TSG Hoffenheim

Beispielloser Sturzflug kostet Hoeneß den Job (Update)

Die Kraichgauer verkündeten die einvernehmliche Trennung nach zwei Jahren.

17.05.2022 UPDATE: 17.05.2022 13:57 Uhr 3 Minuten, 50 Sekunden
Aus und vorbei: Sebastian Hoeneß muss sich von der TSG Hoffenheim verabschieden. F: APF

Von Nikolas Beck

Heidelberg. Vor ziemlich genau einem Jahr, Anfang Mai 2021, hatte Alexander Rosen bewusst das Stilmittel der Übertreibung gewählt, als es um die Jobsicherheit des Trainers ging. Dass man mit Sebastian Hoeneß in die neue Saison gehe, sei klar. "Aber wir befinden uns im Profifußball", sagte der Hoffenheimer Sportdirektor im RNZ-Interview: "Wenn wir jetzt dreimal in Folge 0:8 verlieren, dann sind wir wahrscheinlich die Nummer 15 die den Trainer wechselt."

Was Rosen damals noch lächelnd kommentierte, nämlich dass Absichtserklärungen und Treueschwüre von kurzer Halbwertszeit sein können, hat die TSG zwölf Monate später selbst unter Beweis gestellt. Wie der Klub am Dienstagnachmittag mitteilte, wird es für Hoeneß keine dritte Spielzeit in Hoffenheim geben. Man habe sich einvernehmlich getrennt.

Obwohl der 40-Jährige einen Vertrag bis Sommer 2023 besaß – und obwohl es nicht einmal drei Wochen her ist, dass Rosen im Gespräch mit dem Fachmagazin kicker beinahe pikiert reagierte, als er gefragt wurde, ob Restzweifel an der Arbeit des Trainers bestünden. "Nein – und ich frage mich ernsthaft, wie Sie zu dieser These kommen", stärkte der Sportdirektor genau dem Trainer den Rücken, der nun in Hoffenheim keine Zukunft mehr hat.

Was ist also geschehen seither?

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Dreimal in Folge 0:8 verloren hat Hoffenheim auch im Endspurt dieser Saison nicht. Viel schlechter als zuletzt hätte die Stimmung dennoch kaum sein können. Das Debakel beim Saisonkehraus am Samstag in Gladbach, als "Hoffe" 1:0 führte, mit 1:3 in die Pause ging und am Ende mit 1:5 noch gut bedient war, war offenbar ein Mutlos-, Kraftlos- und Lustlos-Auftritt zu viel nach zuvor acht weiteren Partien ohne Sieg. Das Team, welches nach 25 Spieltagen auf einem Champions-League-Platz stand, wurde durchgereicht bis auf Rang neun.

Während Hoeneß unmittelbar nach Spielende dünnhäutig versuchte, seiner Mannschaft eine gute Einstellung und die richtige Mentalität zuzusprechen, und nicht viel mehr Erklärungen als abermals das große Verletzungspech parat hatte, fand Oliver Baumann im Gespräch mit der RNZ klarere Worte. "Ich kann mich nur bei den Fans entschuldigen, man kann nicht so eine Leistung zeigen", sagte der Keeper und versuchte erst gar nicht, die Krise kleinzureden: "Es war nicht nur eine schlechte Phase, es waren neun Spiele. Das ist zu lang." So könne man nicht in die neue Saison gehen, es gebe intern einige Dinge zu klären, so Baumann weiter.

Das taten die Verantwortlichen dann am Montagnachmittag. Man habe "die große Wertschätzung für den Trainer und Menschen Sebastian Hoeneß in den zurückliegenden Monaten stets klar zum Ausdruck gebracht", wird Rosen – wohlwissend, dass seine letzte Jobgarantie noch nicht lange zurückliegt – zitiert: "Wir müssen uns nach einer bereits vor dem letzten Spieltag begonnenen Analyse aber eingestehen, dass die Ergebnisse und Ereignisse in den vergangenen zwei Monaten viel von den zahlreichen positiven Aspekten, die diese Saison bereithielt und uns zwischenzeitlich bis auf Platz vier brachten, überschattet haben."

Im Rahmen des sportlichen Sturzfluges waren zuletzt auch immer häufiger mangelnde Professionalität und Undiszipliniertheiten im Kader angeprangert worden. Vor allem aus dem Kreis der Führungsspieler, nicht etwa von Hoeneß.

Die alles entscheidende Frage sei gewesen, ob man nach den negativen Eindrücken der vergangenen Wochen in dieser Konstellation "unbelastet" in die neue Spielzeit starten könne. Dies habe man gemeinsam negativ beantworten müssen, so Rosen. Weil man keinen Konsens über die zukünftige Ausrichtung gefunden habe, "ist auch aus meiner Sicht die einvernehmliche Trennung folgerichtig", wird Hoeneß zitiert. Wer die Nachfolge antreten wird, ist offen.

Unterm Strich waren die zwei von der Pandemie geprägten Spielzeiten unter Hoeneß, der 2020 als Drittliga-Meister mit dem FC Bayern II erstmals eine Profimannschaft übernahm, eine Enttäuschung. Rang elf im ersten und Rang neun im zweiten Jahr sind zu wenig, nicht nur für die Ansprüche von Mehrheitseigner Dietmar Hopp, der die TSG bekanntlich dauerhaft unter den besten Sechs sehen möchte. Von Vorgänger Alfred Schreuder hatte man sich wenige Spieltage vor Schluss getrennt, als dieser mit seiner Mannschaft immerhin auf einem Europapokal-Rang stand. Die widrigen Begleitumstände der vergangenen zwei Jahre, die sowohl Rosen als auch Hoeneß in ihrem Statement zur Trennung nicht unerwähnt ließen, reichten auch deshalb nicht mehr als Entschuldigung für erneut nur Mittelmaß.

Jetzt gelte es den Blick wieder nach vorne zu richten, um neue Energie für die kommende Saison zu entfachen, so Rosen, der neben der Trennung von Hoeneß und dessen Co-Trainer David Krecidlo weitere Maßnahmen ankündigte: "Dazu werden wir nicht nur Veränderungen auf der Trainerposition vornehmen."

Alexander Rosen wird alles daran setzen, dass ihm nicht auch diese Ankündigung auf die Füße fällt.


Die Chronologie 

> 27. Juli 2020: Die TSG gibt bekannt, dass Sebastian Hoeneß zur neuen Saison das Traineramt übernimmt.

> 27. September 2020: Das erste Highlight gibt’s am 2. Spieltag. Daheim wird der FC Bayern 4:1 besiegt, nachdem der Meister zuvor 23-Mal in Folge gewonnen hatte.

> 22. Dezember 2020: Im Elfmeterschießen muss sich "Hoffe" im eigenen Stadion gegen Zweitligist Fürth aus dem DFB-Pokal verabschieden.

> 9. Januar 2021: Schalke 0:4. Beim Schlusslicht, das zuvor 30 Mal hintereinander nicht gewinnen konnte, blamieren sich Hoeneß und seine Elf bis auf die Knochen. Der Trainer ist angezählt, Dietmar Hopp spricht ein Machtwort und beendet die Spekulationen.

> 25. Februar 2021: Nach einem 3:3 im Hinspiel scheidet 1899 durch eine 0:2-Heim-Niederlage gegen Molde FK im Sechzehntelfinale aus der Europa League aus.

> 21. März 2021: Nach einem 1:2 gegen Mainz spricht Hoeneß selbst vom "Tiefpunkt". Im nächsten Spiel gibt’s die dritte Niederlage in Folge in Augsburg.

> 22. Mai 2021: Hoffenheim beendet die Saison mit einem 2:1 gegen Hertha. Es ist das siebte Spiel in Serie ohne Niederlage (drei Siege, vier Remis).

> 29. Oktober 2021: Die Achterbahnfahrt im zweiten Jahr unter Hoeneß endet vorerst mit einem 2:0-Heimsieg gegen Hertha. Es ist das erste von neun ungeschlagenen Spielen hintereinander (sieben Siege, zwei Remis).

> 15. Januar 2022: Hoeneß und "Hoffe" werden zu "Serientätern". Das 1:2 bei Union Berlin läutet eine Schwächephase mit vier Niederlagen inklusive der Pokal-Heimschlappe beim 1:4 gegen Freiburg ein.

> 12. März 2022: Plötzlich läuft es wieder: Den Bayern trotzt die TSG, die zuvor viermal in Folge gewonnen hatte, ein 1:1 ab.

> 14. Mai 2022:. Das 1:5 in Gladbach ist das neunte Spiel ohne Sieg. Nach dem Remis gegen München folgten zwei weitere Unentschieden und sechs Niederlagen.

> 17. Mai 2022: Hoffenheim und Sebastian Hoeneß trennen sich "einvernehmlich". nb

Update: Dienstag, 17. Mai 2022, 20.14 Uhr

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