Die 30-Millionen-Arena ist umstritten
Zuspruch vom DFB-Vize, Fassungslosigkeit beim Ehrenpräsidenten, Ambivalenz beim Rekordspieler, Skepsis beim Aufstiegstrainer.

Von Wolfgang Brück
Sandhausen. Die Frage kam wie bestellt. Was passiert, wenn ein neues Stadion nicht genehmigt wird? Jürgen Machmeier zuckte bei der Präsentation der "Kurpfalz Arena" bedauernd die Schultern. Er würde gerne in Sandhausen bleiben, versicherte der Präsident des Fußball-Zweitligisten, aber notfalls müsse man sich anderweitig orientieren. Gespräche seien schon geführt worden. Es sei aber klar, dass bei einem Umzug der SV Sandhausen seinen Namen ändern müsse. "Dann sind wir der SV Punkt, Punkt, Punkt", erklärte der 61-jährige Multi-Unternehmer.
Die Rhein-Neckar-Zeitung hat DFB-Vize-Präsidenten Ronny Zimmermann, Aufstiegstrainer Gerd Dais, Hardtwald-Ikone Rüdiger Menges, als Stimme der Fans Jörg Lawrenz und Ehrenpräsident Erich Balles gefragt, was sie von den Plänen halten, in der Nähe der Sandhäuser Höfe direkt an der Autobahn ein neues Stadion für 30 Millionen Euro zu errichten. Und ob es das Projekt wert ist, notfalls den Namen eines Vereins mit 106-jährigen Tradition zu opfern?

Das sagt der DFB-Vizepräsident:
> Ronny Zimmermann (60) führt seit 18 Jahren den badischen Fußballverband und ist seit neun Jahren Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes. Zwar schoss der Rechtsanwalt früher seine Tore für den VfB Wiesloch, ist aber gern gesehener Gast in Sandhausen: "An vielen Orten entstehen neue Stadien. Denn Anforderungen der DFL, aber auch Ansprüche der Zuschauer sind gestiegen. Man will es bequem haben und schnell hinkommen. Neue Arenen ermöglichen mehr Einnahmen und sichern damit die Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb sind die Überlegungen richtig und vernünftig. Am Hardtwald ist doch manches zusammengefriemelt. Internationale Veranstaltungen können nur mit Einschränkungen durchgeführt werden. Bei einem Umzug und einer Namensänderung bedarf es der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder. Ich persönlich würde als Fußball-Romantiker sagen: Es würde eine Zeit lang dauern, bis mir ein neuer Name über die Lippen kommen würde."
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Das sagt der Ehrenpräsident:
> Erich Balles (85) war 20 Jahre Präsident und konnte mehrere Meisterschaften und Pokalsiege, darunter zwei deutsche Amateur-Meisterschaften, feiern. 1999 übergab er das Amt an Jürgen Machmeier und wurde Ehrenpräsident. "Ein neues Stadion? Wieso? Wir haben doch ein schönes Stadion. Der Gedanke an einen Umzug, vor allem aber an einen neuen Namen, ist für mich unvorstellbar. Das ist Wahnsinn. Der SV Sandhausen wird immer der SV Sandhausen bleiben. Der Verein ist mein Leben."
Das sagt der Fan:

> Jörg Lawrenz (46) ist als Gymnasiallehrer in Schriesheim tätig. In den letzten zehn Jahren hat der gebürtige Buchener kaum ein Heimspiel des SV Sandhausen verpasst. Er ist Redakteur beim Fan-Magazin "Liga-Zwerg" und trägt im Fan-Forum mit konstruktiv-kritischen Beiträgen zur Meinungsbildung bei: "Ich bin hin- und hergerissen. Ein neues Stadion hat zweifellos Vorteile, was Vermarktung und Wettbewerbsfähigkeit angeht. Aber: Mir kommen über zehn Millionen Euro für die Arbeiten am jetzigen Stadion, das seit dem Aufstieg 2012 ständig erneuert wurde, etwas hoch vor. Das müsste man überprüfen. Vor allem frage ich mich, ob sich der Verein mit einer neuen Arena nicht übernimmt. Es gibt einige Beispiele aus größeren Städten, die nicht mehr in den ersten Ligen spielen und jetzt schwer an der Hypothek manchmal überdimensionierter Stadien tragen. Die Ankündigung von Jürgen Machmeier, in Sandhausen die Zelte abzubrechen und anderswo mit neuem Namen zu beginnen, halte ich für eine Drohgebärde. Das gehört offenbar zu Verhandlungen. Sollte es aber tatsächlich dazu kommen, würde sicher ein Teil der Fans nicht mitgehen. Ohnehin tut sich der Verein schwer mit seiner Basis. Ich würde mir mehr Transparenz und mehr Mitsprache wünschen. Dann würden sich mehr Menschen mit dem SV Sandhausen identifizieren und auch die Zuschauerzahlen würden nicht nur zögernd nach oben gehen. Ohne unseren Präsidenten wären wir nicht in der Zweiten Liga, aber der SV Sandhausen sollte seine Basis, gerade wenn sie kritisch ist, als Chance begreifen. Auch das ist Professionalisierung und Weiterentwicklung."

Das sagt der Rekordspieler:
> Rüdiger Menges (62) bestritt in zwölf Jahren knapp 400 Oberliga-Spiele für den SV Sandhausen. Danach war er zwei Jahre Trainer am Hardtwald. Er wurde wegen seiner Verdienste mit der Goldenen Ehrennadel ausgezeichnet: "Ein neues Stadion bedeutet Chancen, aber auch Risiken. Es würde dem SV Sandhausen mehr Vermarktungsmöglichkeiten und damit mehr Einnahmen bringen. Aber: Was ist bei einem Abstieg? Was passiert, wenn sich Jürgen Machmeier, der den SV Sandhausen verkörpert, zurückzieht? Was ich mir gar nicht vorstellen kann, ist ein Umzug und eine Änderung des Namens. Der SV Sandhausen ist mehr als ein Verein. Der SV Sandhausen ist fast eine Religion."
Das sagt der Aufstiegstrainer:

> Gerd Dais (58) wurde mit dem SV Sandhausen Oberliga-Meister, stand (gegen Borussia Dortmund) im Viertelfinale des DFB-Pokals. Als Trainer führte der Nußlocher, der knapp 150 Spiele in der Ersten und Zweiten Liga bestritt, Sandhausen von der Oberliga in die 2. Bundesliga: "Fakt ist: Das Nachwuchs-Leistungszentrum braucht zwei zusätzliche Plätze. Eine Forderung die berechtigt ist, um vernünftige Arbeit zu leisten. Leider musste bereits die U 23-Mannschaft abgemeldet werden. Doch muss man deswegen gleich ein neues Stadion bauen? Der Hardtwald mit seinem Fassungsvermögen von 15 000 Besuchern ist gerade mal zur Hälfte ausgelastet. Ein neuer Name geht gar nicht. Der SV Sandhausen hat eine 106-jährige erfolgreiche Geschichte – und soll einfach von der Bildfläche verschwinden? Undenkbar. Der Verein und nicht ein Einzelner muss über allem stehen."