sich nicht vorstellen. Vielmehr hält er es für wahrscheinlich, dass der TSG und den Funktionären eine Welle der Sympathie entgegengebracht worden wäre. Mildenberger vermutet, dass sich vielleicht der eine oder andere Verein solidarisiert und einer solchen Entscheidung angeschlossen hätte. Schließlich sei Hoffenheim auch in anderen Bereichen Vorreiter gewesen: Die Qualität der Behindertenbetreuung im Kraichgau habe sich deutschlandweit herumgesprochen und der Bezahl-Fernsehsender Sky habe für seine Reportage "Fußball hat euch lieb" Hoffenheim als einen von fünf Standorten ausgesucht. Guildo Horn hatte sich die Fanarbeit vor Ort einen Tag lang angesehen. Auch die DFL-Stiftung war zu Gast, um für ihr Jahresmagazin eine mehrseitige Reportage über das "Team Barrierefrei" zu erstellen.

Als Mildenberger 2008 bei einer Versammlung des Fan-Dachverbandes von Stadionsprecher Mike Diehl angesprochen und gefragt wurde, ob er sich vorstellen kann, fortan und ehrenamtlich für die TSG am Start zu sein, habe er nicht lange überlegt. Noch im gleichen Jahr gründete er mit weiteren Engagierten das Projekt "Integrativer TSG 1899 Hoffenheim-Fanclub". Ein "Internationales Fußballturnier für Behinderte" seien für ihn und die Menschen mit Behinderung stets wunderbare Erlebnisse mit vielfältigen Begegnungen gewesen. Dadurch sei das Thema "Inklusion" in der Welt des Sports längst fest in vielen Köpfen verankert.

"Ich habe in den fast zwölf Jahren bei der TSG 1899 Hoffenheim viele schöne Momente gehabt und neben etlichen sportlichen Highlights vor allem auch tolle Menschen kennengelernt", sagt Mildenberger. Neben viel Wehmut klingt bei ihm auch Demut durch "für viele Jahre, die mich als Mensch bereichert haben".

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Von einigen Fans hat Mildenberger für seinen Schritt großen Zuspruch erfahren. Die TSG äußerte Verständnis und Bedauern über seine Entscheidung, rechtfertigte aber die Entscheidung, zum Spielbetrieb zurückzukehren.

Update: Dienstag, 19. Mai 2020, 19.58 Uhr

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