Von Philipp Weber
Heribert Kampschröer ist katholischer Theologe, Klinikseelsorger, Experte für medizinische Ethik und ehrenamtlicher Vorsitzender des Heidelberger Vereins Lebens-Wege. Der Verein begleitet Trauernde: einige ein kurzes Stück, andere über einen längeren Zeitraum. Brigitte Wörner ist Trauerbegleiterin für Kinder, Jugendliche, Familien und Erwachsene sowie Mitglied im Bundesverband Trauerbegleitung.
Herr Kampschröer, Frau Wörner: Trauern Jugendliche schwerer als ältere Menschen?
Kampschröer: Grundsätzlich trauern Menschen auf ähnliche Weise. Dennoch gibt es Unterschiede. Zum einen trauern Jugendliche oft um Menschen, die vor ihrer Zeit gestorben sind. Um die Eltern oder den Freund beziehungsweise die Freundin. Der unerwartet frühe Verlust wird als erschwerte Trauer empfunden. In ihrem Umfeld dreht es sich außerdem oft um die Ausbildung oder ums Spaßhaben. Sie müssen sich daher Freiräume zum Trauern suchen.
Wörner: Je nach Lage der betroffenen Familien müssen Jugendliche und junge Erwachsene Verantwortung für jüngere Geschwister oder den Haushalt übernehmen. Andere fühlen sich verpflichtet, Ausbildung oder Studium schnellstens abzuschließen. Damit durchleben sie einen Reifeprozess, der vielen zu schnell geht.
Im Umfeld können aber auch Freunde sein, die sich Sorgen machen.
Wörner: Sie sollten eine Brücke zwischen zwei Polen bauen: Einerseits müssen sie die Probleme und Veränderungen des Freundes als solche annehmen, andererseits aber auch über eine mögliche Änderung der Situation reden. Vor allem dann, wenn jemand sich verschließt.
Kampschröer: Die Hauptsache ist: Reden, Reden und nochmals Reden. Ein Trauerprozess an sich macht keine Therapie nötig, aber er fordert Raum. Wir erleben oft, dass Freunde von Betroffenen auf eigene Faust recherchieren - und den ersten Anruf bei uns tätigen.
Wörner: Das Internet ist dabei ein entscheidendes Medium. Wenn Angehörige darüber klagen, dass sich Jugendliche abkapseln, bekommen sie von uns unter anderem Internetadressen, unter denen sie zum Beispiel Trauer-Chats finden.
Apropos Internet: Auf Ihrer eigenen Seite werben Sie mit dem Slogan "Durch Trauer-Wege zu Lebens-Wegen". Was meinen Sie konkret?
Kampschröer: Unser Ziel ist, Menschen ins Leben zurückzubringen. Da kann man keinen Schalter umlegen. Dazu gehört ein Prozess, dazu gehört Bewegung. Und damit meinen wir - gerade bei jungen Menschen - auch die äußere Bewegung. Das können kreative Dinge sein wie Tagebücher schreiben oder Zeichnen, aber auch Sport, etwa Klettern.
Gibt es Fälle, die Sie besonders bewegt haben?
Kampschröer: Mit am bewundernswertesten finde ich es, wenn junge Erwachsene einen Trauerprozess um den Partner annehmen. Wenn da jemand war, mit dem man sein Leben teilen wollte. Kürzlich hat eine Frau, die ihren Partner vor drei Jahren verloren hatte, eine Begleitpatenschaft für eine Frau übernommen, der das gerade erst passiert ist.
Wörner: Ich habe ein sehr junges Elternpaar erlebt, das den Tod des Kindes verarbeiten musste. Später wurde sie erneut schwanger. Sie haben dann gesagt: Unser verstorbenes Kind hat uns ein Geschwisterchen geschickt.
Und im umgekehrten Fall? Wie können schwer kranke Eltern mit ihren Kindern umgehen?
Wörner: Offenheit ist das oberste Gebot. Sie müssen die Kinder und Jugendlichen in den Prozess des Sterbens und Trauerns einbinden. Eine 19-Jährige ist zum Beispiel sehr wütend auf ihren Vater, weil der sie offenbar nicht ausreichend über die Lage seiner schwer kranken Frau aufgeklärt hat.
Kampschröer: Eltern sollten jede Möglichkeit zum Gespräch nutzen. Wichtig ist: Nicht alle Unterstützung muss aus der Familie heraus kommen. Es ist in Ordnung, wenn sich jeder seinen eigenen Raum zum Trauern sucht.