Gefährliche Sorglosigkeit
Zuzenhausen. Auch wenn die Zwischenbilanz von Babbels 1899-Elf ernüchternder als unter Stanislawski ausfällt, ist der Trainer noch ein Tabuthema
Zuzenhausen. Was ist bei "Hoffe" Legende? Was ist Wahrheit? Oder ist letztendlich alles, was geschieht oder nicht geschieht, eine Frage der subjektiven Wahrnehmung? Der Bundesligist TSG 1899 Hoffenheim lässt nach dem ernüchternden 1:3 (0:2) gegen den wiedererstarkten VfL Wolfsburg all diejenigen ratlos zurück, die sich nahezu tagtäglich mit dem Klub aus dem Kraichgau beschäftigen. Die Art und Weise der zweiten Heimniederlage in dieser gar so wankelmütigen Saison gibt zu denken - und auch ein Großteil der Reaktionen bei Spielern und Verantwortlichen zeugen eher von einer gefährlichen Sorglosigkeit statt von einem wohltuenden Risikobewusstsein.
Manager Andreas Müller stellte sich am Sonntagabend schützend vor die Mannschaft - und vor allem vor Trainer Markus Babbel, wenngleich der Bajuware "die geringste Siegquote aller Hoffenheimer Bundesliga-Trainer hat", wie dies in der offiziellen Vorschaumappe nachzulesen war.
Babbels Zwischenbilanz seit seinem Einstand am 11. Februar bei Werder Bremen (1:1) fällt eher bescheiden aus. 26 Mal betreute er seitdem die 1899-Mannschaft - sieben Siege, acht Unentschieden und elf Niederlagen stehen saisonübergreifend zu Buche, was einem Punktspieldurchschnitt von 1,15 entspricht. Sein Vorgänger Holger Stanislawski (1,2) war etwas besser, Vor-Vorgänger Marco Pezzaiuoli (1,06) etwas schlechter. Ob er sich auch über den Trainer Gedanken mache, wurde Müller in der Mixed Zone gefragt. "Über den Trainer brauchen wir nicht zu reden, denn wir reden jeden Tag - miteinander", erstickte Müller etwaige Diskussionen bereits im Keim.
Hoffenheims Gesellschafter Dietmar Hopp, der gestern in den Golfurlaub nach Florida flog, hatte unlängst im RNZ-Interview (Ausgabe vom 14. November) Babbel eine Jobgarantie ausgestellt: "Ich kenne keinen TSG-Verantwortlichen, der kein Vertrauen in Markus Babbel hat, unabhängig vom Tabellenstand." Wie lange das uneingeschränkt gilt?
Man erinnert sich an den bei den Fans hoch angesehenen Holger Stanislawski. Ein Kulttrainer vom Hamburger Kiez, der mit dazu beitragen sollte, dass Hoffenheim ein neues Image erhält. Am 9. Februar wurde "Stani" entlassen - auf Rang acht nach 20 Spieltagen und nach der Pokalniederlage gegen den damaligen Zweitligisten Greuther Fürth (0:1). Die Hauptvorwürfe: Der Negativtrend sowie eine nicht erkennbare Spielphilosophie. In einem acht Tage später veröffentlichten Interview auf der 1899-Homepage sagte Hopp über die Gründe der Trennung: "Dem hohen Sympathiewert stand jedoch die Erkenntnis unserer sportlichen Führung entgegen, dass die sportliche Perspektive sehr düster zu beurteilen sei, mit deutlichen Hinweisen auf eine reale Abstiegsgefahr."
Und jetzt? Ein Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz heißt als Viertzehnter nichts anderes als Abstiegskampf. Müller wollte dieses Wort partout nicht in den Mund nehmen. "Ich schaue nicht auf die Tabelle, die Tabelle interessiert mich nicht. Wir müssen jetzt einfach Punkte sammeln", sagte Müller und ergänzte später realitätsnah: "Man steht aber zurecht da, wo man steht." Also ist doch Gefahr im Verzug ...
Die Markus Babbel schon nach der letztjährigen Saison gesehen hatte. Babbels nachdenkliches Sommerfazit im ZDF-Sportstudio: "Der Trend war absolut negativ. Wenn wir unten reingerutscht wären, möchte ich nicht wissen, ob die Mannschaft mit diesem Charakter da wieder herausgekommen wäre." Was hat sich an der Einstellung und Mentalität der Profis, trotz einiger erfahrener Neuzugänge wie Wiese, Delpierre oder Chris, entscheidend geändert?
Der Tenor bei den Spielern: "Abhaken und trainieren" (Volland), "die Laufbereitschaft in allen Mannschaftsteilen verbessern"(Rudy), "hart arbeiten - mehr können wir nicht machen" (Wiese).
Zur Vorbereitung auf das Sonntagsmatch (17.30 Uhr) zu Hause gegen Bayer Leverkusen bestreitet "Hoffe" heute Abend (17 Uhr) kurzfristig ein Testspiel gegen den Oberligisten FC-Astoria Walldorf auf der Sportanlage des FC Zuzenhausen - bei freiem Eintritt. Dort können Joselu, Volland, Salihovic und Kollegen das üben, was sie bis zur 88. Minute durch Eren Derdiyoks Ehrentreffer gegen die "Wölfe" versäumten - eine bessere Chancenverwertung.
"Wir hätten vier oder fünf Tore schießen können, die Qualität nach vorne ist da", befand Andreas Müller. Auch das Definieren von Qualität ist komplex. Was nutzt sie, wenn Effektivität und Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Kasten fehlen? So wenig Punkte, so wenig Zuschauer hatte 1899 Hoffenheim seit Zugehörigkeit zur Bundesliga noch nie.
"Hoffes" Sorgen sind nach zwölf Spieltagen nicht weniger geworden.