Von Barbara Klauß
Ich bin Bauarbeiter!" Ein kleiner Junge steht in seinem Kinderzimmer und hält eine Bohrmaschine in die Luft, deren Spitze sich brummend dreht. "Papa hat auch so eine", fügt er stolz hinzu, bevor er versucht, ein Loch in die Wand zu bohren. Und tatsächlich sieht seine Spielzeug-Bohrmaschine der des Vaters zum Verwechseln ähnlich: vom dunkelgrünen Plastikgehäuse bis zum Logo, das in roten Buchstaben auf dem Gehäuse prangt.
Solches Lizenzspielzeug erobert zunehmend die Kinderzimmer: Seien es Markenprodukte, die für die Kleinen nachgebaut werden, ein Playmobil-Porsche, ein Mercedes-Lego-Truck, oder Filmhelden als Spielfiguren. Alles, was mit der Fantasy-Filmreihe Star Wars oder mit den Eisprinzessinnen Elsa und Anna aus den Animationsfilmen Frozen zu tun hat, verkauft sich wie von selbst. Solche Lizenzartikel spielten inzwischen eine enorm wichtige Rolle in der Branche, heißt es bei der Spielwarenmesse, die von morgen bis zum 2. Februar in Nürnberg stattfindet. Mit einem erwarteten Wachstum von 14 Prozent entwickelten sie sich wesentlich dynamischer als Spielwaren ohne Lizenz. Und ihre Bedeutung werde noch zunehmen, meinen die Macher der Messe. Zu den Treibern gehören insbesondere Lizenzgeber aus der Entertainment-Branche wie Walt Disney, Warner Bros oder Universal Brand Development.
Doch auch die Miniaturen, die Markenartikel in klein, sind gefragt. Wie etwa das Spielzeug der Firma Theo Klein. Das Unternehmen mit Sitz im pfälzischen Rambach wächst eigenen Angaben zufolge stetig und entwickelt ständig neue Produkte. Blättert man durch den Katalog, blickt man in eine detailgetreu nachgebildete Erwachsenenwelt. Da gibt es einen Kugelgrill von Weber, Traktoren von John Deere, Kaffeemaschine und Handrührer von Braun, Waschmaschine und Staubsauger von Miele, Töpfe und Waffeleisen von WMF, Wäscheständer und Bügelbrett von Leifheit, Kehrblech und Wischmop von Vileda – einer Marke, die zur Weinheimer Unternehmensgruppe Freudenberg gehört. Alles aus Plastik. Wirklich echt ist nur das Markenlogo.
Gebaut werden die kleinen Küchenmaschinen und Kehrbleche nicht von den Firmen, deren Logos darauf kleben, sondern von der Theo Klein GmbH. Ein Teil der Einnahmen geht als Lizenzgebühren an die Hersteller der Originalgeräte. Wie viel, verraten die Beteiligten nicht.
Für John Deere, den US-amerikanischen Landmaschinenhersteller, sind die Spielzeug-Traktoren mit dem springenden Hirsch im Logo nur ein Teil der Merchandise-Artikel, wie ein Unternehmenssprecher erklärt. Im John Deere Forum in Mannheim auf dem Gelände des Traktorenwerks stehen sie in einem Laden zwischen Kappen, T-Shirts, Kissen und einem Schaukelpferd. Diese Artikel seien ein Angebot für diejenigen, die die Traktoren "cool" fänden und dabei sein wollten – wenn sie schon keinen echten "John Deere" fahren könnten, so der Sprecher.
Volker Mehringer, der an der Universität Augsburg über Spielzeug forscht, betrachtet die Lizenzprodukte als Win-win-Situation für beide Seiten – wenn es gut läuft. Der Spielzeughersteller setzt sich von der Masse ab. Der Hersteller des Originalprodukts taucht mit seinem Logo in Spielzeugkatalogen und -läden auf – und natürlich im Alltag von Eltern und Kindern. Die Unternehmen verschaffen sich so gegenseitig Aufmerksamkeit.
Dank Spielzeug können die Kleinen Bananen schneiden ...Natürlich sei das Werbung im Kinderzimmer, meint Kai-Uwe Hellmann, Konsumsoziologe an der TU Berlin – auch wenn sie nicht unbedingt so wahrgenommen werde. "Man platziert ein Produkt sichtbar mit Markennamen in einer Umgebung, in der man es nicht erwartet." Ein solches Product Placement (also eine Produktplatzierung) kennt man sonst vor allem aus Filmen oder Musik-Videos – wenn dort neue Automodelle in Szene gesetzt werden. Aber auch aus Zeitschriften, Musik-Videos, Videospielen oder sogar aus Comics. Für die Platzierung zahlen die Hersteller in aller Regel.
Ebenso wie bei diesem Product Placement gehe es bei den Miniatur-Markenartikeln im Kinderzimmer um Kundenbindung, erklärt Soziologe Hellmann. "Je früher man an eine Marke herangeführt wird, je öfter sie in der eignen Lebenswelt auftaucht, desto eher prägt sie sich ein." Der Gegenstand wird in der Wahrnehmung fest mit dem Namen und dem Logo verbunden. Bei einem Bohrer wird automatisch an Bosch gedacht, bei einem Wischmop an Vileda. "Und je früher das eintritt, desto stärker ist es", sagt Hellmann.
Allerdings, fügt der Konsumsoziologe hinzu, könne das Kind mit den Nachbildungen Bezug nehmen auf Menschen, die ihm wichtig sind – auf Mutter und Vater, auf Oma und Opa, die mit den gleichen Geräten in groß hantieren.
"Kinder greifen gerne zu Dingen, die ihnen vertraut sind", erklärt auch Spielzeugforscher Mehringer. Etwa weil sie sie aus Filmen oder Büchern kennen. Oder weil die Eltern sie benutzen. Sie spielen Alltagssituationen nach, versetzen sich in die Rolle der Erwachsenen, versuchen ebenso mit dem Bohrer ein Loch in die Wand zu bohren. "Das ist das Grundprinzip des Spielens", sagt Mehringer: "Sich die Welt begreifbar zu machen."
Dem Kleinkind reicht dafür noch ein Holzstück mit vier Rädern. Doch: "Je älter Kinder werden, desto größer wird der Anspruch, dass die Gegenstände realistischer, detailgetreuer sein sollen", erklärt der Spielzeugforscher. Statt des schemenhaften Holzautos soll es später ein Matchboxauto mit Türen, Scheinwerfern – und womöglich einem Stern auf dem Kühler sein. Manches größere Kind begeistert es gerade, ein kleines Auto in der Hand zu halten, das genauso aussieht wie eines, das tatsächlich über die Straße rollt.
... oder sägen wie Eltern oder Großeltern.Allerdings zielen die Lizenzprodukte Mehringers Erfahrung nach nicht nur darauf, den Nachwuchs anzusprechen. Meist seien es, gerade bei den kleinen Kindern, doch die Eltern, die das Spielzeug aussuchten. Und die fänden es oft einfach witzig, dem Kind einen Staubsauger zu kaufen, der genauso aussieht wie ihr eigener.
Dabei kann auch ihre eigene Markenbindung eine Rolle spielen: Sind Mutter oder Vater überzeugt von der Qualität einer bestimmten Marke, greifen sie womöglich auch beim Spielzeug eher zu dieser – obwohl das Spielzeug abgesehen vom Logo und der Lizenz nicht viel mit dem Originalprodukt zu tun hat.
Holen sie sich so sorglos Werbung ins Haus? Ganz generell plädiert Mehringer dafür, sich mehr Gedanken darüber zu machen, was man seinem Kind in die Hand gibt. Häufig werde Spielzeug sorglos gekauft, meint er. Eltern sollten sich öfter fragen: Regt ein Spielzeug zum Spielen an? Wie vielseitig kann man damit spielen? Fördert es die Entwicklung? Bietet es meinem Kind neue Herausforderungen?
Zudem rät der Spielzeugforscher, den Wunsch des Kindes nach einem bestimmten Spielzeug auch mal zu hinterfragen. Etwa, wenn es eine Figur, die es aus einem Film kennt, unbedingt haben will – obwohl sie womöglich gar kein gutes Spielzeug ist. "Kinder fallen oft auf Werbestrategien herein", meint Mehringer.
Sich dem zu entziehen, ist schwer: Fast immer und überall sind Kinder von Werbung umgeben: auf Plakaten, im Fernsehen, im Radio, durch Spielkameraden. "Man kann Kinder nicht abschotten von all der Werbung, all dem Marketing, all dem Merchandising, die uns in unserem Alltag überall umgeben", sagt Mehringer. Doch gerade weil die Kinder so früh zur Zielgruppe werden, fände er es sinnvoll, sie für den Umgang damit zu sensibilisieren. Auch dieses Thema könne man mit den Kleinen besprechen, meint er – in kindgerechter Weise.
Dass allerdings ein einzelnes Spielzeug mit Markenlogo eine große Wirkung entfaltet, glaubt weder Spielzeugforscher Mehringer noch Konsumsoziologe Hellmann. Zwar gebe es wenig Forschung zu dem Thema – "aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Spielzeug-Akkubohrer dazu führt, dass ich ein Leben lang Bosch kaufe". Hellmann sieht das ähnlich: "Solches Spielzeug ist nur ein winziges Element dessen, was Kinder in ihrem Alltag um sich haben", sagt er. Womöglich präge es viel mehr, wenn der Vater einen Bohrer einer anderen Marke besitze – weil der Vater ein Vorbild sei. Zudem verlören Kinder meist schnell das Interesse an einem bestimmten Gegenstand. "Es kann also sein, dass das Spielzeug mit dem Markenlogo vollkommen untergeht."