Von Barbara Klauß
Heidelberg. Ende des Jahres ist definitiv Schluss bei Haldex in Heidelberg. Daran lässt Werksleiter Manfred Vogel keinen Zweifel. Die Entscheidung des Vorstands sei gefallen, ein Käufer für das Gebäude in Wieblingen gefunden. "Der Abschluss steht kurz bevor." Dennoch wollen Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall weiter um die Arbeitsplätze kämpfen.
Überraschend hatte der schwedische Nutzfahrzeug-Zulieferer Haldex im Oktober verkündet, das Werk schließen zu wollen, in dem derzeit noch Bremssysteme und Luftfederungen für Lastwagen hergestellt werden. Von den rund 100 Stellen sollen lediglich 17 in Verwaltung und Vertrieb erhalten bleiben – allerdings verteilt über ganz Deutschland.
"Das ist traurig. Und natürlich schwierig für die 80 Familien", erklärt Werksleiter Vogel nun im Gespräch mit der RNZ. Dennoch verteidigt er die Pläne: Es sei nun einmal die Aufgabe des Managements, das Unternehmen so zu gestalten, dass es eine Zukunft habe.
Haldex hinkt Ertragszielen hinterher und hält es daher für unvermeidlich, Standorte zusammenzulegen, um Fixkosten zu sparen. So soll die Produktion aus Heidelberg in ein bestehendes Werk nach Ungarn verlegt, die Entwicklung in einen Standort in England integriert werden. Auch ein Werk in den USA wird gerade geschlossen. Aus acht Produktionsstandorten weltweit sollen sechs werden, aus drei Entwicklungsstandorten zwei. Bei einem Unternehmen mit einer halben Milliarde Euro Umsatz und rund 2500 Mitarbeitern weltweit stelle sich schon die Frage, wie sinnvoll es sei, so viele Standorte zu unterhalten, meint Vogel.
Die Beschäftigten in Heidelberg und die Gewerkschaft sehen das anders. Ihrer Einschätzung nach hat der Standort eine große Bedeutung für die gesamte Gruppe. "Wir gehen davon aus, dass das Unternehmen ohne Heidelberg nicht überlebt", erklärt der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Heidelberg, Michael Seis, am Donnerstag. "Unserer Ansicht nach wird hier auf lange Sicht Aktionärsvermögen vernichtet."
Mitte Januar hatten Arbeitnehmervertreter den Verantwortlichen in Schweden einen Plan zur Rettung des Werkes vorgelegt. Dieser sah unter anderem vor, Entwicklung und Versuch in Heidelberg wieder auszubauen. Erst im Jahr 2014 war ein Großteil dieses Bereichs aus Heidelberg nach England verlegt worden. Seither, so Gewerkschafter Seis, habe Haldex "kein vernünftiges Produkt mehr auf den Markt gebracht".
Werksleiter Vogel hält es hingegen für sinnvoll, die mit nicht einmal zehn Mitarbeitern wesentlich kleinere Abteilung aus Heidelberg in den wesentlich größeren Standort in England mit mehr als 80 Mitarbeitern zu integrieren. Zudem liege in Heidelberg der Fokus auf Produkten, die mit Druckluft betrieben werden. In England zusätzlich auf Elektrik und Elektro – aus Vogels Sicht die Technologie der Zukunft.
In ihrem Rettungsplan sowie einem Offenen Brief an die Verantwortlichen in Schweden hatten die Beschäftigten zudem gefordert, die Montagefähigkeit in Heidelberg zu erhalten. Acht Produktionslinien stehen noch in der etwa 1500 Quadratmeter großen Halle in Wieblingen, an denen Mitarbeiter Komponenten – meist von Hand – montieren. "Die hauptsächliche Tätigkeit hier ist, Dinge zu verschrauben", sagt Werksleiter Vogel. Eine Tätigkeit, die innerhalb von ein paar Tagen erlernt werden könne. 38 Menschen arbeiten hier. In der Instandhaltung sind drei Mitarbeiter. Dafür seien differenziertere Kenntnisse nötig, so Vogel. Doch ob diese Produktionslinien hier stünden oder irgendwo anders auf der Welt, mache in Bezug auf Montagetätigkeit selbst keinen Unterschied.
Der Standort ist inzwischen ein reines Montagewerk, erklärt der Werksleiter. Die Komponente, die hier montiert werden, kommen aus der ganzen Welt. Bis vor gut zehn Jahren gab es noch eine mechanische Fertigung. "Damals waren hier noch Leute mit anderen Tätigkeiten beschäftigt", sagt Vogel: Werkzeugmacher, Dreher und Fräser etwa. Doch diese Zeiten sind vorbei.
Der Standort in Heidelberg, der zu dem traditionsreichen Unternehmen "Graubremse" gehörte und 1998 an Haldex überging, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. In der Hochzeit in den 1980er-Jahren beschäftigte das Unternehmen mehr als 900 Menschen. Mehrfach stand das Werk vor dem Ende, sollte übernommen werden, immer wieder gab es Entlassungswellen.
Auch auf diese lange und wechselvolle Geschichte verweisen die Beschäftigten immer wieder. "Eine Schließung des Betriebs kann nicht der Dank von Haldex für den Einsatz und die gesamten Anstrengungen der Heidelberger Beschäftigten sein", heißt es etwa in ihrem Offenen Brief. "Belegschaft und Betrieb haben eine Zukunft verdient."
Werkleiter Vogel sieht und schätzt das Engagement der Belegschaft. Doch sei es nun einmal die Aufgabe des Managements in Schweden, bei allem Verständnis für Tradition und Geschichte des Unternehmens, die Zukunft im Blick zu haben, sagt er. "Das Gestern gestaltet nicht das Morgen."
"Wir haben volles Verständnis für die persönliche Not, die diese Entscheidung für unsere Mitarbeiter bedeutet, und es ist bedauerlich für die Betroffenen", hieß es auch kürzlich in einer Reaktion der Haldex-Chefin Helene Svahn. Doch teile man die Einschätzung des Betriebsrats nicht. Der Rettungsplan des Gremiums wurde abgelehnt. Das Konzept stehe nicht im Einklang mit der allgemeinen Forschungs- und Entwicklungs-Strategie und führe nicht zu den notwendigen Einsparungen bei Haldex, hieß es.
Die Antwort, die Svahn dem Betriebsrat geschickt habe, sei ein "Offenbarungseid" gewesen, meint nun Gewerkschafter Seis. Sie habe Fragen nicht beantwortet und sei Belege für ihre Behauptungen schuldig geblieben.
Ob der Austausch von Argumenten noch etwas bringt, ist ohnehin fraglich. Die Entscheidung in Schweden ist gefallen. Gerade ist Haldex Vogels Angaben zufolge dabei, das Gebäude in Wieblingen zu verkaufen – an ein anderes Produktionsunternehmen. "Der Abschluss steht kurz bevor", erklärt Vogel. Wann der Verkauf abgeschlossen sein wird, kann er noch nicht sagen. Er geht aber davon aus, dass es noch in diesem Jahr sein wird – unter Wahrung der rechtlichen Erfordernisse.
Auch die Stadt Heidelberg, die ein Mitspracherecht habe, was mit dem Gebäude geschehe, habe ihr Einverständnis bereits gegeben. Die Stadt arbeite mit an einer Lösung, damit dort weiterhin ein Produktionsstandort bestehe, erklärt ein Sprecher. Aktuell gebe es vielversprechende Gespräche, in die die Wirtschaftsförderung der Stadt eingebunden sei.
Eigentlich war die Schließung des Werkes für die erste Jahreshälfte angekündigt. Dieser Zeitplan sei allerdings nicht mehr zu halten, so Vogel. Er rechnet nun mit dem dritten Quartal – und appelliert an die Arbeitnehmervertreter, die verbleibende Zeit für die Aushandlung eines Sozialplans und eines Interessenausgleichs zu nutzen. "Wir würden uns freuen, wenn wir mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft eine faire und realistische Lösung finden würden", sagt Vogel. Ende März sei ein Termin für eine Einigungsstelle angesetzt.
Gewerkschafter Seis jedoch spricht von widersprüchlichen Signalen aus der Führungsspitze von Haldex und erklärt: "Wie soll ich mit denen über einen Interessenausgleich verhandeln, der eine Schließung vorsieht? Das ist grotesk."
Im Januar hatten die Beschäftigten geschrieben, sie hofften noch immer auf konstruktive Gespräche über die Zukunft des Standortes. Denn eine Schließung wäre "für uns und unsere Familien mit untragbaren sozialen Folgen verbunden".