Wo sonst die Menschen jubeln, herrscht aktuell Tristesse: Wie lange die Leutershausener Heinrich-Beck-Halle leer steht, weiß niemand. F: privat
Von Tillmann Bauer
Heidelberg. Zumindest der Wurstsalat hat geschmeckt. Als sich die Drittliga-Handballer der SG Leutershausen am späten Montagabend im Gasthaus "Zum Löwen" versammelten, wussten sie bereits, dass es vorerst das letzte Mal sein wird, dass sie sich in dieser Runde sehen würden. "Es gab großes Verständnis", berichtete Mark Wetzel. Der Sportliche Leiter der Roten Teufel trat gemeinsam mit den anderen Verantwortlichen vor die Mannschaft und hatte das schwere Los, seinen Schützlingen mitteilen zu müssen, dass es aufgrund der Ausbreitung der Corona-Pandemie in absehbarer Zeit keinen Handball – und somit auch deutliche Abstriche bei Gehaltszahlungen – geben wird.
"Zwar hat es jeder mitbekommen, aber wir mussten die Mannschaft natürlich informieren, dass jetzt der Baum brennt", sagte Wetzel. Als Rückblick: Das letzte Teamtraining fand – wie bei den anderen Drittligisten aus Großsachsen und Schwetzingen – am vergangenen Donnerstag statt. "Weil ja jetzt auch die Fitness-Studios geschlossen sind, können wir unseren Jungs nur raten, sich irgendwie selbst fit zu halten", sagte Wetzel. Heißt, man solle laufen gehen oder sich mit Übungen im "Homeoffice" quälen. Denn weil die Dritte Liga noch mindestens bis 19. April pausiert und aktuell noch niemand genau weiß, wie und ob es danach weiter gehen soll, hängen die Vereine komplett in der Luft – sportlich, aber vor allem wirtschaftlich.
"Wir können nur abwarten", sagte Wetzel: "Aber ich gehe mal zu 99 Prozent davon aus, dass die Runde nicht zu Ende gespielt wird." Was würde das für die SG Leutershausen und die übrigen Drittligisten der Region, also den TV Germania Großsachsen und die HG Oftersheim/Schwetzingen bedeuten? Vor allem die Zuschauereinnahmen, die bei den Heimspielen erwirtschaftet werden, würden wegfallen. Ein herber Verlust, weil gerade in der Dritten Liga, in der es keine Fernsehgelder oder Großsponsoren gibt, ein großer Teil des Saisonetats von den Fans gedeckt wird. Sie kaufen sich Dauerkarten, besuchen die Heimspiele, erfreuen sich in der Halle an einer Bratwurst oder einem Bier. All das ist eingeplant.
"Gerade in den unteren Ligen ist es einfach so, dass man auf den Cent genau kalkulieren muss", sagte Wetzel: "Man kann deshalb nur auf Solidarität und Zusammenhalt hoffen, um das Worst-Case-Szenario einer Insolvenz mit aller Macht gemeinsam zu verhindern."
In Großsachsen gab es keinen Wurstsalat. Tom Zahn, der Sportliche Leiter der "Saasemer", sprach zur versammelten Mannschaft. "Das Team war geschockt, aber gefasst", berichtete Zahn. In kleiner Runde wurde besprochen, wie die Zukunft aussehen könnte. "Dann wurde daraus spontan ein klassisches Saisonabschluss-Training gemacht und nicht nur eine Kiste Bier vernichtet", sagte Zahn: "Man hat sich wie nach Rundenende gefühlt." Denn auch wenn er kein Prophet sein möchte, ist er sich so gut wie sicher, dass das letzte Saisonspiel bereits gespielt ist: "Wenn die Fußball-Europameisterschaft verlegt wird, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass unsere Runde zu Ende gespielt wird." Dennoch: Die Mannschaft wurde von Übungsleiter Stefan Pohl mit individuellen Trainingsplänen ausgestattet, um nicht gänzlich einzurosten.
Das dachte sich auch Holger Löhr. Der Coach der Schwetzinger war mit seinem Sohn im nahegelegenen Wald unterwegs: "Ich weiß gar nicht mehr, was ich mit der Zeit machen soll", sagte er: "Das ist natürlich ungewohnt. Wir müssen jetzt alle auf uns aufpassen." Die Schwetzinger Spieler wurden ebenfalls am Donnerstag nach Hause geschickt und mit Plänen versorgt. Löhr: "Wir haben ihnen gesagt, dass wir offen miteinander umgehen und man sich bei irgendwelchen Anzeichen direkt bei unserem Mannschaftsarzt melden soll." Noch gehe es aber allen Spielern gut.
Wie sehr die Corona-Krise der HG Oftersheim/Schwetzingen schaden wird, konnte der ehemalige Nationalspieler nicht sagen. "Ich weiß nur, dass wir sehr solide wirtschaften und es uns trotzdem hart treffen kann", sagte er: "Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Konsequenzen nicht absehbar." Um um einen Abbruch der Saison herumzukommen, könnte sich Löhr vorstellen, die verschobenen Spiele im Mai auszutragen: "Ob das realistisch ist, kann niemand sagen. Dafür ist die Lage zu angespannt und kritisch."
Fest steht, dass alle Vereine in einem Boot sitzen.
Also was tun, falls es wirklich zu einem Abbruch kommen würde? Gemeinsam hat man sich bereits überlegt, Benefizspiele im Sommer untereinander auszutragen. Zahn: "Dann könnten die Zuschauer trotzdem in die Halle kommen, Eintritt zahlen und uns so helfen, den wirtschaftlichen Schaden etwas einzudämmen."
Doch dass es bis zum Sommer noch eine lange – und harte – Zeit wird, weiß auch Zahn: "Es ist vollkommen unsicher, was in ein paar Tagen ist", sagte er: "Wir müssen abwarten – der Zustand ist wirklich extrem."