Geplante Siemens-Alstom-Fusion

"Airbus für die Schiene" steht vor dem Aus

Siemens und Alstom wollten Zugsparten zusammenlegen, doch die EU-Wettbewerbshüter durchkreuzen Insidern zufolge die Pläne.

05.02.2019 UPDATE: 06.02.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden

Ein TGV und ein ICE stehen auf einer Rheinbrücke in Kehl: Die EU-Wettbewerbshüter werden die geplante Bahn-Fusion von Siemens und dem französischen Konkurrenten Alstom untersagen. Foto: dpa

Brüssel. (dpa/AFP) Die EU-Wettbewerbshüter werden die geplante Bahn-Fusion von Siemens und dem französischen Konkurrenten Alstom am heutigen Mittwoch untersagen. Das erfuhren die Presse-Agenturen dpa und AFP gestern aus informierten Kreisen. Das Großprojekt eines "Airbus für die Schiene" ist damit gescheitert.

Der ICE-Hersteller Siemens und der TGV-Bauer Alstom wollten ursprünglich ihre Bahnsparten zusammenlegen, um zu Europas größtem Produzenten aufzusteigen und vor allem im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Der Blick richtete sich dabei vor allem auf den weltweit größten Zughersteller aus China, CRRC, der seine Fühler mittlerweile auch nach Europa ausstreckt.

Siemens und Alstom wollten dem einen europäischen Großkonzern entgegenstellen. Doch daraus wird nun wohl nichts. Die EU-Kommission hatte erhebliche Bedenken, dass sich der Zusammenschluss negativ auf den Binnenwettbewerb in Europa und letztlich auch auf die Verbraucher auswirken würde.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sah das Vorhaben bereits in den vergangenen Wochen äußerst kritisch. "Es ist nur so, dass Champion zu sein in diesen herausfordernden Zeiten mehr bedeuten muss, als nur eine europäische Flagge zu schwenken", sagte sie unlängst. Europa könne starke Unternehmen nicht mit Fusionen aufbauen, die dem Wettbewerb schadeten. Details ihrer Ablehnung sollte sie nun am heutigen Mittwoch mitteilen.

Die Entscheidung dürfte in Berlin und Paris erheblichen Unmut auslösen. Sowohl die Bundesregierung als auch die französische Regierung hatten sich in den vergangenen Wochen für den Zusammenschluss starkgemacht. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) forderte etwa europäische "Champions". Gesten stellte er zudem seine "Nationale Industriestrategie 2030" vor, mit der er die Schaffung deutscher Weltkonzerne fördern will (s. Artikel unten). Auch in Paris wurde ein Verbot erwartet. Eine solche Entscheidung sei "ein Geschenk an China" und eine "äußerst strikte" Auslegung des Wettbewerbsrechts, die "gegen europäische Interessen" gehe, hieß es gestern aus französischen Regierungskreisen. Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hatte jüngst schon kritisiert, industrielle Entscheidungen im 21. Jahrhundert könnten "nicht auf der Grundlage von Wettbewerbsregeln getroffen werden, die im 20. Jahrhundert festgelegt wurden".

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Der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen bei der Europawahl, Manfred Weber (CSU), wurde deutlicher: "Für mich wäre diese Entscheidung ein schwerer Fehler", schrieb er in einem Gastbeitrag in der französischen Zeitung "L’opinion" vom Montag. Die Kommission würde demnach "das einzige Unternehmen im Keim ersticken", das es auf dem Weltmarkt für Eisenbahntechnik mit dem chinesischen Staatsunternehmen CRRC aufnehmen könnte.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der derselben Parteienfamilie wie Weber und Altmaier angehört, verteidigte die Wettbewerbspolitik seiner Behörde. "Wir werden immer Wettbewerb zulassen, der fair ist für Unternehmen und letztlich fair für Verbraucher", sagte er gestern in Brüssel. Die Kommission werde aber "niemals Politik spielen oder bevorzugen, wenn es darum geht, gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen". Europa können keinen "Monopolisten für Bahntechnik" brauchen, erklärte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Wettbewerb und Innovationskraft führten zu internationaler Wettbewerbsfähigkeit.

Um die negativen Auswirkungen auf den europäischen Wettbewerb zu minimieren, verlangten die EU-Wettbewerbshüter von Siemens und Alstom unter anderem weitreichende Veräußerungen bei der Signaltechnik sowie langjährige Lizenzierungen von Technik für Hochgeschwindigkeitszüge. Ende Januar legten die beiden Unternehmen noch einmal in einem ungewöhnlichen Schritt Zugeständnisse nach. Da wurde jedoch bereits gemutmaßt, dass diese möglicherweise nicht ausreichen könnten. Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge sagte der Tageszeitung "Le Figaro", einen zweiten Anlauf für eine Fusion mit Siemens werde es nicht geben.

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