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Von Sabine Meuter
Mannheim. Das Gehirn gönnt sich keine Pause, rund um die Uhr ist es aktiv. Nachts beschert es Schlafenden so Träume. Szenen oder Erlebnisse spielen sich vor seinem geistigen Auge ab. Doch nach dem Aufstehen wissen viele oft nicht, ob und was sie geträumt haben. "Das ist völlig normal", sagt Prof. Michael Schredl, wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim.
Im Schnitt erinnern sich die meisten Menschen in Deutschland nur einmal die Woche daran, was genau der Inhalt des Traums war, so der Experte. Aber es gibt auch Menschen, die sich häufiger oder fast immer morgens an ihre nächtlichen Träume erinnern können. "Im Prinzip träumen alle Menschen beim Schlafen, andernfalls ist etwas mit dem Gehirn nicht in Ordnung", erklärt Schredl. Wie die Träume genau aussehen, ist dabei ganz unterschiedlich: Manchmal sind es Gedanken und Erinnerungen, manchmal eher fantasievolle Neuschöpfungen.
Und auch die Art des Traumerlebens ist im Lauf der Nacht ganz unterschiedlich. "Das liegt an den unterschiedlichen Zyklen, die der Körper während des Schlafens durchläuft", erläutert Alfred Wiater. Der Kinder- und Jugendarzt ist Vorstandsreferent der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).
So gleitet der Mensch nach dem Einschlafen über den Leichtschlaf zunächst in eine Tiefschlafphase. Der Körper ist entspannt, das Gehirn arbeitet wenig. Die Träume in diesen Schlafphasen sind kurz und abstrakt. Dann geht es hinüber in den REM-Schlaf. REM steht für "Rapid Eye Movements", also schnelle Bewegungen der Augen bei geschlossenen Lidern. "Im REM-Schlaf sind die Träume am intensivsten", so Wiater. Am frühen Morgen werden die REM-Phasen immer länger und damit auch die Träume.
Beim Aufwachen muss das Gehirn vom Schlaf- in den Wachmodus umschalten: Im Schlaf hat es Informationen verarbeitet, die es tagsüber aufgenommen hat. Doch im Wachzustand geht es nun eher darum, Reize von außen aufzunehmen. Bei diesem Umschalten geraten Trauminhalte oft in Vergessenheit.
Doch was träumen Menschen überhaupt? "In der Regel geht es um das, was einen tagsüber beschäftigt", erklärt Schredl. Das können schöne Dinge wie eine geplante Reise sein, aber ebenso Stress oder Ärger mit dem Vorgesetzten. Mitunter zeigt das nächtliche Kopfkino auch Szenen oder Erlebnisse, die mit der eigenen Welt erst einmal nichts zu tun haben. "Das zeigt, wie kreativ das Gehirn manchmal ist", so Schredl.
Sich mit Träumen auseinanderzusetzen lohnt sich nach Angaben des Experten auf jeden Fall. Denn so könne man viel über sich selbst lernen. Gerade auch von belastenden Träumen. "Ihnen liegt eine psychische Störung zugrunde, die aber sehr gut behandelbar ist", erläutert Annika Gieselmann, Psychologische Psychotherapeutin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Kehren Albträume immer wieder, gehen Experten davon aus, dass sich die zugrunde liegende Geschichte als Skript im Gedächtnis festgesetzt hat. Der Albtraum hat damit ein Eigenleben und sich von der Verarbeitung des Erlebten entkoppelt. Dagegen können Betroffene etwas tun, sagt Gieselmann. "Oft hilft es, sich entweder alleine oder mit einem Vertrauten zu überlegen, wie die Geschichte des Albtraums so verändert werden kann, dass sie nicht mehr schlimm ist."
Gieselmann nennt ein Beispiel: Ein Mann ist von dem nächtlichen Albtraum geplagt, dass er von einem Turm oder von einer Brücke in die Tiefe fällt. Er kann sich nun bewusst machen, dass die Folgen gar nicht so schlimm sind, weil für ihn unten ein Sicherheitsnetz gespannt ist, das ihn sanft auffängt. Oft ist das schon genug, um die Endlosschleife des Albtraum-Skripts zu durchbrechen.
Wenn diese Strategie nicht hilft, sollten Betroffene professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. "Ursache könnte dann gegebenenfalls eine psychische Belastungsstörung sein", erklärt Wiater. Besonders häufig sind Albträume nach seinen Angaben bei Kindern und Jugendlichen. Ängste bestimmten hier oft den Inhalt. Nach dem zehnten Lebensjahr hört diese Phase in der Regel auf. "Ein Grund könnte sein, dass ältere Kinder im Wachzustand lernen, sich aktiv mit Ängsten zu konfrontieren und lernen, dass man nicht immer weglaufen muss, wenn man Angst hat", so Schredl. Abzugrenzen von Albträumen ist der Nachtschreck. Dabei kommt es vor allem bei Kleinkindern bald nach dem Einschlafen zu einer dramatischen Angstreaktion aus dem Tiefschlaf heraus. Die betroffenen Kinder können sich in der Regel nicht erinnern - auch nicht am nächsten Morgen.
Egal, ob als Erwachsener oder als Kind: Wer sich nicht an seine Träume erinnert, kann das trainieren. So kann es zum Beispiel helfen, sich vor dem Einschlafen fest vorzunehmen, sich an den Traum erinnern zu wollen, sagt Schredl. Etwas zum Aufschreiben und Diktieren sollte griffbereit neben dem Bett liegen. Und während des Aufwachens wiederholt man das Geträumte immer wieder, wie ein Gedicht. So bleibt es im Gedächtnis.