"Das tut weh": Die Einsamkeit von Tennisprofis
Alexander Zverev hat mit seinen eindrücklichen Worten eine Debatte im Tennis verstärkt. Woher kommen die mentalen Probleme bei den Profis - und was kann helfen?

London (dpa) - Alexander Zverevs Worte über Einsamkeit und eine mögliche Therapie hallen nach im All England Club. Auch lange nach den eindrücklichen Aussagen der deutschen Nummer Eins bei seinem Wimbledon-Abschied öffnen sich zahlreiche Profis zu ihrem Umgang mit mentalen Problemen. Das einstige Tabuthema wird schon länger zur Normalität im Tennis - doch was kann helfen?
Anisimova nach Burnout erstmals im Wimbledon-Halbfinale
Amanda Anisimova kennt die negativen Seiten ihres Sports nur zu gut. Die Amerikanerin nahm sich vor zwei Jahren wegen eines Burnouts eine monatelange Auszeit - und steht nun erstmals beim Rasen-Klassiker im Halbfinale.
"Was Alex über das Gefühl der Einsamkeit gesagt hat - viele haben Probleme damit, besonders auf dem Profizirkus", sagte die 23-Jährige. Die Pause habe ihr "wirklich geholfen und ich bin wirklich glücklich, dass ich das gemacht habe, weil ich mit einer neuen Perspektive und erholt wiedergekommen bin. Ich habe viel von mir gelernt."
Zverev hatte nach seinem Erstrunden-Aus berichtet, dass er sich mental in einem Loch befinde und es schwierig für ihn sei, außerhalb des Tennisplatzes Freude zu finden. Möglicherweise brauche er erstmals in seinem Leben eine Therapie.
Petkovic über ihre Lebenskrise: "Ich hatte Panik"
Dies berührte auch Andrea Petkovic und erinnerte die einstige Spitzenspielerin an ihre eigene Lebenskrise im gleichen Alter. "Bis ich 28 Jahre war, dachte ich, dass ich immer noch Arzt oder Anwalt werden kann. Ich hatte Panik, dass ich mein Leben an Tennis verschwendet hatte", sagte die heute 37-Jährige in Wimbledon. "Danach habe ich realisiert, dass ich Tennis liebe."
Sie begrüße es, dass die derzeitige Generation sich öffne, wie zuletzt auch Casper Ruud. Der Norweger hatte offenbart, sich wie in einem "Hamsterrad" zu fühlen und professionelle Hilfe aufgesucht zu haben. "Die Frauen waren die Vorreiter wie so oft", sagte Petkovic und erinnerte an Anisimova und die Japanerin Naomi Osaka. "Aber ihnen wird nicht zugehört, bis die Männer sagen: "Hey, wir sind auch ausgebrannt." Und dann sagt jeder: "Oh Gott, die Spieler sind ausgebrannt, wir sollten uns besser um sie kümmern.""
Die Profi-Organisationen haben Programme zur mentalen Gesundheit aufgesetzt, machen Gesprächs- und Hilfsangebote. Aus Sicht einiger Profis ist dies jedoch zu wenig. "Wir wollen wenigstens eingeweiht sein", sagte die fünfmalige Grand-Slam-Titelgewinnerin Iga Swiatek aus Polen im vergangenen Jahr mit Blick auf den fordernden Spielkalender. "Es wäre schön, wenn wir Einfluss hätten, weil ich nicht glaube, dass sich unser Sport in die richtige Richtung entwickelt."
Djokovic nennt Gründe für mentale Probleme im Tennis
Die Gründe, warum mentale Probleme besonders im Tennis auf der Agenda stehen, sind mannigfaltig. Die Saison hat von Anfang Januar bis Ende November kaum eine Pause, dazu sind die Profis stets als Individualsportler gefordert. "Es gibt keine Einwechslungen, kein: "Ich fühle mich heute nicht gut"", sagte Novak Djokovic. "Jeder Punkt und jeder Tag zählt."
Dazu werden aus Sicht des serbischen Superstars die Negativeffekte für die aktuelle Generation durch soziale Netzwerke verstärkt. "Jeder ist auf Social Media und du kannst dich dort verlieren, zu viel Anteil an Kommentaren nehmen", sagte der 38-Jährige. "Und das tut weh. Es ist nicht trivial, wir müssen darüber reden."
Haas: Gibt wichtigere Sachen als Tennis
Und geredet wird derzeit viel über das Thema in Wimbledon. Auch wie es mit Alexander Zverev weitergeht, ob und wie lange er sich eine Tennis-Auszeit nehmen wird.
"Es gibt wichtigere Sachen als Tennis. Ich wünsche ihm ein bisschen Ruhe, eine gute Zeit, vielleicht aufzutanken, in sich zu gehen und herauszufinden, was er wirklich haben will, ob er sich mal wieder einen neuen Coach holt", sagte der frühere Weltranglistenzweite Tommy Haas in London. "Ich bin mir sicher, sein Ziel ist nach wie vor, einen Grand Slam zu gewinnen. Er ist jung genug, um das sicherlich noch zu erreichen."
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