Gläserner Kunde

Zahlungsdienste haben Zugriff auf Konten

Drittdienste mit Zugriff aufs Konto erleichtern Verbrauchern den Umgang mit Geld.

30.10.2019 UPDATE: 30.10.2019 14:11 Uhr 2 Minuten, 45 Sekunden
Kontoinformationsdienste können übersichtlich auflisten, wohin das Geld auf unterschiedlichen Konten geflossen ist. Foto: dpa

Berlin/Halle (dpa) - Wie viel Gehalt geht jeden Monat auf dem Girokonto ein, wo lässt der Eigentümer besonders viel Geld - und kann die Urlaubsreise in die Karibik wirklich bezahlt werden? Antworten auf diese Fragen bekommen Kontoinformationsdienste. Sie erhalten ebenso wie Zahlungsauslösedienste Zugriff auf Konten - nachdem der Kunde ausdrücklich eingewilligt hat.

Was bedeutet das für Verbraucher?

Ganz neu ist das alles nicht: Schon bisher konnten Kunden Diensten erlauben, auf ihr Konto zuzugreifen. Seit dem 14. September dürfen dies aber nur noch Dienste, die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) in einer Liste geführt werden. Die Institute müssen dafür passende technische Schnittstellen zur Verfügung stellen. Da sich die technische Umsetzung verzögert hat, dürfen aber vorerst auch ältere Schnittstellen verwendet werden.

Die Neuerungen sind eine Folge der zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie, nach ihren englischen Initialen auch als PSD2 bekannt. Sie wurde im Zahlungsdienste-Aufsichtsgesetz (ZAG) in nationales Recht umgesetzt. Damit wurden "neue einheitliche Rahmenbedingungen für Banken, Drittdienste und Kunden" geschaffen, erklärt Fabian Schuster vom Bundesverband deutscher Banken. Sie ermöglichen Kunden den technisch sicheren Zugriff auf ihre Zahlungskonten.

Kontoinformationsdienste müssen registriert sein

Zwei Konzepte sind betroffen. "Kontoinformationsdienste führen die verschiedenen Girokonten in einer App zusammen", erklärt Yvonne Röhling von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Sie geben so eine Übersicht über die finanzielle Situation.

Wer solche Dienste leisten möchte, muss sich bei der Bafin registrieren lassen - 25 Einträge waren Ende Oktober verzeichnet.

Zahlungsauslösedienste, das zweite Konzept, sollen Online-Zahlungen erleichtern. Drittanbieter wickeln diese beispielsweise für Internethändler ab. Statt sich ins Online-Banking einzuloggen, können Kunden die Überweisung direkt über den Drittdienst beauftragen. Dafür braucht der Dienst Zugang zu den Kontodaten.

Zwölf Unternehmen haben bis Ende Oktober eine Bafin-Erlaubnis erhalten. Sie müssen sich laut ZAG unter anderem für den Haftungsausfall absichern. Unternehmen können aber auch die Lizenzen von Zahlungsdiensten nutzen, selbst von Diensten aus dem Ausland.

Neu: Nutzer müssen ausdrücklich zustimmen

Verbraucherschützer werten positiv, dass Verbraucher dem Zugriff nun ausdrücklich zustimmen müssen. "Kontoinformationsdienste sehen alle Umsätze. Ab dem Zeitpunkt, in dem man die Erlaubnis erteilt, können sie auf das Konto zugreifen und bekommen Echtzeitdaten übermittelt", sagt Röhling.

Nutzer sollten sich bewusst sein, welch sensiblen Daten dies betreffe, warnt die Verbraucherschützerin. "Aufgrund der Umsätze und der hinterlegten persönlichen Daten kann sich der Kontoinformationsdienst ein recht umfangreiches Bild vom Verbraucher machen und ist somit in der Lage, zielgerichtete Angebote zu unterbreiten." Zum Beispiel für den Wechsel des Stromanbieters oder für eine vermeintlich kostengünstigere Versicherung.

Rat: Verbraucher müssen Daten trotzdem schützen

Daher lautet der Experten-Appell: "Man kann Verbrauchern immer ganz klar raten, mit ihren Daten sparsam umzugehen. Sie sollten kritisch sein, welcher App sie welche Daten anvertrauen." Denn: "Der Dienst weiß dann tatsächlich ganz genau, wie viel der Verbraucher verdient, wie viel Weihnachtsgeld er erhält, ob er eventuell Unterhalt zahlt", erläutert Röhling.

Verbraucher sollten außerdem Angeboten genau prüfen, die auf Grundlage ihrer Daten gemacht werden. Röhling rechnet damit, dass nur Produkte bestimmte Anbieter angeboten werden, die eine Provision zahlen.

Wichtig sei auch der Blick auf die Daten, wenn man den Dienst nicht mehr nutzen möchte: "Wir haben die Sorge, dass Verbraucher nur die App löschen und denken, dass dadurch der Kontoinformationsdienst nicht mehr auf das Konto zugreift – und das ist ja vermutlich nicht der Fall", so Röhling.

Zahlungsfähigkeit lässt sich einfacher bewerten

In der Branche sieht man naturgemäß die positiven Seiten der Dienstleistungen. "Dem Nutzer wird damit die Hoheit über seine Daten zurückgegeben", sagt Stefan Krautkrämer vom Startup Fintecsystems, einem technischen Dienstleister für Kontoinformations- und Zahlungsdienstleistungen. Kunden seien nicht mehr abhängig von den limitierten Finanzprodukten ihres Instituts oder den Kreditratings von Auskunfteien ausgeliefert.

Anders als Auskunfteien nutzen die Dienste Informationen zum aktuellen Kontostand statt Wahrscheinlichkeitsberechnungen, so Krautkrämer. Nicht nur der Bankberater habe so Einblicke in die Finanzsituation, auch Dritten könne dies gewährt werden. Der Verbraucher müsse dafür anders als früher nicht mehr umständlich Dokumente zusammentragen.

Dies ermögliche etwa, unkompliziert die Zahlungsfähigkeit für teure Reisen oder die Bonität für Kredite zu analysieren: "Kreditinstitute stellen damit digital fest, ob der Kunde kreditwürdig ist und zwar mit einer sofortigen Bestätigung", erklärt Krautkrämer. "Damit kann man dem Verbraucher auch die Möglichkeit geben, zum Beispiel im Autohaus nicht nur bei einer bestimmten Bank einen Kredit aufzunehmen."