Mörder überführt man künftig mit Magnetresonanztomografen und 3D-Drucker / Von Holger Buchwald
Die Mörder der Zukunft können ihre Taten nicht mehr so leicht vertuschen. Im Jahr 2030 zeigen Hochleistungs-Magnetresonanztomografen auch noch die kleinsten Blutungen der Opfer. DNA-Spuren am Tatort geben Auskunft über Haar- und Augenfarbe sowie die Statur des Täters. Drohnen machen aus der Luft detaillierte Aufnahmen vom Ort des Verbrechens.
Modernste Technik bietet Kriminaltechnikern und Rechtsmedizinern schon heute fast unbegrenzte Möglichkeiten. Doch was ist aus ethischen Gesichtspunkten vertretbar? Was fordern die Gesellschaft und der Rechtsstaat von der Rechtsmedizin? Und wie sieht es mit der Kostenübernahme für teure Untersuchungen aus? Um solche Fragen wird es bei der 95. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin gehen, die vom 30. August bis 3. September an der Universität Heidelberg stattfindet. Das Thema: Rechtsmedizin 2030.
Kathrin Yen ist Leiterin des Heidelberger Instituts und wird als Organisatorin zusammen mit den rund 300 Tagungsteilnehmern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum der Frage nachgehen, wie sich ihr Fach in den nächsten 14 Jahren fortentwickeln kann und wird. Ein Schwerpunkt ihrer eigenen Arbeit liegt bei den bildgebenden Verfahren. Zusammen mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem Institut für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) hat sie bereits bahnbrechende Kooperationen auf den Weg gebracht. Jetzt möchte Yen das Interdisciplinary Forensic Imaging Center gründen. Die Anträge werden im nächsten Jahr eingereicht.
Der Einsatz von Computer- und Magnetresonanztomografie (CT und MRT) sei für die Rechtsmediziner relativ neu. "Bis 2030 wird das weiter perfektioniert", ist sich Yen sicher. Möglicherweise werde die Autopsie sogar in einigen Fällen überflüssig. Eines ist indessen jetzt schon sicher: Heidelberg bietet optimale Voraussetzungen für die Grundlagenforschung in diesem Bereich. Yen und ihre Kollegen nutzen das Hochleistungs-MRT des DKFZ mit einer Feldstärke von sieben Tesla. Weltweit gibt es vielleicht 40 solcher Geräte. Jede noch so feine Schicht des Körpers können die Rechtsmediziner hiermit sichtbar machen. Auch auf den Flyer zur Jahrestagung ist solch ein Bild zu sehen. Es zeigt die Luftwege eines Mordopfers. "Schön" sei der Stichkanal durch die Lunge zu sehen, sagt die Ärztin. Die Radiologie ist für Yens Fachrichtung wie gemacht. "Verstorbene können gescannt werden. Da ist die Strahlungsdosis nicht relevant." Vor allem aber ist es nun auch besser möglich, Gewaltspuren an überlebenden Opfern zu dokumentieren.
"Bei einer Obduktion muss ich den Körper aufschneiden, damit ich ihn untersuchen kann und zerstöre ihn dabei gewissermaßen", sagt Yen. Die Bilder aus dem MRT können hingegen an Experten in der ganzen Welt geschickt werden und beliebig oft untersucht werden. Immer häufiger kommt es auch vor, dass die Gutachter die Datenwürfel für einen 3D-Druck nutzen und so zum Beispiel die Nachbildung eines Schädels mit zum Gerichtsprozess nehmen, an dem die Spuren der Gewalttat deutlich zu sehen sind. Die Angst, dass die Radiologen in Zukunft die Rechtsmediziner ersetzten sei dabei unbegründet, so Yen. Zum Lösen eines Falles brauche es beide Fachrichtungen und auch noch weitere Umstände: Die Auffindesituation am Tatort, Laboruntersuchungen und die Kooperation mit Staatsanwaltschaft und Polizei.
Es gibt sogar Überlegungen, automatisierte Verfahren zu entwickeln, mit denen jeder angelieferte Leichnam systematisch untersucht wird. Weitgehend automatisch sollen CT- und MRT-Aufnahmen gefertigt und Proben entnommen werden, um mögliche Vergiftungen oder Vorerkrankungen der Opfer zu erkennen. "Vielleicht wird das irgendwann zum Standard", meint Yen. Doch bevor die Roboter zum Einsatz kommen, könnte es noch gut und gerne 20 bis 30 Jahre dauern.
DNA-Spuren werden heutzutage nur genutzt, um einen genetischen Fingerabdruck des Täters zu gewinnen. "Die Gene geben aber noch viel mehr Auskunft", sagt Yen. Beispielsweise in Holland erforschen Molekularbiologen derzeit, inwieweit diese Informationen auch für gezielte Täterbeschreibungen genutzt werden können. "Kriminalistisch ist das sicher sehr interessant", weiß Yen. Gleichzeitig warnt sie aber auch vor einem "enormen Missbrauchspotenzial". Bevor man die DNA-Informationen umfassend nutzt, sei eine intensive ethische Diskussion notwendig.
Eines bleibt für Yen auch nach 2030 sehr wichtig: Dass die Rechtsmediziner jeden Fall immer aus neutraler Perspektive anschauen. Die Ärzte müssten eben immer auch nach Indizien suchen, die die Tatverdächtigen entlasten.
Fi Info: Info: Mehr zur Fachtagung der Rechtsmediziner unter www.dgrm.de.