Von Claus Weber
Sandhausen. Als die Spieler des Karlsruher SC trotz Eiseskälte noch beisammen standen, sich feierten und abklatschten, waren ihre Sandhäuser Rivalen längst mit hängenden Köpfen vom Platz geschlichen. "Es ist unerklärlich", sagte SVS-Stürmer Patrick Schmidt nach der 2:3-Niederlage im nordbadischen Derby enttäuscht. Zur Halbzeit hatte seine Mannschaft 2:0 geführt, hatte eine ihrer besten Leistungen in dieser Runde gezeigt. Doch nur Sekunden nach Wiederanpfiff kassierte sie das 1:2, sieben Minuten später den Ausgleich – und am Ende stand sie mit leeren Händen da. "Es ist Wahnsinn", stöhnte Schmidt, "dass wir einen Gegner, der eigentlich schon tot war, zurück ins Leben geholt haben."
Es ist nicht das erste Mal, dass die Sandhäuser gewonnen geglaubte Punkte herschenkten. Auch gegen Braunschweig, in Düsseldorf, Regensburg, Darmstadt oder St. Pauli ließen sie sich die Butter vom Brot nehmen. Das lässt sich sogar statistisch belegen. Würde man nur die erste Halbzeit werten, wären die Kurpfälzer Sechster, so aber sind sie Sechzehnter.
"Es ist unerklärlich, dass wir nach so einer richtig starken ersten Halbzeit so eine zweite Hälfte abliefern", ärgerte sich Schmidt, "sobald der Gegner Druck macht oder wir ein Gegentor bekommen, stellen wir uns nur noch hinten rein und müssen in jedem Spiel zittern."
Warum das so ist? Kevin Behrens musste lange nachdenken. "Ich kann das nicht erklären", sagte Schmidts Sturmpartner schließlich, "offenbar sind wir noch nicht so gefestigt, eine Führung über die Zeit zu bringen, wir haben nicht so viel Selbstvertrauen, fangen an zu zweifeln und haben plötzlich Angst, zu verlieren."
"Vielleicht ist es Angst", mutmaßte auch Jürgen Machmeier, "vielleicht sind wir auch immer ein bisschen zu selbstzufrieden mit dem Erreichten." Auch der Präsident war ratlos: "Man hat in der ersten Halbzeit doch gesehen, welche Qualität wir haben."
Der SV Sandhausen lieferte dem Karlsruher SC ein rassiges Derby, war vor der Pause die bessere und effektivere Mannschaft und hätte rasch durch Schmidt (1.) und Janik Bachmann (13.) in Führung gehen können. Auf der anderen Seite vergab allerdings auch KSC-Neuzugang Kevin Wimmer (19. und 27. Minute) zwei Großchancen.
Dann aber zeigte Sandhausen Umschaltspiel vom Feinsten. Marvin Wanitzek verlor im Mittelfeld den Ball, Behrens spielte Doppelpass mit Alexander Esswein und beförderte die Kugel ins Netz (30.). Auch beim 2:0 ging’s ruckzuck: Nach einem Pass aus dem Mittelfeld legte Behrens für Schmidt auf und der zog volley ab (40.). Man fühlte sich an Saarbrücker Zeiten erinnert, als das Duo Schmidt und Behrens ("Schmehrens") 40 Treffer in einer Saison gezaubert hatte.
"Da haben wir uns zu schläfrig angestellt", klagte Christian Eichner, "der Gegner ist zu einfachen Toren gekommen." Der Karlsruher Trainer muss in der Pause die richtigen Worte gefunden haben. "Ich habe der Mannschaft gesagt, dass wir ein Tor brauchen", berichtete Eichner, "dann wird der Gegner ins Nachdenken kommen."
Wie recht er hatte. Keine 20 Sekunden nach Wiederanpfiff hatte Philipp Hofmann nach einem Pass von Choi den Anschluss hergestellt. Und nur sieben Minuten später fiel schon der Ausgleich. Diesmal machte es der überragende Choi selbst. Sein Schuss von der Strafraumkante sprang vom Innenpfosten ins Netz. Auch das 2:3 besorgte der Südkoreaner, konnte auf Zuspiel von Hofmann völlig alleingelassen einschießen (76.).
"Das zeichnet uns dieses Jahr einfach wahnsinnig aus, dass wir im Stande sind, so ein Ding noch zu drehen", sagte Karlsruhes Außenverteidiger Marco Thiede. Seit acht Spielen haben die Mittelbadener nun nicht mehr verloren und sogar einen Vereinsrekord eingestellt. Vier Auswärtssiege in Folge waren dem KSC in der Zweiten Liga zuletzt vor 30 Jahren unter Trainer Winfried Schäfer gelungen. Sein Nach-Nachfolger Christian Eichner glaubt zwar inzwischen, dass die jüngste Serie "kein Zufall ist", dämpft aber trotz des fünften Tabellenplatzes die Erwartungen: "Unser einziges Ziel ist es, die 40 Punkte zu erreichen."
Sandhausen: Kapino - Diekmeier, Röseler, Zhirov, Contento (71. Rossipal, 82. Nauber) - Bachmann, Paurevic (82. Pena Zauner) - Schmidt, Halimi (71. Keita-Ruel), Esswein - Behrens
Karlsruhe: Gersbeck - Thiede, Bormuth, Kobald, Wimmer - Gondorf - Choi (90. Gordon), Wanitzek (84. Fröde) - Goller (77. Amaechi), Lorenz (90. Batmaz) - Hofmann
Schiedsrichter: Brych (München)
Tore:Â 1:0 Behrens (30.), 2:0 Schmidt (40.), 2:1 Hofmann (46.), 2:2, 2:3 Choi (53./76.)
Update: Sonntag, 14. Februar 2021, 21 Uhr
Sandhausens Torwart Stefanos Kapino kann den Torschuss zum 2:2 nicht halten. Foto: dpaSandhausen verliert Duell mit dem KSC
Sandhausen. (dpa/run) Nach einem starken Comeback hat der Karlsruher SC in der 2. Fußball-Bundesliga einen 3:2 (0:2)-Sieg beim SV Sandhausen gefeiert. Philipp Hofmann (46. Minute) und Kyoung-Rok Choi (54./76.) mit einem Doppelpack belohnten die Aufholjagd des Tabellenfünften nach der Pause. Kevin Behrens (30.) und Patrick Schmidt (40.) trafen in der ersten Halbzeit für die Hausherren, die als Tabellen-16. mit nur 18 Zählern weiter in Abstiegsgefahr schweben. Der KSC hat als 5. nur drei Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz zur Bundesliga.
Dabei hatte es zunächst nach einem Sieg für Sandhausen ausgesehen. Der KSC war in den ersten 45 Minuten kaum präsent und leistete sich grobe Abwehrschnitzer, die vom SVS gnadenlos bestraft wurden. In der zweiten Hälfte waren die Gäste dann hellwach und kamen schon wenige Sekunden nach Wiederbeginn durch das neunte Saisontor von Hofmann zum Anschluss. Das beflügelte den KSC, der immer stärker wurde und die Hausherren kaum noch zur Entfaltung kommen ließ. Choi belohnte die deutliche Leistungssteigerung mit seinen Treffern.