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Von Matthias Kros
Ludwigshafen. Kurz nach Inkrafttreten der neuen Homeoffice-Vorgaben des Bundesarbeitsministeriums gibt es Ärger in der Region. Die Gewerkschaft IG BCE kritisierte am Donnerstag das Ludwigshafener Chemieunternehmen Raschig, weil die Geschäftsführung sich weigere, den Mitarbeitern Homeoffice-Arbeitsplätze anzubieten. "Mehreren unserer Mitglieder wurde ein entsprechender Wunsch pauschal ausgeschlagen", ärgert sich Gunther Kollmuß, Leiter des Bezirks Ludwigshafen. Raschig gehört seit 2016 zur kalifornischen PMC Global, einem weltweit operierenden Chemiekonzern.
Die neue "SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung" des Bundesarbeitsministeriums, die die Regelungen zum Homeoffice enthält, ist seit Mittwoch in Kraft. Sie besagt, dass ein Arbeitgeber den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anbieten muss, diese Tätigkeiten in der eigenen Wohnung auszuführen, "wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen". Die Verordnung dient dem Corona-Infektionsschutz am Arbeitsplatz und soll sicherstellen, dass Homeoffice nicht einfach willkürlich verweigert werden kann.
Das aber wirft Kollmuß dem Raschig-Management in den USA vor. Weil Hygienevorschriften umgesetzt seien und für die Mitarbeiter genügend Einzelbüros zur Verfügung stünden, habe die Geschäftsführung Homeoffice "pauschal ablehnt", so der Gewerkschaftsvertreter. "So einfach geht das aber nicht", ist er mit Blick auf die neuen Vorgaben des Bundesarbeitsministeriums überzeugt. Zwar gebe es bei dem Chemieunternehmen zahlreiche Produktionsarbeitsplätze, bei denen sich die Arbeit tatsächlich nicht so einfach nach Hause verlagern lasse. Aber für die Positionen in der Verwaltung oder der Produktionsplanung gelte das nicht. Ihre Gesundheit werde völlig unnötig gefährdet.
Raschig beschäftigt in Ludwigshafen rund 220 Mitarbeiter und produziert unter anderem Kunststoffe, Spezialchemikalien und Straßenbaumaterialien. Eine Stellungnahme zu den Vorwürfen war am Donnerstag in Ludwigshafen nicht zu erhalten.
Kollmuß stört sich vor allem an der Art und Weise, wie bei Raschig mit dem Thema Homeoffice umgegangen werde. Aus den USA käme dazu einfach eine "pauschale Anweisung" und die Sache sei damit erledigt. Das aber will die Gewerkschaft nicht so stehen lassen. Man habe daher eine E-Mail in die USA versandt, in der man die Führungsmannschaft auffordere, ihr Verhalten zu korrigieren. "Dafür haben wir eine Frist bis zum kommenden Montag gesetzt", so der Arbeitnehmervertreter. Falls die Geschäftsführung nicht darauf reagiere, werde man mit "coronakonformen Aktionen" dagegen protestieren, kündigte Kollmuß am Donnerstag an.
Zuständig für die Durchsetzung der Regeln der Homeoffice-Vorgaben ist die Arbeitsschutzbehörde der jeweiligen Bundesländer. Auf Verlangen der Behörde muss der Arbeitgeber Gründe darlegen, weshalb Homeoffice angeblich nicht möglich ist. Deshalb habe man sich bereits an das Arbeitsministerium in Mainz gewandt, das den Fall auch aufgenommen habe, berichtet Kollmuß. Theoretisch sind sogar Bußgelder von bis zu 30.000 Euro möglich, die Verordnung gilt mindestens bis Mitte März.
Dass trotz Corona-Pandemie viele Beschäftigte noch ins Büro gehen, anstatt von zu Hause aus zu arbeiten, zeigte zuletzt auch eine Studie des IT-Branchenverbands Bitkom vom Dezember 2020. Demnach könnten 55 Prozent aller Schreibtisch-Jobs zumindest teilweise auch von zu Hause aus erledigt werden. Doch nur 45 Prozent der Erwerbstätigen nehmen das Angebot auch wahr. "Dabei arbeiten lediglich 25 Prozent der Homeoffice-Berechtigten vollständig zu Hause, 20 Prozent zumindest teilweise", heißt es.