SV Sandhausen

"Fast wie im Märchen"

Abu-Bekir El-Zein nutzte seine Chance und erzielte beim Sandhäuser 2:1-Sieg in Essen zwei Tore. Der Relegationsplatz ist nun in greifbarer Nähe.

03.12.2023 UPDATE: 03.12.2023 17:05 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden
Abu-Bekir El-Zein (rechts, im Duell mit dem Essener Rios Alonso) lieferte sein bisher bestes Spiel im Sandhäuser Trikot ab. Foto: imago

Von Claus Weber

Essen. "Manchmal schreibt der Fußball solche Geschichten", strahlte Nikolai Rehnen. Der Torwart des SV Sandhausen freute sich für seinen jungen Kollegen Abu-Bekir El-Zein. Vor sechs Wochen hatte der 20-Jährige seine bisher schwärzeste Stunde erlebt. Beim 2:2 gegen den SC Verl war er ein- und nach nur 14 Minuten schon wieder ausgewechselt worden, weil er sich einen bösen Patzer erlaubt hatte.

Am Samstag in Essen feierte der Mittelfeldspieler seine sportliche Glanzstunde. Beim 2:1 (1:0)-Erfolg über Rot-Weiss erzielte der Deutsch-Libanese beide Treffer, rehabilitierte sich vollends. "Es war fast wie im Märchen", sagte der gebürtige Essener.

Hintergrund

Stimmen zum Spiel

Jens Keller, Sandhäuser Trainer: "Wir sind gut reingekommen, haben die ersten 15 Minuten kontrolliert. Dann hatten wir Glück, dass unser Torhüter zwei Bälle sehr gut hält. Wir haben gut gekämpft und den Sieg

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Stimmen zum Spiel

Jens Keller, Sandhäuser Trainer: "Wir sind gut reingekommen, haben die ersten 15 Minuten kontrolliert. Dann hatten wir Glück, dass unser Torhüter zwei Bälle sehr gut hält. Wir haben gut gekämpft und den Sieg verdient."

Christoph Dabrowski, Essener Trainer: "Sandhausen ist einfach eine erfahrene Truppe, die intensiv und aggressiv verteidigt und wenig zulässt. Wir sind enttäuscht, dass wir nicht mindestens einen Punkt an der Hafenstraße behalten."

Sebastian Stolze, SVS-Spieler: "Essen hatte viel Ballbesitz. Wir hätten unsere Konter noch besser ausspielen können. Dass in so einem Stadion mit den Fans im Rücken auch mal Gefahr aufkommen kann, ist klar. Aber wir haben es bis zum Ende verteidigt. Wie sich Alex Mühling am Ende mit dem Kopf in den Fernschuss wirft – das war eine Schlüsselszene."

Abu-Bekir El-Zein, zweifacher Torschütze des SV Sandhausen: "Vor dem Spiel habe ich versucht, alles auszublenden und mein Ding durchzuziehen. Nicht meine beiden Tore waren der Schlüssel zum Erfolg, sondern die Teamleistung." (ber)

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Seit seinem Fauxpas war El-Zein nur noch von der Bank gekommen. In seiner Heimatstadt gab ihm Trainer Jens Keller eine neue Chance für die Startelf, weil Torjäger Rouwen Hennings mit einem Muskelfaserriss in der Wade ausfällt.

El-Zein nutzte sie eindrucksvoll, feierte später mit Familie und Freunden am Spielfeldrand. Fünf Jahre spielte er in der Jugend beim Stadtrivalen Schwarz-Weiß. "Wir haben damals immer verloren", erinnerte er sich, "meist mit 1:8 oder 1:9 – aber ich habe immer das eine Tor gemacht."

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Am Samstag glückten ihm sogar zwei. In einem Schlüsselspiel für Sandhausen. "Dieser Sieg ist brutal wichtig", sagte Torwart Rehnen, "denn mit ihm wollten wir oben rein rutschen." Das ist den Kurpfälzern gelungen. Sie katapultierten sich vom neunten auf den fünften Rang nach oben.

Vom Relegationsplatz trennen zwei Plätze und drei Punkte. "Ich habe immer gesagt, dass wir bis zum Winter nicht abreißen lassen wollen, dann kommen einige Spieler zurück, dann wollen wir angreifen", sagte Trainer Jens Keller.

In Essen fehlten mit Hennings, Dennis Diekmeier und Tim Knipping gleich drei Routiniers. Keller gab den Jungen eine Chance, neben El-Zein überzeugte der 19-jährige Livan Burcu, der zweimal knapp scheiterte, ehe er zum Führungstor auflegte. El-Zein behielt die Übersicht, traf sicher ins rechte Eck (38.).

Als hätte es Matthias Imhof geahnt. "El-Zein ist ein überragender Fußballer. Er wird Hennings heute komplett ersetzen können", war sich der Sportliche Leiter des SV Sandhausen schon vor dem Anpfiff sicher. Er sollte Recht behalten, auch wenn El-Zein ziemlich nervös war. "Ich bin in der Nacht drei-, viermal aufgestanden", sagte er schmunzelnd, "vor dem Spiel dachte ich mir, ich geb‘ alles, auch für Rouwen. Er ist ein Vorbild und ich hoffe, er ist stolz auf mich."

Die Voraussetzungen hat der 20-Jährige. Übersicht, Schussstärke, Technik. Die muss er kontinuierlich auf den Platz bringen, muss lernen, nicht in jedem Spiel glänzen zu wollen – dann kann er ein Großer werden.

In Essen war der SVS erfolgshungrig. Die Mannschaft kämpfte, war effektiv und verteidigte mit Herz und Verstand. Zweimal rettete Torwart Rehnen vor einem Rückstand, lenkte Leonardo Vonic’ Versuch drüber (14.), zeigte bei Torben Müsels Schuss aus kurzer Distanz starke Reflexe (19.) und brachte Christoph Dabrowski zum Verzweifeln.

"Wir hatten zwei hundertprozentige Torchancen", stöhnte der Essen-Trainer, "wenn wir die nutzen, nimmt das Spiel einen anderen Verlauf." Kurz vor Schluss köpfte Alexander Mühling noch einen Gewaltschuss von Vinko Sapina von der Linie.

Allerdings hatten auch die Sandhäuser in der starken Anfangsphase sehr gute Möglichkeiten. Sebastian Stolzes Schuss wurde ans Außennetz gelenkt (8.) und David Ottos Abschluss nach einer Ecke von Mühling übers Tor abgefälscht (9.).

Danach verlagerte sich das Geschehen immer mehr in die Hälfte der Sandhäuser, die sich erst wieder befreien konnten, als Burcu zweimal Essens Torwart Jakob Golz auf die Probe stellte (32. und 37.). Beim dritten Versuch gab er auf den besser positionierten El-Zein ab – 0:1 (38.).

Nach der Pause war das Spiel ausgeglichen. Den Unterschied machte El-Zein, der in der 65. Minute von Otto bedient wurde und volley draufhielt: 0:2. Otto hätte fünf Minuten später den Deckel draufmachen können, scheiterte aber mit seinem Schuss aus der Drehung. Stattdessen machte Ron Berlinski die Partie mit seinem Anschlusstreffer (74.) noch einmal spannend.

"Danach haben wir den Druck von Essen gut verteidigt", lobte Keller, der – inklusive bfv-Pokal – schon den dritten Sieg in Folge feierte und nun mit breiter Brust ins Derby am Samstag (14 Uhr, MagentaSport) daheim gegen den SV Waldhof geht. "Diese Moral und dieses Selbstbewusstsein nehmen wir mit", sagte Linksaußen Sebastian Stolze.

Vielleicht schreibt dann auch Abu-Bekir El-Zein seine Geschichte weiter.


Essen: Golz – Voufack, Rios Alonso, Kourouma, Brumme (83. Voelcke) – Müsel, Sapina – Obuz, Harenbrock (83. Kaiser), Young (69. Doumbouya) – Vonic (69. Berlinski)
Sandhausen: Rehnen – Ehlich, Göttlicher, Geschwill, Weik – Mühling, Ben Balla – Stolze (83. Zander), El-Zein (76. Meier), Burcu (76. Evina) – Otto (90. Schuster)
Schiedsrichter: Patrick Kessel (Norheim)
Zuschauer: 15.307
Tore: 0:1 El-Zein (38.), 0:2 (65.), 1:2 Berlinski (74.)

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