Das unsterbliche "Hoffe"-Spiel am 18. Mai 2013 in Dortmund
17 Minuten zwischen Hölle und Himmel, die anschließend gegen Südwest-Rivale 1. FC Kaiserslautern erfolgreich gestaltet werden konnte

Mit voller Wucht: Sejad Salihovic versenkt den Elfer gegen Großkreutz zum 2:1. Foto: APF
Von Joachim Klaehn
Heidelberg. Hin und wieder gibt es ihn - den Fußball-Gott. Am 18. Mai 2013, exakt fünf Jahre nach dem Sprung in die viel umjubelte Erstklassigkeit der Hoffenheimer, ließ er sich auf Erden nieder. Genauer gesagt auf den Rasen des mit 80.645 Zuschauern ausverkauften ehemaligen Westfalenstadions. Als RNZ-Chronist erinnert man sich sofort an jenes facettenreiche Drama zwischen dem BVB und "Hoffe". Ja, es war durchaus ein unsterbliches Spiel. Ein "Finale", das zum Sinnbild taugte - für die gesamte turbulente Saison des Kraichgauklubs, irgendwo angesiedelt zwischen quälenden Albträumen und einem nicht mehr zu erwartenden Wunder.
In der Halbzeit hielt es mich auf meinem engen Presse- und Tribünenplatz unterhalb der Honorationen und Edel-Fans von Schwarz-Gelb, ich blickte in die steilen vier Chöre dieser Fußball-Kathedrale. Auf Hoffenheim wettete keiner mehr, zu erdrückend war die Dominanz der Klopp-Schützlinge, zu zaghaft das Bemühen der verunsicherten Gäste. Immerhin: Es stand durch ein frühes Tor von Robert Lewandowski (6.) nur 1:0. Sie wurden verhöhnt, die Gisdol-Männer und ihre rund 3 600 mitgereisten Anhänger. "Auf Wiedersehen" und "Absteiger" hallte es durch die Arena. Genüsslich, denn 2012/13 war das Projekt aus der Provinz unter den Arrivierten wie Dortmund generell noch äußerst unbeliebt.
Ich redete also mit den Kollegen benachbarter Verlage, wir malten uns aus, welche sportlichen und strukturellen Auswirkungen ein Abstieg ins Unterhaus mit sich bringen würde. Bonjour, Tristesse, der mit Trainer Markus Gisdol installierte Direktor Profifußball Alexander Rosen sowie der langjährige Nachwuchsdirektor Bernhard Peters durchlitten Höllenqualen. Beide wurden immer lethargischer, nachdenklicher, in sich gekehrter. Denn Borussia hätte nach 75 Minuten locker mit 4:0 führen können.
Doch urplötzlich, kurz vor dem Ende, die Wende eines bereits abgeschriebenen Kollektivs: Hummels fällt Volland im Strafraum, Salihovic verwandelt den Foulelfmeter zum 1:1 (77.); Keeper Weidenfeller mäht Schipplock um, kassiert dafür Rot, "Sali" knallt den zweiten Elfer gegen Not-Torwart Kevin Großkreutz zum 1:2 (82.) unter die Latte. Das war’s? Von wegen. Vier Minuten Nachspielzeit. Wir notieren 90.+4, Schmelzer schießt, Lewandowski lenkt den Ball mit der Fußspitze zum 2:2 ins Tor. Der späte Knockout!? Der endgültige Abstieg!? Schiedsrichter Dr. Jochen Drees nimmt, nach Rücksprache mit seinem Assistenten, den Treffer wegen Abseitsstellung zurück. Direkt vor der "Gelben Wand", dem BVB-Heiligtum.
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Aus. Wie von der Tarantel gestochen rennen Mitglieder des TSG-Trainerteams und Profis kreuz und quer, fallen übereinander her, liegen sich in den Armen vor lauter Glück, vor lauter Wahnsinn. Kopfschüttelnd und schwitzend tritt uns Journalisten später Kapitän Andreas Beck in den Katakomben gegenüber. "Wir waren tot, dann wieder da, dann wieder tot - und jetzt leben wir", sagte der Blondschopf. Kürzer, treffender und besser ließ sich das Irrationale und Unfassbare nicht zusammenfassen. 17 Minuten zwischen Hölle und Himmel, mal Abstieg, mal Relegation, mal Abstieg, mal Relegation, die anschließend gegen Südwest-Rivale 1. FC Kaiserslautern (3:1, 2:1) erfolgreich gestaltet werden konnte.
Der TSG-Aufstieg 2008 war kein Mirakel, sondern ein durch die mannigfaltigen Investitionen von Gesellschafter Dietmar Hopp geplanter Erfolg, den der fleißige, sechssiebengescheite Architekt Ralf Rangnick beschleunigte. Das verrückte Spiel in Dortmund geht hingegen als Wunder durch. Nicht verkehrt, dass der BVB bereits kopfmäßig beim deutsch-deutschen Champions-League-Finale in Wembley gegen den FC Bayern München war. Der Fußball-Gott meinte es wirklich gut, sehr gut mit Hoffenheim.