1899 Hoffenheim bricht Strukturen auf
Gisdol und Co. wollen ein neues Team entwickeln, während Andreas Beck bis 2018 bei Besiktas Istanbul unterschrieben hat

Publikumsliebling: Rückkehrer Niklas Süle, hier bei der Präsentation mit den Hoffi-Kids, erhielt am Sonntag in der Sinsheimer Arena den größten Applaus. Foto: APF
Von Joachim Klaehn
Sinsheim. Ein offizieller Saisonstart schafft erste Berührungspunkte zwischen Profis und Fans. Nicht mehr - und nicht weniger. Insgesamt 19 Spieler, inklusive Benedikt Gimber, Joshua Mees und Philipp Ochs, stellten sich am Sonntag bei Temperaturen von 40 Grad den knapp 2 000 Besuchern vor, die den Glutofen Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena einem kühlenden Schwimmbadbesuch vorzogen. Es war eine Mischung aus Präsentation und öffentlichem Training. Tatsache ist, der hiesige Fußball-Bundesligist TSG 1899 Hoffenheim hat sich für die achte Spielzeit im Oberhaus neu aufgestellt - und letztlich mehr personelle Veränderungen vorgenommen als gemeinhin erwartet wurden.
Wie wichtig Identifikationsfiguren für einen Verein sind, zeigt das Beispiel von Niklas Süle. Als der 1,94 Meter große Innenverteidiger durchs Spalier der 40 Hoffi-Kids lief, gab es den meisten Applaus von den Rängen. Süle hatte sich am 12. Dezember 2014 beim 3:2-Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt das Kreuzband im linken Knie gerissen. Endlich gehört die Tretmühle Rehabilitation und Krafttraining der Vergangenheit an, endlich durfte der 19-Jährige wieder Stadionluft schnuppern. Süle genoss spürbar den herzlichen Empfang. Und bei einer der Übungen nahm Cheftrainer Markus Gisdol einen seiner Lieblingszöglinge aufmunternd in den Arm. Nach einem Konditionstest um 8.30 Uhr schwitzten die Profis nochmals 40 Minuten lang in ihrer Heimspielstätte, die einen neuen Rasen bekommen hat. "Die Vorfreude auf die neue Saison ist sehr groß", sagte Gisdol vor dem Kabinentrakt, "wir haben eine Mannschaft voller hungriger, entwicklungsfähiger Spieler, auf die wir sehr gespannt sind."
Man merkte, bei Gisdol und seinen engsten Vertrauten, den beiden Co-Trainern Frank Kaspari und Frank Fröhling, sind die Akkus wieder aufgeladen, zumal Kaspari und Fröhling ihre Verträge wie der Boss bis 2018 verlängert haben. Die vakante Athletiktrainer-Stelle von Nicklas Dietrich (zu RB Leipzig) nimmt inzwischen Christian Weigl ein. "Das war eine glückliche Fügung", berichtete Gisdol, man hätte den 39-jährigen Weigl schon für die U 23 verpflichtet gehabt, "auf Empfehlung von Lucien Favre." Von Borussia Mönchengladbach bringt Weigl auf alle Fälle beste Referenzen mit. Und er wird ab dem heutigen Montag bis Donnerstag im ersten Trainingslager in Westerburg gleich gefordert sein. Dort residiert der Hoffenheimer Tross im Vier-Sterne-Hotel am Wiesensee und arbeitet akribisch an der Fitness. Auf ein Saisonziel wollte sich Gisdol verständlicherweise nicht einlassen. Man wolle hinter den großen Sechs in der Bundesliga "seine Möglichkeiten voll ausschöpfen", so der Schwabe.
Übers Wochenende machten derweil Andreas Beck und sein Umfeld den Wechsel zu Besiktas Istanbul perfekt. Beck (28) unterschrieb einen Drei-Jahres-Vertrag am Bosporus und schickte eine Dankesbotschaft an Verantwortliche und Anhänger. "Die Beziehung zu Hoffenheim wird immer eine besondere bleiben", schrieb Beck auf seiner Facebook-Seite. Der langjährige TSG-Kapitän verabschiedete sich mit Stil. Beck ist einfach ein tadelloser Sportsmann und feinsinniger Mensch. Er hat sich das gründlich überlegt und wurde von den ehemaligen Besiktas-Akteuren Tayfun Korkut und Roberto Hilbert mit Informationen aus erster Hand über den türkischen Traditionsklub versorgt.
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Gesellschafter Dietmar Hopp würdigte die Verdienste Becks. "Wie Sejad Salihovic, so ist auch Andreas Beck eng mit dem Aufstieg der TSG in den vergangenen Jahren verbunden", er sei "zu einem echten Botschafter der TSG-Philosophie" geworden. Gut möglich, dass sie im Kraichgau einen Typen wie Beck in naher Zukunft vermissen werden. Gisdol sagte: "Andi wäre nach wie vor willkommen gewesen, doch er hat sich anders entschieden und es ist eben vollkommen normal, dass sich Gesichter von Mannschaften ändern." Der TSG-Trainer wollte bewusst "Strukturen aufbrechen". Ob das förderlich sein wird, weiß in der Nach-Ära von Roberto Firmino, Beck und Salihovic momentan keiner. Nicht auszuschließen, dass vor dem Pflichtspielauftakt am 8. August (18 Uhr) im DFB-Pokal bei 1860 München weitere Veränderungen im Kader anstehen. "Ein besseres Urteil über unser junges Team können wir erst in vier, fünf Wochen abgeben. Wir haben uns alle Optionen offen gehalten", verriet Gisdol.
Der Firmino-Rekordtransfer zum FC Liverpool von umgerechnet 40,7 Millionen Euro ist hingegen so gut wie gebongt. Nach dem Medizincheck wird die offizielle Bestätigung demnächst folgen.